Atemschaukel

Buch von Herta Müller

Zusammenfassung

Inhaltsangabe zu Atemschaukel

Rumänien 1945: Der Zweite Weltkrieg ist zu Ende. Die deutsche Bevölkerung lebt in Angst. 'Es war 3 Uhr in der Nacht zum 15. Januar 1945, als die Patrouille mich holte. Die Kälte zog an, es waren -15º C.' So beginnt ein junger Mann den Bericht über seine Deportation in ein Lager nach Russland. Anhand seines Lebens erzählt Herta Müller von dem Schicksal der deutschen Bevölkerung in Siebenbürgen. In Gesprächen mit dem Lyriker Oskar Pastior und anderen Überlebenden hat sie den Stoff gesammelt, den sie nun zu einem großen neuen Roman geformt hat. Ihr gelingt es, die Verfolgung Rumäniendeutscher unter Stalin in einer zutiefst individuellen Geschichte sichtbar zu machen.
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Bewertungen

Atemschaukel wurde insgesamt 30 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 4 Sternen.

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Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Atemschaukel

    Atemschaukel zu lesen, fiel mir schwer.
    Ein kleiner Teil davon lag am Inhalt selbst:
    Das Leben des siebzehnjährigen Leopold Auberg im russischen Arbeitslager ist trist, eine Tortur, es stimmt demütig und melancholisch. Ich bin selbst im sibirschen Russland geboren worden und weiß von den weißen Landschaften meines Heimatlandes, von seiner Kälte und Klarheit, seinen puristischen Zügen. Für mich ist es erinnerungsschwer und es durch die Augen Leos zu sehen, war ein Blickwinkel, der für mich so interessant wie schwermütig war.
    Mehr noch als der Inhalt selbst hat aber die Sprache meinen Lesefluss zersetzt, denn ich ziehe meinen Hut vor der Bildhaftigkeit der übermächtigen Worte Herta Müllers.
    Ihre Herzschaufeln, Hungerengel und Atemschaukeln sind so lebendig, dass sie einen gruseln. Und sie klingen so schön, dass sie keinen härteren Kontrast zu den eigentlichen Sinnen der Worte hätten ziehen können.
    Man verliebt sich gemeinsam mit Leo in die Herzschaufel, wird abhängig von ihr.
    Ist gekettet an seinen Hungerengel, der ihn peinigt und ihm doch als einziger treu bleibt.
    Man schiebt sein Heimweh weit von sich, schickt es auf einem weißen Schwein auf Reisen in Richtung Himmel.
    All dies ist so poetisch, so bildlich und stark, so melancholisch und schwermütig, dass ich zeitweise das Gefühl hatte, davon erdrückt zu werden. Ich konnte Atemschaukel nicht lange am Stück lesen und habe Wochen gebraucht, es zu beenden. Dabei umfasst es gerade mal 300 Seiten.
    Ich glaube, das Buch gefiel mir. Sicher bin ich mir nicht, denn die Worte und die Bildergewalt lassen keinen klaren Eindruck zu.
    Aber Herta Müller hat mich mit ihren Worten erreicht und tief berührt, es ist ein Roman, der sich in Gedächtnis und Psyche eingräbt, Emotionslawinen lostritt.
    Zum Beispiel dann, wenn Leo von seinem Heimweh spricht, das er zu zähmen gelernt hat:
    "Wenn mir das auch noch gelingt, ist mein Heimweh nicht mehr empfänglich für Sehnsucht. Dann ist mein Heimweh nur der Hunger nach dem Ort, wo ich früher einmal satt war."
    Oder wenn der Nachbar Leo nach seiner Heimkehr erzählt, dass der Großvater bis zu seinem Tod immer auf ihn gewartet habe. Für mich eines der tieftraurigsten Motive der Literatur:
    Jemanden auf einen anderen warten zu lassen, obwohl er nicht wiederkommt. Oder zu spät wiederkommt, der Tod ihm vorauseilt. An diesen Textzeilen musste ich um den Großvater und all die versäumten Gelegenheiten weinen.
    Für mich ist das Buch fast wie lebendig mit all seinen Bildern, Erinnerungen, Gefühlstransporten. Nicht so schwer zu lesen, nicht so schwer zu verstehen. Aber mit den Eindrücken umzugehen, die noch lange in einem nachklingen, fällt zumindest mir nicht sehr leicht.
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  • Rezension zu Atemschaukel

    Ich habe das Werk von Herta Mueller sowohl als Buch als auch als Hörbuch erhalten und habe es nun erst einmal « gehört » durch die Stimme von Ulrich Matthes. Und bin ziemlich beeindruckt.
    Einige scheinen sich zu fragen, ob der Sprachstil dem Thema angemessen ist. Ich nahm beim Hören natürlich nicht solche Fragen wie Orthographie wahr und war trotz der Komplexität des Buches beeindruckt von der Sprache UND dem Inhalt. Mag sein, dass diese Art gekünstelter oder gar krampfhaft wirkender Sprache die Distanz aufkommen lassen will, die jemand manchmal aufbaut, der Schreckliches erlebt hat? Mag auch sein, dass beim Ich-Erzähler etwas definitiv gebrochen ist, so dass auch fehlende Satzzeichen, gewisse sprachliche Distanzierungen sozusagen das Erlebte spiegeln.
    Aber es stimmt, dass es etwas Verwirrendes an sich hat (haben kann), wenn man in solch künstlerisch ausgefeilte Sprache über solch ein raues, rohes Thema spricht...?!
    Auf jeden Fall beschreibt Müllers Sprache manche Einzelheiten grauenvoll gut: Man hat Gerüche in der Nase, sieht Bilder vor sich. Die „Schönheit“ der Sprache versteckt die Grausamkeiten ja nicht. Einige Grundthemen, wie vor allem der Hunger und die damit verwandten Themen des Brotes, des Klaus etc. werden so präzise, kreisend geschildert, dass man sich in das Leben eines Häftlings hineinversetzen kann. Das gilt ebenso für Passagen über die Arbeit, das Neben- und Miteinanderleben...
    Beim Hören fragte ich mich manchmal: Woher weiß die Frau Müller das? Das ist ja unglaublich prägnant! Nun verstehe ich durch Eure Kommentare besser, dass sie also im direkten Kontakt mit Betroffenen stand. Das erkennt man mit diesem Wissen dann sofort.
    Das Leben „danach“ wird geprägt vom Lager: man kann es nicht einfach abschütteln und hinter sich lassen. Der Ich-Erzähler schleppt Manches mit sich herum. Insofern gehören das Davor und Danach zum Lager selbst...
    Ich habe einige Bücher der so genannten „Lagerliteratur“ verschiedenster Totalitarismen gelesen. Dieses reiht sich – auf seine Art – doch da hinein.
    Später werde ich mir das Werk dann auch lesend gönnen. Und vielleicht die ein oder anderen Einzelheiten noch besser einordnen können.
    Eine ausdrückliche Empfehlung für den „vorgewarnten“ Leser.
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  • Rezension zu Atemschaukel

    Bin bei dem Buch tatsächlich eher etwas gespalten, es soll ja unglaublich poetisch wirken. Die Entrückung vom Leiden im Arbeitslager zeigen, ohne dass eine Realität des Arbeitslagers verloren gehen soll. Plausibel wird das in gewisser Weise auch durch die Dinge gemacht, die nicht erzählt werden - der Anfang im Lager fehlt so ebenso, wie das Ende im Lager, nachdem sich die Ernährungs- und somit die Lebenssituation erheblich verbessert hat. Genau das lässt eigentlich das Lager in den Hintergrund treten und lässt somit auch die Leidensrealität des Leopold Auberg und seiner Kameraden etwas verschwinden. Anstelle dessen treten, tatsächlich schöne, Wortneuschöpfungen, die gerade das Entrücken vom Leid, vom eigenen Körper, von der Individualität, (be-)greifbar machen. Gezeigt wird auch die unglaubliche Zerbrechlichkeit des Lebens, die aber gepaart ist mit einer Zähigkeit des Lebens, das sich eben nur zeigt durch die zahlreichen Situationen in denen es eben doch nicht zerbricht. So wird das Leben im Lager gewissermaßen Traumreise... nur umrahmt von Anfang und Ende; auch sind die einzelnen, zahlreichen, Abschnitte zeitlich nicht einzuordnen. Mir wird somit das Buch dem Thema mitunter nicht wirklich gerecht.
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Ausgaben von Atemschaukel

Hardcover

Seitenzahl: 384

Taschenbuch

 

Hörbuch

Laufzeit: 00:06:21h

E-Book

Seitenzahl: 305

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