Thomas Hardy - Tess von d'Urberville / Tess of the d'Urbervilles

  • Zum Inhalt


    Die aus der verarmten und heruntergekommenden Adelsfamilie der d'Urbervilles stammende Tess Durbeyfield wird von ihren Eltern zu ihren "VErwandten" geschickt, um dort Geld zu verdienen.
    Von ihrem »Cousin« Alec wird die Sechzehnjährige vergewaltigt und kehrt gedemütigt zurück zu ihrer Familie. Doch auch dort fühlt sie sich nicht wohl, da sie ihm Dorf geächtet wird und man mit dem Finger auf sie zeigt, zumal aufgrund der folgenden Schwangerschaft alle ihr Schicksal kennen.
    Daraufhin verläßt Tess die Gegend und sucht Möglichkeiten, selbst Geld zu verdienen. Während sie als Milchmagd in einer Molkerei arbeitet, verliebt sie sich in Angel Clare..... doch ihre Vergangenheit scheint sie immer wieder einzuholen.


    Meine Meinung
    Also mir hat das Buch gefallen, auch wenn es - wie ich finde - anfangs seine Längen hat. Mir gefielö vor allem die Art wie Hardy diese tragische Geschichte erzählt, auch wenn der Stil vielleicht etwas antiquiert ist. Gerade das macht den Reiz aus. Heutzutage ist eine derartige Naivität von Tess kaum vorstellbar - aber heutzutage wird man ja auch viel früher aufgeklärt und hat naturgemäß einen ganz anderen Hintergrund, als die arme Tess es hatte. :mrgreen:
    Ich kann das Buch nur empfehlen, auch wenn für das erste Drittel ein wenig Durchhaltevermögen notwendig ist.


    Den Film neulich auf arte habe ich zwar aufgenommen - hatte aber noch keine Zeit, ihn zu schauen. Sobald ich das nachgeholt habe, ergänze ich meine Meinung in der Hinsicht, ob ich die Verfilmung für gelungen halte.

  • Ich habe vor kurzem eher zufällig (weil ich in der Fernsehzeitschrift wegen der guten Kritiken drauf aufmerksam geworden bin) den Film gesehen.


    Der Film hat mir sehr gut gefallen, wobei ich aber sagen muss, dass ich das Buch nicht gelesen habe. Obwohl der Film immerhin fast 3 Stunden dauert bin ich nicht eingeschlafen und habe tapfer durchgehalten, was auf alle Fälle für den Film spricht!


    Ich habe mir vorgenommen, auch das Buch zu lesen - wobei ich natürlich Nastasja Kinski immer vor Augen haben werde - um selber festzustellen, wie sehr sich der Inhalt des Filmes an das Buch hält.

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Ich fand neulich den Film ausgezeichnet, habe allerdings nicht das Buch gelesen. Hätte aber Lust darauf, zumal ich von Hardy schon gerne die "Woodlanders" gelesen habe. Da war der Stil auch etwas "antiquiert", wie Anriel nun von "Tess" auch berichtet, aber das Buch stammt ja auch nicht von gestern... Da ist Hardy wohl "Kind seiner Zeit"?!

  • So, nun habe ich auch den Film gesehen.


    Was die Besetzung angeht, so bin ich mit Nastassja Kinski sehr zufrieden, sie spielt die Rolle ziemlich genau so, wie ich es mir vorgestellt habe.
    Leider bin ich mit den männlichen Rollen nicht ganz so zufrieden - sowohl Alec als auch Angel habe ich mir ganz anders vorgestellt - und irgendwie finde, dass die beiden etwas attraktiver hätten ausschauen dürfen, denn so konnte ich mir schlecht vorstellen, wie man einen von beiden auch nur ansatzweise nett finden könnte.... Naja, vielleicht habe ich einfach einen anderen Geschmack, was Männer angeht. :mrgreen:
    Schauspielerisch waren aber beide gut, nur halt nicht mein Geschmack.


    Tja, was den Inhalt angeht. Es ist ja meist so, dass im Buch einfach mehr rüber kommt. Die Handlung ist zwar im Film gut zusammengerafft, aber trotzdem fehlen mir zum Teil die Gedanken der Personen und was sie zu bestimmten Handlungen treibt, denn der psychische Aspekt ist ja gerade eine der Stärken des Buches!
    Zum Beispiel ist es im Buch so, dass


    Alles in allem kann ich den Film aber trotzdem empfehlen, weil er gut gemacht ist und wem es nur auf die Handlung ankommt, der bekommt wohl auch alles mehr oder minder mit.
    Für alle die das Buch kennen, sind zwar ein paar kleine Enttäuschungen dabei, aber trotzdem ist der Film interessant zu sehen, zumal man auch einiges Anschauliches über die Arbeitsverhältnisse erfährt. Und ein weiterer interessanter Aspekt beim Film sind die Licht-und Schatten-Effekte, die sehr gut gemacht und interessant eingesetzt sind.

  • Unter dem Titel “Tess of the d’Urbervilles. A Pure Woman Faithfully Presented” veröffentlichte Thomas Hardy im Jahr 1891 diesen Roman zum ersten Mal in seiner ursprünglichen Langform.


    Es war nicht einfach für mich, meine moralischen Vorstellungen beiseite zu lassen und mich gänzlich auf die Viktorianische Zeit einzulassen. Hardy machte mir es mir leicht, ein Bild vom Alltagsleben seiner Protagonisten zu bekommen. Detailliert und realistisch schildert er die schwere Arbeit in der Landwirtschaft, den Stand der Technik und das Leben der Landbevölkerung. Tess beschreibt er zu Beginn als junges und lebenslustiges Mädchen, das mit ihren Freundinnen in den Frühling tanzt. Das Schicksal, Angel und Alec und Moralvorstellungen der damaligen Zeit stehen aber einer glücklichen Zukunft von Tess im Weg. Ausgangspunkt für Tess‘ tiefen Fall war nicht zuletzt die Lebensweise ihrer Eltern. Der Vater trank, die Mutter war ein einfältiges, kindliches Wesen. Beide machten nur so viel wie unbedingt nötig, um das Überleben der Familie zu sichern. Als sie dann von der noblen Abstammung der Durbeyfields erfuhren, sehen sie darin eine Möglichkeit, ihrem Elend zu entfliehen. Tess, die älteste Tochter sollte den reichen Verwandten Alec d‘Ubervilles heiraten. Tess wurde herausgeputzt und zu den vermeintlichen Verwandten geschickt. Alec fand auch Gefallen an dem jungen, frischen Mädchen, statt sie zu heiraten vergewaltigte er sie. Tess floh zurück ins Elternhaus, bekam ein Kind, das jedoch nur kurze Zeit lebte. Tess war ein gefallenes Mädchen, eine aussichtsreiche Heirat war undenkbar geworden. Daraufhin verließ sie ihr Dorf und fand eine Anstellung auf einem Hof in Talbothays, wo sie Angel Clare trifft, der ihr bereits bei dem am Anfang des Romans besagtem Frühlingfest auffiel und sie aber damals nicht beachtete. Ihr Gewissen verbietet es Tess seinen Heiratsantrag anzunehmen. Schließlich stimmt sie aber doch zu. Am Hochzeitstag gestehen sich beide ihre Vergangenheit ein. Angel, der Pfarrerssohn, verlässt Tess und geht nach Brasilien. Tess muss sich allein durchschlagen und trifft wieder auf Alec…


    Thomas Hardy erzählt Tess‘ Geschichte aus der Sicht eines moralisierenden, allwissenden Erzählers. Dabei tritt besonders deutlich die Doppelmoral viktorianischer Zeit zutage. Was heute kaum noch einen Menschen peinlich berühren würde, führte Tess an den Rand des Abgrunds und ließ sie den letzten Schritt darüber hinaus selbst tun. Ihr Niedergang ist unaufhörlich und das Ende vorauszuerahnen. Dabei deutet Hardy stets nur an, vermeidet jede Schilderung mit sexuellem Hintergrund und überlässt dem Leser das Angedeutete zur Interpretation. Die Sprache des Romans wirkt mitunter schwülstig und etwas angestaubter, als ich dies bei einem vor gut 120 Jahren geschriebenen Roman erwarten durfte. Sowohl der Sprachstil und auch diese Andeutungen störten mich persönlich ein wenig. Da war ich aus anderen in diesem Zeitalter entstandenen Romanen anderes gewöhnt. Ich möchte keineswegs detailgetreue Schilderungen von Vergewaltigungen lesen, aber im moralischen Nebel möchte ich als Leserin auch nicht stehen gelassen werden.


    Die männlichen Protagonisten, die Tess zunächst so verschieden sieht, gleichen sich in ihrem selbstgerechten Egoismus und ihrem Umgang mit Tess wie eineiige Zwillinge. Alec schmückt sich mit einem erkauften Titel. Angel scheinbar gebildet, ist gefangen in seinem enggewebten Netz moralischer Vorstellungen. Beide sind Männer, die für diese Zeit stehen und wurden von Hardy hervorragend in Szene gesetzt.


    Der Roman trägt den Untertitel: ‘Eine reine Frau’. Dies ist der einzige Hinweis darauf, wie Thomas Hardy in Wirklichkeit über die Scheinmoral dachte und mit dem er versuchte, die Tragödie um Tess ins rechte Licht zu rücken.


    „Tess“ habe ich sehr gern gelesen. Er vermittelte mir ein eindrucksvolles Bild vom Dasein der einfachen Landarbeiter im viktorianischen England. Trotzdem mir persönlich ein paar Kleinigkeiten nicht so gefielen, sehe ich den Stellenwert dieses Romans in der Weltliteratur und bin froh ihn gelesen zu haben. Gerne empfehle ich ihn weiter.

  • Unter dem Titel “Tess of the d’Urbervilles. A Pure Woman Faithfully Presented” veröffentlichte Thomas Hardy im Jahr 1891 diesen Roman zum ersten Mal in seiner ursprünglichen Langform.


    Und hier noch das Original.

    :study: Ich bin alt genug, um zu tun, was ich will und jung genug, um daran Spaß zu haben. :totlach: na ja schön langsam nicht mehr :puker:

  • Danke für diese ausführliche Besprechung, Karthause. Ich bin noch nicht ganz fertig mit dem Buch und meine Gefühle sind ein bisschen zwiegespalten. Einerseits kann ich mich furchtbar über diese Ungerechtigkeiten, die Tess widerfahren, aufregen. Andererseits nervt mich ihr devotes Gehabe ungemein.


    Ich weiß zwar, dass die Zeit eben so war, dass die Weibchen zu kuschen hatten und sowohl ihren Männern als auch ihren Eltern zu gehorchen hatten, aber ich wünsche mir die ganze Zeit, dass sie sich endlich auf die Füße stellt und z. B. ihrem Angetrauten ins Gesicht schmettert, dass er ihr ca. eine Minute vor ihrem Geständnis genau das selbe gebeichtet hat. Das jedoch kommt (zumindest bis jetzt) nicht mehr zur Sprache – hat also keine Bedeutung.


    Dieses Buch wühlt mich auf, wie schon lange keines mehr und ich kann nicht sagen, dass ich es gerne lese. – Abbrechen möchte ich es nicht, da ich schon wissen will, was da noch kommt. Aber ich bin richtig froh, wenn ich fertig bin. Nicht, weil es mir nicht gefällt, sondern weil ich merke, dass es mich belastet.

  • Mario

    Hat den Titel des Themas von „Thomas Hardy - Tess von d'Urberville“ zu „Thomas Hardy - Tess von d'Urberville / Tess of the d'Urbervilles“ geändert.