Das Schlangenmaul

Buch von Jörg Fauser

Zusammenfassung

Inhaltsangabe zu Das Schlangenmaul

'Bergungsexperte für außergewöhnliche Fälle' nennt sich Heinz Harder, arbeitsloser und abgebrannter Illustriertenschreiber in der geschalteten Anzeige. Seine erste Klientin ist reich und schön, und für den 'Journalisten, Detektiv und Ritter' wird es zunehmend gefährlich im Berlin der windigen Geschäftsmänner, illegalen Clubs und dubiosen Politikmachenschaften, wohin ihn die Spur der verschwundenen Tochter führt. Mit einem Nachwort von Friedrich Ani.
Weiterlesen

Bewertungen

Das Schlangenmaul wurde insgesamt 2 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 3,3 Sternen.

(0)
(1)
(1)
(0)
(0)

Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Das Schlangenmaul

    Der Autor (Quelle: Ullstein): Jörg Fauser, Jahrgang 1944, Abitur, abgebrochenes Studium, Ersatzdienst, längere Aufenthalte in Istanbul und London. Neben ersten literarischen Versuchen Tätigkeit als Aushilfsangestellter, Flughafenarbeiter, Nachtwächter. Ab 1974 als freier Schriftsteller in München, Berlin und Hannover. 1987 kam Jörg Fauser durch einen tragischen Unfall ums Leben.
    Klappentext (Quelle: Ullstein): Heinz Harder, sechsunddreißig Jahre alt, Illustriertenschreiber ohne Job und pleite, gibt in Berlin eine Anzeige auf als „Bergungsexperte für außergewöhnliche Fälle“. Der erste Auftrag kommt aus dem blitzsauberen Hannover: Nora Schäfer-Scheunemann sucht ihre achtzehnjährige Tochter, die seit Monaten verschwunden ist. Sie verdächtigt ihren Exmann Paul, Miriam entführt zu haben. Harder geht auf Jagd. Sein Revier: das Berlin hintergründiger Sekten, illegaler Spielklubs und windiger Geschäftemacher, das Berlin der Subkultur und der glänzenden Fassaden. Eine Baracke auf einem abgelegenen Gelände an der Grenze in Lübars entpuppt sich schließlich als Schlangengrube, und Harder, der Schreiber, der handeln will, sitzt in der Falle … Nach dem mit Marius Müller-Westernhagen erfolgreich verfilmten „Schneemann“ ein weiterer Spannungsroman Jörg Fausers, der mit knapper, ironischer Kühle einen verlotterten Draufgänger entwirft: scharfzüngig, unsentimental, verliebt in schöne Frauen und ausgleichende Gerechtigkeit.
    Die deutsche Originalausgabe erschien 1985 unter dem Titel „Das Schlangenmaul“ im Verlag Ullstein in Frankfurt am Main, Berlin und Wien (267 Seiten), neuaufgelegt u.a. im März 1990 als Ullstein-Buch Nr. 22236 bei Ullstein in Frankfurt am Main und Berlin (267 Seiten) und 1997 als Ullstein-Buch Nr. 24121 ebendort (238 Seiten). 1990 wurde „Das Schlangenmaul“ im Band 2 der ersten, von Carl Weissner herausgegebenen Jörg-Fauser-Werkausgabe in acht Bänden, die mit einem Beiheft und Ergänzungsband zwischen 1990 und 1994 bei Rogner & Bernhard bei Zweitausendeins in Frankfurt am Main erschienen ist, unter dem Titel „Romane, Teil 2“ nebst seinem Roman „Rohstoff“ mit einem Vorwort von Carl Weissner veröffentlicht (536 Seiten). Außerdem erschien der Roman im Jahr 2006 mit einem Vorwort von Martin Compart und zwei Essays von Jörg Fauser als Band 7 der zweiten, von Alexander Wewerka herausgegebenen Jörg-Fauser-Edition als fadengeheftetes Hardcover im Alexander-Verlag in Berlin (315 Seiten). Diese Zusammenstellung (mit dem Compart-Vorwort und den Fauser-Essays) erschien im Jahr 2009 als Lizenzausgabe als Band 3 der Jörg-Fauser-Werkausgabe in neun Bänden auch als Diogenes-Taschenbuch Nr. 23923 bei Diogenes in Zürich (315 Seiten). Im Mai 2019 veröffentlichte der Diogenes-Verlag „Das Schlangenmaul“ erneut als Hardcover, diesmal mit einem Nachwort von Friedrich Ani (306 Seiten). 2019 erschien auch eine Hörbuch-Ausgabe als ungekürzte Lesefassung (7 Stunden 7 Minuten auf 6 CDs) bei Diogenes in Zürich. Sprecher: Charly Hübner.
    Meine Einschätzung:
    Schon allein, wie arrogant er 1984 bei seiner Bachmannpreis-Lesung von den versammelten Hochliteratur-Apologeten - u.a. Walter Jens, Peter Härtling, Marcel Reich-Ranicki - abgekanzelt wurde, muss einen für Fauser einnehmen. „Das Schlangenmaul“ riskiert zwar keine literarischen Extravaganzen, ist aber genau auf den Punkt und mit zärtlicher Härte und Gespür für seine Milieus verfasst: überzeugende Beschreibungen, lakonischer Tonfall, authentisch noirer Trotz, authentisch noire Verzweiflung, gegen die vielleicht Wodka, ein Spillane-Reißer aus dem Krimi-Antiquariat oder Miles Davies im Autoradio helfen. Regen fällt auf Asphalt. Neonlichter. November in Berlin, da fangen die Depressionen an.
    Vielleicht gerade, weil Fauser (ähnlich wie Hauptfigur Harder) von im Grunde allem genervt ist – den Medien, dem Klüngel der korrupten Lokal-Politik, den Alt-Hippies, der Schickeria, der Eso-Szene, der Bourgeoisie, geldgeilen Geschäftemachern, den Nonkonformen wie den Konformisten – gelingt dem Autor ein atmosphärisch überragendes Sittenbild der freidrehenden Stimmung in der Mauerstadt in den 1980er-Jahren: Jeder Einwand wird sehr knapp und gewitzt serviert. Sie verweisen auf die gesellschaftlichen und privaten Dreckecken, zwischen denen sich die schlechte Laune einnistet: Man ist zu jung für die Null-Bock-Generation (wenn auch vergleichbar ohne rosige Zukunftsaussichten) und hat die Aufbruchsstimmung der Protestgeneration schon längst zu Grabe getragen. Die Pfründe scheinen schon verteilt, man hat zwar noch Haltung, aber keine Protektion und kein Geld auf der Bank. Steuerfahndung und windige Schuldeneintreiber treten ähnlich bestimmt auf. Zusammen mit dem beklemmenden Gefühl, in einem Tatort-Westberlin der Achtzigerjahre versackt zu sein, geistert die Erinnerung an graue Straßenzüge heran, in deren Häuserwänden noch die Schrapnell-Einschüsse aus dem Weltkrieg zu bestaunen sind, an unrenovierten Altbau und verdreckten sozialen Wohnungsbau, verräucherte Büros, beige-braunen Siebzigerjahre-Mief. Zwischen Rotlichtmilieu an der Potse, schicken Hinterzimmern in der Kudamm-nahen Bleibtreustraße, im piefigen Lübars, in Hochhäusern an der Bismarckstraße (nicht weit entfernt von dem Ort, wo 1967 die Schah-Demonstration aus dem Ruder lief) oder im schnöseligen Kladow, wo mit großer Selbstsicherheit der Geldadel residiert, tapert Harder durch ein Minenfeld aus Eigennutz, beleuchtet gesellschaftliche Zwischentöne und singt sein eigenes Lied vom Schmerz.
    […]
    Fauser ist kein reaktionärer Haudrauf wie der großartige Spillane, sondern sorgt für ein subversives Durchsuppen von bundesdeutscher Realität im klischeehaften Storygeflecht durch das Aufhäufen und Umrennen von Hardboiled-Stereotypen: Was sich als White-Slavery-Schreckgespenst andeutet, endet ganz prosaisch mit toter Thai-Nutte im Hundekehlesee. Und die indien-selige, spirituelle Selbstentdeckung soll einfach nur für Startkapital für expandierenden Raubtierkapitalismus sorgen, alles im Zeichen des Schlangenmauls: die Königskobra, die nur noch andere Schlangen auf ihrem Speiseplan duldet; lange wird sie sich mit Aalen nicht mehr hinhalten lassen. Berlin, die Stadt der Verlierer.
    Entscheidend ist nach meinem Dafürhalten nicht, hier einen uramerikanischen Krimi-Protagonisten geschaffen zu haben (was manche Neu-Krimileser sicherlich für unzeitgemäß halten), sondern ein Westberliner Zeitbild auf die literarische Landkarte geklotzt zu haben, in dem alle hochfahrenden Träume im Kalten-Kriegs-Niemandsland zerplatzten, verlottert durch die Korruption und den Filz der Lokalpolitiker und verschachert durch die Goldgräber-Mentalität der Geschäftemacher. Hier gehen Politik, Werbung, Prostitution und Big Business in eins über als große Augenwischerei, ein Disneyland der Politik: Fausers Westberlin ist das Pissville der Gegenwart – schmuddelig, abgewrackt, ausgebrannt. Und selbst Harder, der Ex-Illustriertenschreiber der knalligen Überschriften, der den Spießern in effektvollen Reportagen fremde Milieus aufschloss, bedient die thematische Schiene des Sich-Verkaufens, der besten Geschichte, die mehr vorgibt, als sie halten kann. Wie mache ich aus mir eine Geschichte, die mich am besten verkauft und am Leben lässt? Ich kann von Fausers Tonfall nicht genug bekommen, und gebe diesem Westberlin-Noir vier Sterne.
    Weiterlesen

Ausgaben von Das Schlangenmaul

Taschenbuch

Seitenzahl: 320

Hardcover

Seitenzahl: 320

E-Book

Seitenzahl: 320

Besitzer des Buches 5

Update: