Der Zementgarten

Buch von Ian McEwan, Christian Enzensberger

Zusammenfassung

Über Ian McEwan

Der britische Schriftsteller Ian McEwan wurde 1948 in Aldershot in England geboren und wuchs durch die Umzüge seiner Familie unter anderem in Libyen und Singapur auf. Mehr zu Ian McEwan

Bewertungen

Der Zementgarten wurde insgesamt 57 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 4 Sternen.

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Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Der Zementgarten

    Über den Autor:
    Ian McEwan (*1948 in Aldershot als Sohn eines Berufssoldaten) studierte englische und französische Philologie und hat einen MA in englischer Literatur. Während seines Masterstudiums an der University of East Anglia besuchte er ein Seminar für kreatives Schreiben. Seit der Veröffentlichung seiner ersten Kurzgeschichtensammlung „First Love, last rites“ 1975 lebt er als freier Schriftsteller. Für seine Werke wurde er mehrfach hoch ausgezeichnet, so erhielt er u.a. bereits für die vorher genannte erste Veröffentlichung 1976 den Somerset Maugham Preis, den Booker Prize für seinen Roman „Amsterdam“ im Jahr 1998 und den Deutschen Bücherpreis 2002 für „Atonement / Abbitte“.
    Buchinhalt:
    Ein Kindertraum wird Wirklichkeit: Papa ist tot, Mama stirbt und wird, damit keiner was merkt, einzementiert, und die vier Kinder - zwei Mädchen und zwei Jungen zwischen 6 und 16 – haben das große Haus in den großen Ferien für sich. Im Laufe des drückend heißen, unwirklichen Sommers kapselt sich die Gemeinschaft der Kinder mehr und mehr gegen die Außenwelt ab, und keiner merkt, dass etwas faul ist.
    (Quelle: Klappentext)
    Meine Meinung:
    Wer hat als Kind nicht wenigstens ein einziges Mal davon geträumt, die lästigen Erwachsenen wären weg und man könnte tun und lassen, was man will? Insofern passt der einleitende Klappentext perfekt auf die Ausgangssituation der Geschichte eines Sommers, die Ian McEwan hier erzählt. Noch dazu erzählt er von einer Familie, die nun wirklich nicht dem Idealbild entspricht: ein Vater, der die Familie tyrannisiert und alle stets nur lächerlich macht, aber selbst hoffiert werden will; der noch dazu um die Aufmerksamkeit der Mutter buhlt, indem er besonders den Kleinsten der Familie gängelt. Die Mutter hat ihrem Mann nichts entgegenzusetzen und die Familie lebt am Rande des Existenzminimums in einer verfallenden Gegend einer namenlosen Stadt irgendwo in England. Die drei älteren Kinder sind bereits vor diesem Sommer eine verschworene Gemeinschaft innerhalb der Familie, die gegen die Eltern, besonders gegen den Vater, eine Einheit bilden und zusammenhalten.
    So ist die Ausgangslage der Geschichte, die nur den kurzen Zeitraum eines sehr heißen Sommers umfasst. Nach dem Tod des Vaters tritt sehr schnell die Erschöpfung und Krankheit der Mutter zutage – eine namenlose, todbringende Krankheit, die in ihren Konsequenzen von allen ignoriert wird, auch von der Mutter. Insofern schafft diese selbst damit die Basis für das, was kommt. Die Kinder verheimlichen ihren Tod, was durch ihre räumlich und gesellschaftlich isolierte Situation und die beginnenden Sommerferien sehr leicht gelingt, und gleiten ab in ihre eigene Welt - zunächst jeder für sich, aber immer mehr auch alle gemeinsam in eine sich zunehmend umstrukturierende neue Familiensituation. Julie als Älteste hat bereits vorher durch und mit der Mutter gemeinsam mehr und mehr Verantwortung übernommen und übernehmen müssen und kristallisiert sich schnell als eine Art „neue Mutter“ der Familie heraus, da v.a. das Nesthäkchen Tom sie als neue Mama fordert und für sich einnimmt. Schleichend innerhalb dieses heißen Sommers entsteht so ein neues Geflecht von Beziehungen, sich verändernden Persönlichkeiten besonders der beiden pubertierenden Ältesten, und gleichzeitig scheint auch immer mehr die Einsamkeit, Verlorenheit, Trauer, Hilflosigkeit und Überforderung der Kinder durch. Während Jack sich gehen lässt und fast völlig den Bezug zur realen Welt verliert, bilden die Mädchen schneller eine Einheit und arrangieren sich mitsamt dem Jüngsten irgendwie im Alltag. Den Verfall der normalen gesellschaftlichen Werte und Gegebenheiten visualisiert der Autor besonders im Verfall des banalen täglichen Lebens, dem zunehmenden Dreck und Verfall des Hauses und des Haushalts. Am Ende sind die alten Regeln auf den Kopf gestellt, neue aufgestellt, alles ohne je wirklich darüber gesprochen zu haben, denn das Unsägliche bleibt meist unausgesprochen, haben die Kinder doch nie gelernt, über Gefühle und Empfindungen zu sprechen. Erst der „Außenseiter“ Derek, Julies Freund, lässt das Konstrukt eines Sommers zusammenbrechen.
    Ian McEwan beschreibt mit einer Leichtigkeit und Einfachheit der Sprache eine eskalierende Situation, die mich als Leser zum einen tief in die Geschichte gesogen hat, aber dann auch manchmal gleichzeitig wieder abgestoßen hat. Ich hatte wie manch anderer hier auch mit Ekelgefühlen zu kämpfen bei so manchen Beschreibungen, kann aber vieles auch einfach nachvollziehen wenn ich zurückblicke und überlege, wie ich mich mit 15/16 fühlte und verhalten habe. Moralisch schockiert war ich nie von den geschilderten Entwicklungen und Situationen, denn diese waren für mich schon fast logisch in ihrer Konsequenz. Auch das Ende ist für mich passend und konsequent, es ist offen und doch weiß jeder, was kommt.
    Der Autor hat sehr geschickt einen extrem heißen Sommer als Setting genommen, eine Ausnahmesituation, die das Abgleiten in diese Parallelwelt (ich glaube, mofre hat diesen Ausdruck als erste gebraucht) verbildlicht mit der Lethargie und Trägheit, die viele in solchen Sommern überkommt. Beeindruckend finde ich die allgemeine Gültigkeit der Geschichte, die sich hier und heute so auch abspielen könnte – erst mitten in der Geschichte fiel mir auf, dass sie bereits vor fast 40 Jahren geschrieben wurde.
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  • Rezension zu Der Zementgarten

    Tolle Atmosphäre, gelungene Erzählung!
    In einer Vorortsiedlung, in der die meisten Häuser abrissreif und baufällig sind, lebt die Familie, die die Handlung des Romans trägt. Der Vater ist ein Tyrann, der die vier Kinder und seine Frau gerne bis ins Lächerlichste demütigt. Doch dieser stirbt direkt im ersten Kapitel an einen Herzinfarkt. Daraufhin kränkelt die Mutter, sie wird von der ältesten Tochter so es denn geht unterstützt und gepflegt, doch auch diese stirbt den Kindern weg.
    Nun stehen sie da! Und aus der Gefahr heraus, dass sie Waisenkinder in einem Heim werden könnten, entschließen sie sich den Tod der Mutter zu verbergen.
    Die Atmosphäre ist sehr prekär, es lodert etwas und der Leser spürt, da kommt noch was … Der Autor schafft eine einzigartige Stimmung in seine Zeilen zu transportieren. Dennoch wirkte die Erzählung auf mich nie verstörend oder bedrückend, sondern eher plastisch und gut beobachtet. Auch hatte ich nie das Gefühl, dass ich eine Tatsachenbegebenheit lese, von Anfang an war für mich klar, dass dies ein fiktionaler Roman ist. Vielleicht weil auch das Wehleidige fehlte!? Das Ergebnis ist ein wirklich gut funktionierendes Konstrukt, was mir gut gefallen hat.
    Die Stimmung steigert sich fortwährend, da der Autor gekonnt die Figuren mit Leben füllt, ihre Ängste, insbesondere die von Jack, veranschaulicht und eine wirklich außerordentliche Krisensituation beschreibt. Man ist als Leser gefesselt und liest atemlos weiter!
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  • Rezension zu Der Zementgarten

    So ein "kurzes" Buch, aber das zeigt wieder einmal, dass die Seitenzahl nichts mit dem zu tun hat, was ein Buch für eine Wirkung auf einen Leser haben kann. Ich habe "Der Zementgarten" so wie viele von euch mit Entsetzen und Grauen gelesen, mich hat es beim Lesen mehr und mehr geschüttelt, aber das liegt wahrlich nicht an dem, wie McEwan schreibt, sondern daran, was für Bilder im Kopf entstehen. Die Fliegen im Haus, der Gestank verwesenden Fleisches, die Wespen, die sich über Fleischreste hermachen, das schimmlige Geschirr unter dem Bett, die Ratten... das alles wird nur einmal erwähnt, hat sich aber als Puzzlestück sofort in meinem Kopfkino festgesetzt. Die Kinder, vor allem Jack, waren mir beim Lesen sehr suspekt, trotzdem hat es beim Lesen ein bisschen gedauert, bis ich mir eingestehen konnte, dass das alles wirklich so schlimm ist, wie es scheint. Als gleich am Anfang zum Beispiel beschrieben wird, dass Jack sich nicht mehr wäscht, habe ich das ehrlich gesagt für eine Übertreibung gehalten - umso mehr hat es mich geschüttelt, als mir klar wurde, dass es stimmt.
    Hitze und Gestank und das Summen von Fliegen liegen über dieser Erzählung, über die ich auch nachgedacht habe, wenn ich nicht in dem Buch gelesen habe.
    Vielleicht lassen sich meine Gedanken später noch besser in Worte fassen, aber ihr habt ja auch schon viel zu diesem Buch gesagt.
    Übrigens: ein sehr toller, aussagekräftiger Thread! Hat mir sehr viel Spaß gemacht, eure Eindrücke zu lesen. :thumright:
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  • Rezension zu Der Zementgarten

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    Der Beitrag Magdalenas ist kein Spoiler. Dass die Kinder ihre Mutter nach deren Tod im Keller einzementieren, wird schon im Klappentext und in der Amazon-Beschreibung erzählt. Auch die Bemerkung über den offenen Schluss verraten nichts Wichtiges.
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    Änderungen sind nur noch 60 min.lang möglich, dann verschwindet der Änderungs-Button.
    […]
    Soweit ich verstanden habe, kann die Mutter nicht mehr aus dem Bett aufstehen, weil sie an einer körperlichen Krankheit leidet, vermutlich an Krebs.
    […]
    Als die Mutter stirbt und die Kinder beschließen, ihren Tod geheim zu halten, beginnen gerade die langen Sommerferien, so dass von seiten der Schule keine Nachfrage zu befürchten ist. Außerdem hat diese Familie schon immer völlig abgekapselt gelebt, ohne Kontakt zu Verwandten, ohne Freunde. Eh da jemand merkt, dass etwas nicht stimmt, dauert es eine Weile. Gerade in den letzten Jahren gibt es doch auch bei uns immer wieder Meldungen über Kinder, die von ihren Eltern jahrelang im Keller oder in ihrem Kinderzimmer gefangengehalten wurden, ohne dass das den verschiedenen Behörden aufgefallen wäre.
    […]
    Das ist nicht schwer vorzustellen: Sie werden sicherlich getrennt, kommen zu verschiedenen Pflegefamilien oder Waisenhäuser, erhalten darüber hinaus wahrscheinlich noch psychologische Betreuung. Ob sie ihr Leben in den Griff kriegen und in der Lage sein werden, normale soziale Beziehungen zu andern Menschen aufzubauen, wird sich erst mit der Zeit erweisen.
    Gruß
    mofre
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  • Rezension zu Der Zementgarten

    "Der Zementgarten" war mein erstes McEwan-Buch, aber bestimmt nicht mein letztes. Bisher war die Verfilmung von "Abbitte" mein einziger Berührungspunkt mit ihm.
    Für mich ist es ganz schwierig zu dieser Geschichte etwas zu sagen. Es wäre auf jeden Fall ein gutes Buch mit viel Diskussionsstoff für eine Leserunde gewesen.
    Mir ist es so ergangen, dass ich fast die ganze Zeit mit einem angewiderten Gesichtsausdruck gelesen habe. Sämtliche Ereignisse waren auf eine gewisse Weise "krank". Auch die eigentlich harmlos anmutenden Dinge wie die verbitterte Erziehung des Vaters, eine Familie die nie Besuch bekommt oder die schwere Krankheit der Mutter, die die Kinder gar nicht so richtig wahrnehmen. Aber natürlich auch auf den ersten Blick schockierende Dinge wie den Inzest, die irgendwie liebevolle, aber auch krankhafte Beziehung von Julie zu ihrem kleinen Bruder Tom, das Einzementieren der toten Mutter im Keller oder das Dauer-Onanieren. Aber trotz aller Abnormitäten schaffen es die 4 Kinder, trotz einiger Auseinandersetzungen untereinander, so etwas wie eine Gemeinschaft zu bilden und überraschend gut, sich selbst zu versorgen. Was ganz am Ende, nach dem Aufdecken des ganzen Spektakels von Derek, passiert, ist einerseits das einzig Richtige, aber andererseits habe ich den Kindern auch gewünscht, dass dies nicht geschieht. Der Schluss und das zwiegespaltene Gefühl, das McEwan in mir hinterlässt, waren in meinen Augen sehr stimmig.
    Eine angenehm verstörende Atmosphäre zieht sich durch die Geschichte. Für die Höchstnote reicht es nicht ganz, aber sind für dieses Buch, das mich bestimmt noch einige Zeit beschäftigen wird, auf jeden Fall drin.
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  • Rezension zu Der Zementgarten

    Ian McEwan schafft in meinen Augen scheinbar ganz spielerisch, was ich ansonsten bei den meisten anderen Autoren vermischen. Er versteht es einerseits, eine Geschichte zu schreiben, die sowohl flüssig und leicht zu lesen ist, dabei auch immer unterhaltsam und mit einem Spannungsbogen ausgestattet, der ein sehr stringentes Lesevergnügen bereitet und das alles gleichzeitig auf einem literarisch hohen Niveau. Noch dazu in überaus ansprechenden deutschen Übersetzungen. Andererseits geht Ian McEwan immer wieder manchmal auch unscheinbare Themen an, die einem trotzdem zum langfristigen und nachhaltigen Reflektieren des gerade Gelesenen anspornen und die einen dann zu grossen Gedanken der wichtigen Fragen des Lebens bringen.
    Um den Bogen zum Zementgarten zu schlagen:
    Wo sind denn die Grenzen von Liebe zum Geschwister und Geschwisterliebe? Ich darf grosse Gefühle wie Freude, Trauerund Trost mit Körperlichkeit wie in den Arm nehmen, halten, streicheln gegenüber einem Geschwister zum Ausdruck bringen, doch warum nicht mehr, wenn das Gefühl denn da wäre? Nur wegen der zu befürchtenden genetischen Schäden oder weil es schon in der Bibel steht?
    Wie legt man überlieferte Grenzen aus, wenn die bisherigen moralischen und pädagogischen Instanzen nicht mehr da sind? Noch dazu in Zeiten der Pubertät, wenn die Hormone und Gefühle verrückt spielen und Verhalten manchmal bis weit über Grenzen ausgetestet werden. Wird man masslos, wenn man einem keine Grenzen aufgezeigt werden oder fällt man zwangsläufig wieder in ein "Normalmass" zurück, wenn man sich einmal eine Zeit lang ausgetobt und ausgelebt hat? Das sind nur ein Teil der Fragen, die ich mir zu dieser Lektüre seinerzeit gestellt habe und dieses Buch hallt bei mir noch immer nach.
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Ausgaben von Der Zementgarten

Taschenbuch

Seitenzahl: 208

Hardcover

Seitenzahl: 128

E-Book

Seitenzahl: 147

Hörbuch

Laufzeit: 00:02:02h

Der Zementgarten in anderen Sprachen

  • Deutsch: Der Zementgarten (Details)
  • Englisch: The Cement Garden (Details)

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