Ich hatte mal wieder Lust auf einen King und auf ein Buch, dass sich schnell lesen lässt. "Todesmarsch" stand noch ungelesen im Regal. Also griff ich zu und habe es beinahe am Stück durchgelesen. Wieder eines dieser großartigen King-Bücher, die uns die Abgründe unserer Gesellschaft vor Augen halten.
100 Jungs unter 18 begeben sich jedes Jahr auf den "Langen Marsch" (wobei ich dieses Mal den abgewandelten deutschen Titel durchaus treffend finde). Die "Auserwählten" (ich würde sie ja eher die Verdammten nennen), werden von der Gesellschaft als Helden gefeiert, das ganze Land nimmt Anteil am Marsch, die Menge versammelt sich am Straßenrand, es werden Wetten abgeschlossen. "Brot und Spiele" nannten die alten Römer das.
allerdings war es absolut unglaubwürdig mit welcher bodenlosen Naivität die Jungs sich fuer diesen Marsch gemeldet haben.
Dieser Marsch ist seit vielen Jahren das Medienereignis des Jahres, wird teilweise live im TV übertragen, tausende von Zuschauern säumen die Straßen - und dann machen die Jungs beim Start echt den Eindruck, als würden sie denken auf eine etwas anstrengende Rucksacktour zu gehen und sind völlig baff nach den ersten Toten?
Für mich war das gar nicht unglaubwürdig. Natürlich sind die Jungs naiv, sie sind berauscht davon, dabei zu sein und ich denke, keinem ist wirklich die ganze grausame Realität bewusst. Dieses Phänomen kennt man aus dem täglichen Leben: jemand erzählt einem etwas, das er erlebt hat. Man glaubt, sich vorstellen zu können, wie es ist. Bis man dann selbst am eigenen Leib die gleiche Erfahrung macht und eben merkt, dass man es sich nicht vorstellen konnte. (Ist jetzt ein blödes Beispiel, aber mir ging es bei meiner ersten Geburt so. Es war alles ganz anders und eben real)
Mitzuerleben, wie Ray Garraty hoffunungsvoll losgeht, von der Realität eingeholt wird, für kurze Zeit Freundschaften schließt und diese auch wieder zerbrechen sieht, wie er sich von Meile zu Meile schleppt und sein Geist immer wieder den Körper besiegt, ist beklemmend, aber faszinierend. Und auch die Dynamik in der Gruppe bietet soviele Facetten menschlicher Charaktere, dass - obwohl eigentlich ja nur ein eintöniger Marsch beschrieben wird - keinen Moment Langeweile aufkommt.
Ein Buch, das lange nachhallt und sich weit vorn in die Reihe der großartigsten King-Bücher gesellt.