Mein Lese-Dezember
hatte mehr Höhen als Tiefen, und das wünsche ich allen Lesern herzlich für das Neue Jahr! Was Bücher angeht und überhaupt!
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Charles Lewinsky, Schall und Rauch.
Lewinsky demontiert das Denkmal Goethe und stellt es auf höchst menschliche Füße. Witzig, aber niemals flapsig. Einfach gute Unterhaltung!
+ Florian Illies, Zauber der Stille. Caspar David Friedrichs Reise durch die Zeiten
Eines der originellsten und mitreißendsten Sachbücher, die ich jemals gelesen habe! Illies orientiert sich an den vier Elementen und führt den Maler, sein Werk, sein Umfeld und vor allem seine Rezeption anhand dieser Elemente vor. Dabei bleibt er zunächst im Phänotypischen stecken, was mich erst enttäuschte, aber dann liefert er einfach nur stimmige und vielschichtige Deutungen zu den wichtigsten Bildern.
Die Hamburger Ausstellung bietet viele Bilder, leider können die Bilder aus der Eremitage nicht ausgestellt werden, wie z. B. das Titelbild.
Zadie Smith, Betrug
Übersetzung Tanja Handels
Ein aufsehenerregender Prozess im viktorianischen England wird für Zadie Smith zu einem Kaleidoskop der aktuellen Gesellschaft, die sie scharfsichtig analysiert und alte Versäumnisse bloßlegt: Kapitalismus, Entrechtung, Verarmung. Sehr gut gefallen hat mir, wie sie Vergangenheit und Gegenwart miteinander verwebt.
Franz Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh.
In einer absolut bereichernden MLR mit Squirrel haben wir diesen Backstein erarbeitet. Ein ungemein vielschichtiges Werk! Werfel beobachtet schon Ende der 20er Jahre die Gefahren des Nationalismus und legt das bürokratische Funktionieren eines Genozids bloß. Ein packendes Buch mit einer Fülle von interessanten Figuren, lebendig erzählt, bunt, keine Sekunde langweilig.
Inger-Maria Mahlke, Unsereins.
Sprecherin: Julia Nachtmann
Der Roman lehnt sich sprachlich und inhaltlich an Thomas Manns "Buddenbrooks" an, aber erweitert ihn um Figuren aus den unteren Segmenten der Stadt Lübeck. Und mit diesen Figuren entfaltet die Autorin die Problemfelder der Zeit: Sozialdemokratie, Antisemitismus, Homosexualität, Pauperismus, merkantile Krisen, Nationalismus, gesellschaftliche Umbrüche.
Das hat mir sehr gut gefallen.
Pirkko Saisio, Das rote Buch der Abschiede.
Übersetzung Elina Kritzokat
Die Autorin ist eine der Größen des finnischen Kulturlebens, und mir war sie bislang fremd. Das Buch ist autobiografisch, und ich habe gebannt verfolgt, wie eine junge lesbische Kommunistin aus dem Arbeitermilieu im Helsinki der 70er Jahre ihren Weg zu Literatur und Kunst findet.
Robert Louis Stevenson, Dr. Jekyll und Mr. Hyde.
Übersetzung H. W. Drabermann
Sprecher David Nathan
Ein Klassiker, und jetzt kenne ich ihn auch. Mit großem Vergnügen gehört.
Willa Cather, Der verwunschene Fels.
Übersetzung Agnes Krup
Der Band enthält sechs teils ältere, teils neu herausgegebene Erzählungen von Willa Cather, der Großmeisterin.
Thomas Binder, Der Galgentänzer. Leben einer Schwarzwälder Räuberlegende.
Der Autor stellt einen der vielen Räuber des 18. Jahrhunderts vor: Johann Baptist Herrenberger, genannt Konstanzer Hans. Das Buch wird angereichert durch Sachinformationen zum Räuberwesen, zur Rechtsprechung der Zeit und ähnlichen Themen.
Maggie O'Farrell, Portrait einer Ehe.
Übersetzung Thomas Bodmer.
Die Protagonistin Lucrezia Medici wird nach Ferrara verheiratet. Die Quellenlage ist mehr als dünn, und daher füllt die Autorin die Lücken nach eigenem Gusto auf. Das könnte wirklich spannend sein, aber ich fand das Buch eher geschwätzig.
Stefan Ahnhem, Und morgen du.
Übersetzung Katrin Frey
Sprecher David Nathan
Ein genialischer Ermittler, der sich an keine Regeln und keine Weisungen hält, für den Teamarbeit ein Fremdwort ist - er ist einfach der Tollste. Dazu sehr phantasievolle Morde , und unendlich viele Leichen. Nie wieder.
André Milewski, Die Totentafel. Abbruch.
Sprecherin Katja Sallay.
Geschwätzige Handlung, und die Sprecherin erschwerte mir das Zuhören durch wechselnde Sprechgeschwindigkeiten: mal elegisch langsam, dann nervös schnell, ohne Zusammenhang mit der Handlung.