Wintergewölbe

Buch von Anne Michaels, Gerhard Falkner, Nora Matocza

Bewertungen

Wintergewölbe wurde insgesamt 2 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 3,8 Sternen.

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Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Wintergewölbe

    Lange, lange haben wir sehnsüchtig gewartet auf den zweiten Roman von Anne Michaels, der kanadischen Autorin, deren erster Roman „Fluchtstücke“ in 30 Sprachen übersetzt worden ist und Millionen von Menschen begeistert hat. Und das Warten hat sich gelohnt. Mit „Wintergewölbe“ legt sie ihren zweiten Roman vor, für den sie jahrelang recherchiert hat und den man sich erarbeiten muss. Viele haben damals „Fluchtstücke“ mehrmals gelesen, um die Tiefe des Buches auszuloten: mit dem vorliegenden neuen Roman wird man das auch tun müssen, um der Autorin dieses erneuten Meisterwerkes gerecht werden zu können.
    Sie erzählt in diesem Roman mit einer wunderbaren und poetischen Sprache vordergründig von einer großen Liebe. Eine Liebe, die sich, und das ist das ungewöhnliche und bezaubernde an diesem Buch, äußert hauptsächlich dadurch, dass sich die beiden Liebenden total öffnen und sich ihr jeweiliges Leben und all ihre Gedanken gegenseitig mitteilen:
    „Avery sah Jean an. Das Haar fiel ihr über die nackten Arme, ein Streifen Schatten. Zu welchem Zeitpunkt war die Verwandlung eingetreten - zu welchem Zeitpunkt in den Jahren ihres Zusammenseins war diese Frau, diese Jean Shaw, zu Jean Escher geworden ? Er wusste, dass es nichts mit der Ehe zu tun hatte, nicht einmal mit Sex, sondern dass es irgendwie mit all diesen Gesprächen zu tun hatte, mit diesen Gesprächen, die sie gemeinsam in die Welt setzten.“
    Ja, sie setzen Gespräche in die Welt, und erfinden sie damit und sich selbst neu. Sie entwickeln durch ihre gegenseitig Öffnung eine Intimität, wie sie keine Sexualität geben kann.
    Die Geschichte von Avery und Jean wird erzählt auf dem Hintergrund der beruflichen Tätigkeit von Jean, der im Jahr 1964 als Ingenieur daran beteiligt ist, den 3000 Jahre alten Tempel von Abu Simbel abzubauen und ihn etwas entfernt, 60 Meter höher, neu aufzubauen. Nötig geworden ist dieser dramatische Eingriff in eine alte Kultur durch den geplanten Bau des Assuan-Staudamms. Für die Zeit dieser Bauarbeiten lebt Avery mit seiner Frau Jean auf einem Hausboot auf dem Nil.
    Hier entfaltet Anne Michaels den zweiten Hauptstrang des Buches neben der Liebesgeschichte, immer aber eng mit ihr verwoben, was sich aber erst zu einem späteren Zeitpunkt zu entschlüsseln beginnt. Sie erzählt von den Lebensbedingungen vor 3000 Jahren und von heute, von der Zerstörung einer uralten Natur und von den dramatischen ökologischen Folgen für den Wasserhaushalt in der Wüste.
    Avery und Jean setzen sich mit diesem Teil von Averys Arbeit immer wieder auseinander. Schon als sie sich kennen gelernt haben, damals in Kanada, war Avery an den Arbeiten zu einem Stausee am St. Lawrence Strom beteiligt. Immer wieder wird diese Zeit in dem Buch reflektiert, mit berührenden Beschreibungen das Schicksal der Menschen gezeigt, die durch die Flutung ihre Heimat und ihre Toten verlieren ( denn manche wollen nicht, dass ihre Vorfahren auf den untergehenden Friedhöfen umgebettet werden), unterschiedliche Kindheitserinnerungen der beiden Liebenden wechseln sich ab mit Überlegungen zur Zerstörung der Natur und dem Schicksal der betroffenen Menschen.
    Anne Michaels wechselt häufig die Szenen, geht weit zurück bis ins Dritte Reich, springt zwischen Familienerinnerungen der beiden Protagonisten und politisch-geschichtlichen Informationen hin und her. Man muss sich schon mühen, um da den Faden nicht zu verlieren.
    Als Jean in Ägypten schwanger wird und das Kind in ihrem Leib stirbt, ist auch die Ehe zwischen den beiden gestorben. Man kann es nachvollziehen, dass ein solches Unglück eine Beziehung töten kann, dennoch kommt es für den Leser überraschend, zumal die beiden vorher als ein Paar geschildert worden sind, die über alles reden können, und die sich dadurch besonders nahe gekommen sind.
    Anne Michaels erzählt nun eine neue Geschichte, mit neuen Lieben und neuen Figuren, mit denen es ihr allerdings erneut gelingt, den Leser zu fesseln. Denn er bangt bis zum Schluss mit den beiden Liebenden, und fragt sich all die Zeit, ob sie vielleicht doch noch einmal zusammen finden. Doch das soll hier nicht verraten werden.
    Anne Michaels ist wieder ein meisterhaftes Buch gelungen, das erzählt von Vertreibung und Zerstörung, vom Segen des Neuanfangs, vom Schmerz der Trauer und der Tragik des Verlust und von der Liebe als alles heilende Kraft und Macht.
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  • Rezension zu Wintergewölbe

    Schauplatz dieses Buches ist zunächst Ägypten in den 60er Jahren. Der Ingenieur Avery ist vor Ort, um Arbeiten im Rahmen der Errichtung des Assuan-Staudamms zu überwachen. Es gilt den antiken Tempel von Abu Simbel mit feinsten Werkzeugen Stück für Stück ab- und an einer sicheren Stelle wieder aufzubauen. Dieses heikle Unterfangen verlangt ihm einiges an Nervenstärke ab. Zuspruch und Unterstützung findet er bei seiner Frau Jean, die mitgekommen ist und für die Dauer des Projekts mit ihm auf einem Hausboot auf dem Nil lebt, das Geschehen beobachtet und schüchterne Versuche unternimmt, sich mit den Einheimischen anzufreunden.
    Nach einem Schicksalsschlag und der damit verbundenen Rückkehr nach Kanada ist zwischen Avery und Jean plötzlich alles anders. Die Vertrautheit, die Liebe, die Einigkeit sind dahin, Jean beginnt sich von ihrem Mann zurückzuziehen und schlägt einen eigenen, neuen Weg ein.
    Der Schauplatz und der Hintergrund des ersten Teils sind faszinierend. Man wird hautnah Zeuge, wie der uralte Tempel vorsichtigst abgetragen und zum Wiederaufbau abtransportiert wird, während sich gleichzeitig die Vergangenheit und Gegenwart von Jean und Avery und deren Familien detail- und metaphernreich vor dem Leser ausbreitet. Besonders im Gedächtnis bleiben wird mir die Geschichte ihres Kennenlernens, kurz vor der Fertigstellung eines kanadischen Stausees, am Rande eines trockengelegten Flussbettes, in der Nähe einiger kleiner Dörfer, deren Bewohner man bereits umgesiedelt hatte, bevor das Wasser des neuen Sees die Gärten und Bauwerke überfluten würde. Diese ganz eigenartige Stimmung, die Betrachtungen über Leben und Tod, über Heimat, Zerstörung und Wiederaufbau fand ich sehr berührend.
    Leider kippt mit dem erwähnten traumatischen Ereignis nicht nur die Beziehung der beiden, sondern auch das ganze Buch. Im zweiten Teil, zurück in Kanada, geht es hauptsächlich um Jean und ihre Art, das Erlebte zu verarbeiten, indem sie sich von ihrem bisherigen Leben zurückzieht und sich mit einem polnischen Künstler anfreundet. Irgendwann begannen mir die zahlreichen blumigen Metaphern doch auf die Nerven zu gehen, und Jeans Entwicklung kam mir irgendwie künstlich vor, ich konnte mich nicht mehr in sie hineinversetzen oder ihre Beweggründe nachvollziehen. Es gab zwar lange schwurbelige Ergüsse, was sie tut und denkt und fühlt, aber es erreichte mich nicht mehr.
    Die Geschichte des Polen, Lucjan, über seine Erlebnisse in Warschau während des Krieges spielt auch eine große Rolle, doch auch seine durchaus tragische Geschichte konnte mich nicht so recht berühren. Die Parallelen zu den Themen der ersten Buchhälfte - wie etwa die Frage, ob etwas, das nach völliger Zerstörung originalgetreu wieder aufgebaut wird, wirklich dasselbe sein kann - kamen mir auch ein bisschen bemüht vor, obwohl sie durchaus interessant waren.
    Auf mich wirkte das Buch unterm Strich sehr überambitioniert und, vor allem im zweiten Teil, mehr künstlich als kunstvoll. Schade, denn die Grundthemen und den Anfang mochte ich sehr, und auch zwischendurch gibt es immer wieder mitreißende Passagen, aber die anfängliche Begeisterung wollte sich nicht wieder einstellen.
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Ausgaben von Wintergewölbe

Taschenbuch

Seitenzahl: 352

Hardcover

Seitenzahl: 352

Besitzer des Buches 6

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