Klerikale Irrtümer

Buch von Alan Isler, Stefanie Schaffer de Fries

Bewertungen

Klerikale Irrtümer wurde insgesamt 4 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 5 Sternen.

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Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Klerikale Irrtümer

    Ich kann in die Lobeshymne von Marie nur einstimmen. Der Roman mit seiner Mischung aus jüdischem Witz und englischem Sarkasmus lässt sich äußerst vergnüglich lesen und ist dabei doch sehr hintergründig erzählt. Denn das Schicksal von Edmond Music, diesem nichtgläubigen Juden im katholischen Priestergewand, ist im Grunde ziemlich traurig. Doch er flüchtet sich in eine ironische Lebenshaltung, betrachtet spöttisch das menschliche Treiben um sich her und nimmt nichts wirklich ernst, am allerwenigsten sich selbst. Der Autor flicht sein profundes Wissen über Geschichte und Religionsgeschichte mit soviel Augenzwinkern ein, dass überall die alte Erkenntnis durchschimmert „Wissen schützt vor Torheit nicht“, nicht vor der der anderen und schon gar nicht vor der eigenen. Es geht, wie Marie schreibt, um die Liebe, ums Altern, vor allem aber um Heimat, Zugehörigkeit, Identität. Music ist durch sein Schicksal zu einer Art ewiger Jude geworden, ein äußerlich und innerlich Heimatloser, der das Bedürfnis seiner Umgebung nach Geborgenheit und Halt im Glauben oder in einer ernsthaften bürgerlichen Beziehung unterschätzt und deshalb zum Schluss allein bleibt. Nur in seinem intensiven Interesse an dem Gelehrten und Hochstapler Ba’al Shem von Ludlow ist seine Suche nach Identität spürbar. Die Figur des Rabbi, der 300 Jahre zuvor am selben Ort gelebt und mit dem er sehr viel gemeinsam hat (unter anderem sind sie beide über die Jahrhunderte hinweg in dieselbe, anspielungsreich erzählte Kriminalgeschichte um eine verschwundene, angeblich von Shakespeare stammende Sonettensammlung verwickelt), wird für ihn zum Heimatersatz.
    Alan Islers Protagonisten sind wie er selbst säkularisierte Juden. Sie repräsentieren den modernen Menschen, der ohne Glauben, ohne tröstliche Heilsgewissheit bei der Bewältigung aller Schicksalsschläge vollkommen auf sich allein gestellt ist. Was ihm bleibt, ist seine Fähigkeit zur Reflexion und zur Ironie. Er ist dem Leben ausgeliefert, aber er kann es (und sich selbst) beobachten, darüber nachdenken, es beschreiben. Und er kann ihm statt mit Bitterkeit mit einer heiteren Ironie begegnen, die ihn vor Verzweiflung bewahrt, auch wenn das natürlich nicht immer klappt. Auch Edmond Music hat eine ironische Einstellung zum Leben. Mag er nun schwach sein, bequem, unfähig zu lieben, sein Traum am Schluss des Romans relativiert seine Schuld und erinnert den Leser daran, warum Music so ist, wie er ist. Zugleich ist die Anspielung auf den Freudschen Ödipuskomplex wieder so ironisch, dass der Determiniertheit des Lebens sozusagen die Spitze abgebrochen wird. Vielleicht ist das Buch deswegen „rundherum so befriedigend“, wie Marie es ausdrückt, weil es trotz seiner Attacken gegen die Religionen nicht nihilistisch ist, sondern im besten Sinne human.
    Einen einzigen kleinen Kritikpunkt hätte ich: Die Vertreter der katholischen Kirche werden mir doch etwas zu klischeehaft dargestellt. Es sind ja nun nicht alle verkniffene Fanatiker, eitle Genussmenschen oder Kinderschänder. Aber gut, Isler zeichnet hier Karikaturen. Außerdem ist das Buch 2003 erschienen, als in der USA gerade die ersten Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche bekannt wurden (und die waren nur die Spitze des Eisbergs).
    Ich kann jedem diesen und Islers ersten Roman „Der Prinz der West End Avenue“ nur ausdrücklich empfehlen. Ihr werdet viel Spaß haben.
    Gruß mofre
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  • Rezension zu Klerikale Irrtümer

    Originaltitel: Clerical Errors
    Inhalt nach Amazon:
    Edmond Music, katholischer Priester und Rektor von Beale Hall, einem kirchlichen Forschungsinstitut, hat ein Geheimnis: er glaubt nicht an Gott. Und das ist keineswegs alles. Seit vielen Jahren teilt seine Haushälterin, die rothaarige Maude Moriarty aus Donegal, sein Bett. Und letztlich ist Edmond Music gar nicht Edmond Music. Er ist Edmond Music, das in Frankreich geborene Kind ungarischer Eltern - und Jude. Seine Mutter ist gestorben, seinen Vater hat er in den Wirren des Kriegsendes aus den Augen verloren. Den luxuriösen Posten als Rektor von Beale Hall verdankt er einer leidenschaftlichen Affäre mit einer reichen Frau, und er verbringt dort seine Tage in friedlichen kabbalistischen Studien, in Nachforschungen über einen legendären Rabbi aus der Umgebung, den Ba'al Shem von Ludlow, der im 18. Jahrhundert lebte und dessen Schriften in die stattliche Bibliothek von Beale Hall eingegangen sind. Aus dieser Bibliothek aber ist ein früher und bisher der Forschung unbekannter Gedichtband des großen Barden Shakespeare verschwunden, und er wird nun von einem zwielichtigen Antiquitätenhändler in einem Katalog angeboten. Diesen Umstand will Edmonds alter Studienkollege und fanatischer Feind, der amerikanische Professor Fred Twombly, nutzen, um Edmond endlich zu Fall zu bringen.
    ************GENIAL*******************
    Ich weiß nicht, wann ich zum letzten Mal ein Buch gelesen habe, das rundherum so befriedigend war. Für den Kopf, für das Herz und für die schwarze Seele.
    Wie in Puzzlesteinchen setzt Edmond sein Leben für den Leser, den er immer wieder persönlich anspricht, zusammen, so dass die Biographie nach und nach im Kopf des Lesers entsteht. Dabei beweist der Autor ein enormes Wissen in Geschichte, v.a. Literatur- und Religionsgeschichte, Theologie (jüdische und katholische), Kunst, usw. Doch er schreibt keine Abhandlungen, sondern bindet diese Informationen in Edmonds Geschichte.
    Besonders erwähnenswert: Die frivolen Szenen zwischen Haushälterin und Pfarrer, nicht unbedingt erotisch, aber äußerst vergnüglich.
    Mitunter erscheint das Buch wie ein Rundumschlag gegen jede institutionalisierte Religion, ganz gleich, ob es sich gegen Katholiken oder Juden richtet (die Protestanten bleiben ein weing außen vor).
    Doch unter all der Ironie, die bisweilen an Boshaftigkeit grenzt, geht es eigentlich um die beiden wichtigen Themen Liebe und Alter. Wohin führt eine Liebe, die nur in der Heimlichkeit lebt? Was heißt es, sich ständig zu verstecken und obendrein in der Angst zu leben, dass eines Tages das große Gericht kommt? Wie ist es, sein ganzes Leben unter Vorspiegelungen falscher Tatsachen zu leben?
    Edmond ist ein träger, bequemer Mann, der sich offenbar nichts weiter vom Leben erwartet als irgendwo in Ruhe und ungestört seinen Passionen nachzugehen. Er hätte mehrmals die Möglichkeit gehabt, sich zu seiner wahren Identität und seinem Unglauben zu bekennen, aber das hätte geheißen, seinen ruhigen Posten und seine gemütliche Lebensform aufzugeben.
    Doch, denke ich, kann man noch eine weitere Schicht erkennen: Edmonds Leiden an seinem Unfähigkeit zu glauben und zu lieben. Seine Verzweiflung, dass jetzt alle Chancen vertan, sein Leben am Ende ist. In keinem Satz gibt er dies zu, und doch spürt man zwischen den Zeilen, dass er letztendlich immer noch nach dem Sinn seines Lebens fragt.
    ************GENIAL*******************
    Zum Autor:
    Alan Isler wurde 1934 als Sohn österreichischer Juden in London geboren, ging 1952 nach New York, wo er an verschiedenen Universitäten als Professor für Anglistik lehrte. Heute lebt er wieder in London.
    Marie
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Ausgaben von Klerikale Irrtümer

Taschenbuch

Seitenzahl: 368

Hardcover

Seitenzahl: 368

Besitzer des Buches 9

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