Stephen King/Richard Bachmann - Todesmarsch/The Long Walk

  • Ich hatte mal wieder Lust auf einen King und auf ein Buch, dass sich schnell lesen lässt. "Todesmarsch" stand noch ungelesen im Regal. Also griff ich zu und habe es beinahe am Stück durchgelesen. Wieder eines dieser großartigen King-Bücher, die uns die Abgründe unserer Gesellschaft vor Augen halten.
    100 Jungs unter 18 begeben sich jedes Jahr auf den "Langen Marsch" (wobei ich dieses Mal den abgewandelten deutschen Titel durchaus treffend finde). Die "Auserwählten" (ich würde sie ja eher die Verdammten nennen), werden von der Gesellschaft als Helden gefeiert, das ganze Land nimmt Anteil am Marsch, die Menge versammelt sich am Straßenrand, es werden Wetten abgeschlossen. "Brot und Spiele" nannten die alten Römer das.

    allerdings war es absolut unglaubwürdig mit welcher bodenlosen Naivität die Jungs sich fuer diesen Marsch gemeldet haben.
    Dieser Marsch ist seit vielen Jahren das Medienereignis des Jahres, wird teilweise live im TV übertragen, tausende von Zuschauern säumen die Straßen - und dann machen die Jungs beim Start echt den Eindruck, als würden sie denken auf eine etwas anstrengende Rucksacktour zu gehen und sind völlig baff nach den ersten Toten?

    Für mich war das gar nicht unglaubwürdig. Natürlich sind die Jungs naiv, sie sind berauscht davon, dabei zu sein und ich denke, keinem ist wirklich die ganze grausame Realität bewusst. Dieses Phänomen kennt man aus dem täglichen Leben: jemand erzählt einem etwas, das er erlebt hat. Man glaubt, sich vorstellen zu können, wie es ist. Bis man dann selbst am eigenen Leib die gleiche Erfahrung macht und eben merkt, dass man es sich nicht vorstellen konnte. (Ist jetzt ein blödes Beispiel, aber mir ging es bei meiner ersten Geburt so. Es war alles ganz anders und eben real)
    Mitzuerleben, wie Ray Garraty hoffunungsvoll losgeht, von der Realität eingeholt wird, für kurze Zeit Freundschaften schließt und diese auch wieder zerbrechen sieht, wie er sich von Meile zu Meile schleppt und sein Geist immer wieder den Körper besiegt, ist beklemmend, aber faszinierend. Und auch die Dynamik in der Gruppe bietet soviele Facetten menschlicher Charaktere, dass - obwohl eigentlich ja nur ein eintöniger Marsch beschrieben wird - keinen Moment Langeweile aufkommt.


    Ein Buch, das lange nachhallt und sich weit vorn in die Reihe der großartigsten King-Bücher gesellt. :pray:
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Gelesen in 2024: 9 - Gehört in 2024: 6 - SUB: 626


    "Wenn der Schnee fällt und die weißen Winde wehen, stirbt der einsame Wolf, doch das Rudel überlebt." Ned Stark

  • Eines der besten Bücher von Bachman. Auch wenn es nur der Name ist, werde ich es nicht so wirklich als ein Buch von "King" annehmen.
    Dennoch empfehle ich es immer wieder gerne als Einsteigerbuch zur Annäherung von Kingbüchern.
    Was hat sich Ullstein da nur einfallen lassen.
    Tze.
    :-)


    Ich brauche wesentlich mehr Zeit pro Tag. Wie soll ich mich entscheiden?
    Lesen :study:
    oder
    schreiben? :-k

  • Eines der besten Bücher von Bachman.


    Da kann ich dir nur Recht geben!

    Gruß
    Yvonne

    Nicht die haben die Bücher recht lieb, welche sie unberührt in den Schränken aufheben, sondern, die sie Tag und Nacht in den Händen haben, und daher beschmutzet sind, welche Eselsohren darein machen, sie abnutzen und mit Anmerkungen bedecken.
    (Erasmus von Rotterdam)

  • werde ich es nicht so wirklich als ein Buch von "King" annehmen.


    Warum nicht? Ich finde, dass es durchaus ein "echter King" ist. Es ist zwar nicht so umfangreich wie "Es", "The Stand" oder "Die Arena", aber sein Stil ist unverkennbar.

    Gelesen in 2024: 9 - Gehört in 2024: 6 - SUB: 626


    "Wenn der Schnee fällt und die weißen Winde wehen, stirbt der einsame Wolf, doch das Rudel überlebt." Ned Stark

  • Inhalt: Einhundert 17-jährige Amerikaner brechen jedes Jahr am 1. Mai zum Todesmarsch auf. Für neunundneunzig von ihnen gilt das wörtlich – sie werden ihn nicht überleben. Der Sieger dagegen bekommt alles, was er sich wünscht ...



    Meine Meinung: Als ich das Buch bei Thalia in der Hand hielt, hielt ich es für sehr unspektakulär, aber ich dachte mir "Wieso sollte ich ihm keine Chance geben?" Bereut habe ich es nicht! Die Handlung ist sehr simpel...100 Jugendliche nehmen aus vielen verschiedenen Gründen an einem Marsch teil, der Sieger bekommt alles was er sich wünscht, Ruhm, Reichtümer/Geld usw. Allerdings wird er der einzige Überlebende sein und muss dabei zusehen, wie die anderen Mitläufer eliminiert werden. Dabei stoßen die Läufer nicht nur körperlich sondern auch psychisch an ihre Grenzen. Das ganze wird dazu noch live im Fernsehen übertragen und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, kann man sogar auf die Läufer wetten. Es handelt sich um eine grausame Zukunftsvision, die mich persönlich von der ersten bis zur letzten Seite in seinen Bann gezogen hat. Die Jungs sind in meinen Augen nur naiv und ich habe mich immer wieder gefragt, wieso man nur an so etwas teilnehmen kann. ](*,)
    Im Zentrum des Ganzen steht der junge Garraty. Ich konnte mich gut in ihn hineinfühlen, besonders als die ersten Schüsse fielen und ihm da so richtig bewusst wurde, dass es sich hier um kein Spiel handelte, sondern dass noch 99 von ihnen sterben würden...und er könnte jederzeit der nächste sein. Es fiel mir sehr schwer, das Buch aus der Hand zu legen, da es trotz seiner simplen Handlung und der ganzen Grausamkeit mich einfach in seinen Bann gezogen hat. Ich wollte unbedingt wissen, wen es bald als nächstes "erwischt" (man entwickelt da natürlich einige Sympathien ) und wer letztendlich als Gewinner hervorgeht.
    Aber am meisten gefällt mir daran, dass das Ende Raum für Interpretationen lässt.



    Fazit: Ich würde jedem, der solche Zukunftsvorstellungen bzw Utopien mag, dieses Buch ans Herz legen. Auch wenn es recht "dünn" ist, so lässt dies nicht auf die Spannung schließen. Die Handlung ist einfach aber wirkungsvoll. Daher vergebe ich dem Buch ganze 5 :bewertung1von5::lechz:

    Nur indem wir uns selbst prüfen, erreichen wir Meisterschaft über uns selbst. Nur so können wir mehr werden als wir sind.

    Matthew Stokoe (high life)

  • Eine sehr originelle Idee für die damalige Zeit (Buch ist ja schon ein paar Jahre auf dem Markt) und sehr schön umgesetzt. Eine beklemmende Atmosphäre, die sich über die gesamte Zeit des Lesens hält. SK (bzw. Richard Bachmann) konzentriert sich bewusst nur auf den „Marsch“ und hält das ganze Drumherum im Dunkeln. Hier hätte man durchaus mehr daraus machen können. Ich finde jedoch, dass SK hier vermutlich den besseren Weg gewählt hat. Wäre er auf die Hintergründe näher eingegangen, wäre das Buch schnell um einige Hundert Seiten dicker geworden. Dadurch würde jedoch die Intensität und das konzentrierte Miterleben des Marsches leiden.

    Fazit


    Rundherum ein schönes Buch mit einem tollen Ende. Eine kurzweilige Geschichte, die durchaus lesenswert ist. Für 5 Sterne hat es bei mir leider nicht ganz gereicht. Von mir gibt es :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Nun habe ich das Buch auch gelesen, und frage mich, wie ein Autor auf so eine Idee kommt. :-k Es muss schon ein besonderer Autor mit sehr viel Fantasie sein, um sich so etwas einfallen zu lassen. Überraschend überzeugend. Außerdem lebt das Buch von einem einzigen Erzählstrang. Und dennoch ist es spannend erzählt. Der Autor lässt die Charaktere sprechen, denn die Handlung an sich ist monoton, und dennoch wirkt die nicht so. Weil es zu viele psychologische Aspekte des Verhaltens einzelner Teilnehmer gibt und diese sind sehr interessant und packend. Die ganze Frage des Wettbewerbs ist so absurd, so unmenschlich, dass man geschockt und gebannt das Ganze verfolgt. Bis ans Ende. Und da kommt die Frage nach dem Gewinner, kann man unter diesen Umständen überhaupt ein Gewinner sein... Meiner Meinung nach nicht. Aber auch diese Frage beschäftigt den Leser... Großartig erzählt. :thumleft: Hat mir gut gefallen

    2024: Bücher: 99/Seiten: 43 438

    2023: Bücher: 189/Seiten: 73 404

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    Macdonald, Helen/Blaché, Sin - Prophet

  • Todesmarsch war eines der ersten Bücher, die ich von Stephen King gelesen haben.

    Sogar unbewusst, weil auf dem Buch der Name Richard Bachmann stand - eines von Kings Pseudonymen.

    Ich hatte es mir aus dem Bücherschrank meines Stief-Daddys geholt und war eigentlich noch gar nicht in dem Alter dafür. Deshalb habe ich auch kaum etwas davon verstanden, nur die erschreckenden Gewaltszenen blieben mir im Gedächtnis.

    Wirklich schade, wenn es dabei geblieben wäre.


    Durch eine Besprechung wieder darauf aufmerksam geworden, habe ich es dann kürzlich nochmal gelesen und war wirklich begeistert.


    Todesmarsch hat eine ausladende Kulisse und eine Vielzahl an Protagonisten, womit schlechtere Autoren schnell überfordert wären.

    King gelingt es trotzdem eine intime Nähe zu den Käufern herzustellen und daraus eine Art erweitertes Kammerspiel zu machen.

    Wir lernen die Läufer kennen, manche natürlich mehr als andere, aber es bleibt jederzeit nachvollziehbar und übersichtlich.

    Schnell bilden sich wechselnde Gruppen und Sympathien, sowohl bei den Läufern als auch beim Leser. Helden und Bösewichte entstehen, manchmal bloß für Stunden, bevor King sie dekonstruiert oder sterben lässt. Ein ums andere Mal spielt er gekonnt mit den Erwartungen und Situationen, um dann die Karten wieder neu zu mischen.

    Hieraus ergibt sich eine Immersion und Spannung, die mich als Leserin ganz nahe heranbringt, an dieses blutige Schauspiel.

    Bis zum Schluss bleibt der Ausgang ungewiss, obwohl ich schon früh geahnt habe, dass dieses Ende höchstens von bitterer Süße sein würde.


    Ein grandioses kleines Buch!

    Ich bin froh, es nochmals zur Hand genommen und mit den Augen einer Erwachsenen gelesen zu haben.

    Als Todesmarsch entstand dürfte das Szenario noch reichlich abstrus gewirkt haben, aber heute? Ich habe mich immer wieder gefragt, wie die Spaßgesellschaft, die keine Gelegenheit auslässt sich auf social media zu exponieren, wohl auf eine solche Show reagieren würde.

    Addiert man noch den schrecklichen Krieg hinzu, der gerade auf europäischem Boden wütet, vergeht einem das Lachen.


    Bevor mich hier allerdings von Sushan in Misanthropia verwandele, gebe ich dem Buch lieber meine 4.5 Sterne.


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb:


    P.S.

    Ich würde mir wirklich wünschen das King noch einmal etwas ähnliches zustande bringt.

    Die neueren Bücher hallen bei mir kaum noch nach, obwohl ich seine Erzählweise genauso liebe, wie seine Charakterentwürfe.

    Leider scheint er am eigentlichen Plot immer weniger Interesse zu haben, die Geschichten mäandern dann häufig um die Charaktere herum und verwässern.

    Zuweilen wirkt es auch mich, als ob der den Plot total vergisst, während er sich an seinen Figuren erfreut.

    Teilweise muten die Bücher wie Versatzstücke mehrerer Ideen an. Diesen Eindruck hatte ich bei "Fairy Tale" wieder, welches ich noch immer nicht ganz zu Ende gelesen habe.

    Da sind mit die alten Bücher lieber, die ich gar nicht aus der Hand legen konnte.

    "Ich bin eitel, hochmütig, tyrannisch, blasphemisch, stolz, undankbar, herablassend - bewahre aber das Aussehen einer Rose" Pita Amor

  • Als Todesmarsch entstand dürfte das Szenario noch reichlich abstrus gewirkt haben, aber heute? Ich habe mich immer wieder gefragt, wie die Spaßgesellschaft, die keine Gelegenheit auslässt sich auf social media zu exponieren, wohl auf eine solche Show reagieren würde.

    Addiert man noch den schrecklichen Krieg hinzu, der gerade auf europäischem Boden wütet, vergeht einem das Lachen.

    Zu Punkt 1 kann man vermutlich davon ausgehen, dass zwar einerseits eine Welle der Empörung durch die Gesellschaft gehen würde, es aber dennoch genug Menschen gäbe, die (heimlich oder ganz offen) so ein Rennen verfolgen und befeuern würde. Traurig aber wahr.


    Was den Krieg angeht, verstehe ich den Zusammenhang zu diesem Buch und der Idee nicht so ganz. Und auch nicht, was diesen Krieg so sehr von all den anderen unterscheidet, die sonst noch wüten und einen maßlos wütend und traurig machen - außer natürlich, dass wir hier näher dran sind.

    Gelesen in 2024: 9 - Gehört in 2024: 6 - SUB: 626


    "Wenn der Schnee fällt und die weißen Winde wehen, stirbt der einsame Wolf, doch das Rudel überlebt." Ned Stark

  • Was den Krieg angeht, verstehe ich den Zusammenhang zu diesem Buch und der Idee nicht so ganz.


    King betreibt hier zwar nur rudimentäres Worldbuilding und legt den Fokus auf seine Figuren, aber ich fand es recht deutlich, dass eine militärische Organisation diesen Staat beherrscht.

    Darauf habe ich angespielt, weil ich auf der gesamten Welt eine Militarisierung beobachte.

    Der Ukraine Krieg ist da leider nur ein Schauplatz, denn auch im Jemen tobt ein furchtbarer Krieg. Nordkorea bedroht den Süden, zwischen Griechenland und der Türkei gibt`s immer wieder Zusammenstöße und die KPCH würde gerne Hand an Taiwan legen. Beispiele gibt es leider zu Hauf.

    Scheinbar hat der Mensch nichts aus den blutigen Kriegen gelernt, viele rufen schnell nach dem starken Mann und "Verteidigung". Deshalb halte ich solche Szenarien für nicht allzu unrealistisch.

    Mir kommt dann sofort Napoleon Bonaparte in den Sinn:

    "Der Krieg ist der natürliche Zustand, die … Befreiung von dem bleiernen Mantel der Zivilisation." Hoffentlich täusche ich mich.

    "Ich bin eitel, hochmütig, tyrannisch, blasphemisch, stolz, undankbar, herablassend - bewahre aber das Aussehen einer Rose" Pita Amor

  • "Todesmarsch" ist auch eine etwas andere Art von Roman aus seiner Feder. Ich muss sagen, dass dieses Buch mich auch sehr begeistert hat, genau wie "Running Man", das einen medial sehr stark beherrschten Staat zeigt und dabei konzeptionell und erzählerisch den gleichnamigen Schwarzenegger-Film bei Weitem übertrifft.

    Bezüglich des Buchs gebe ich Ihnen völlig Recht. King hat da in beiden Fällen ein treffendes Porträt eines protototalitären Staates mit seinen administrativen Mechanismen und seiner panem et circenses Attitüde gemalt. Ich habe "Running Man" gelesen lange nach dem "ersten Mal Film" und war recht begeistert. Allerdings ist der Film unterbewertet. Da sieht man Schwarzenegger, den Unschauspieler, der nur dreinschlagen kann, und schwupp ist das Werk Paul Michael Glasers ohne genauer hinzusehen in der Schublade. Nur ist das so ungerechtfertigt wie vorhersehbar, denn langsam setzt sich in Filmkreisen zu Recht die Erkenntnis durch, dass die Filmversion von "Running Man" mehr Substanz hat, als die Schwarzenegger detractors (nebst King) so reflexhaft in den 80ern meinten. Ein aber mal so richtig substanzloser Film ist die "Tribute von Panem" (und dessen Sequels), der den Stoff eigentlich nur frech klaut. Glattgebügelt, bieder und familienfreundlich. DAS ist ödes Kino. "Running Man", der Film, ist in seiner ungeschönten Garstigkeit als Kunstwerk wesentlich besser als sein Ruf.