Beiträge von Winfried Stanzick

    Mit ihren ganz typischen Illustrationen, die wir schon von vielen anderen Bilderbüchern von ihr kennen, die sie zum Teil mit anderen Autoren wie etwa Heinz Janisch veröffentlicht hat, hat die österreichische Künstlerin und Bilderbuchautorin Helga Bansch ein kleines Büchlein ausgestattet, das sich an die ganz kleinen Bücherfreunde und deshalb auch in der Tyrolia - Reihe „Buchstart: mit Büchern wachsen“ erschienen ist.



    Auf insgesamt 10 Doppelseiten aus stabilem Karton wird den Kindern jeweils eine Frage gestellt. Da ist etwa auf der ersten Doppelseite links einroter Ball zu sehen, densie dann auf der rechten Seite suchen müssen. Dabei sollen sie nicht nur das Wort „Ball“ aussprechen, sondern auch die Namen der Figuren und Bilder, wo sich der Ball versteckt hat. Ähnliche Such- und Benennungsaufgaben gibt es dann mit Farben, mit Geräuschen von Tieren, mit den unterschiedlichen Tätigkeiten einer Katze, mit Instrumenten, Nahrungsmitteln und Gerüchen.



    Eigene Meinung: Witzige und originelle Illustrationen machen dieses kleine Buch zu einem großen Spaß für kleine Kinder und helfen ihnen bei ihrer Sprachentwicklung.Man kann es sehr gut einsetzen in den vielen Gruppen von unter Dreijährigen, die in den letzten Jahren in unseren Kindertagesstätten entstanden sind.
    Aber auch zu Hause werden sich kleine Kinder, ab etwa einem Jahr, freuen, zusammen mit ihrem Vater oder ihrer Mutter viele, viele neue Wörter zu lernen.

    In diesem kleinen Bilderbuch geht es um Geschwisterliebe und Geschwisterbeziehungen. Ein kleines Mädchen erzählt in knappen Worten davon, was ihre große Schwester mag. Um auf der folgenden Seite zu konstatieren: „Und ich auch.“


    Und am Ende stellt sie voller Zufriedenheit fest: „Aber am allerliebsten von allem mag meine Schwester ….. mich.“ Schwarz-weiße Kohlenstiftzeichnungen halten die Lieblingstätigkeiten der großen Schwester, die die kleine nachahmt, eindrucksvoll fest.



    Ungewöhnlich sind die nicht geschnittenen Doppelseiten. Vielleicht ein Hinweis darauf, wieviel Platz und Luft in einer Geschwisterbeziehungen sind.



    Ein schönes Kleinod aus der Reihe Carl Auer Kids.


    Eigene Meinung: Von der Idee und von der Ausführung in Wort und Bild hat mir dieses kleine Buch sehr gefallen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass es neben der Verwendung in Familien mit mehreren Kindern auch in Kindertagesstätten zum gesegneten Einsatz kommt. Ich möchte hier auch hinweisen auf die vielen weiteren pädagogischen und sozialtherapeutischen Bilderbücher, die seitdem bei Carl Auer erschienen sind und von denen ich auch einige hier vorgestellt habe.

    Der Autor dieser kleinen Streitschrift, der stellvertretende Chefredakteur der Wochenzeitung DIE ZEIT Bernd Ulrich, gehört seit den siebziger Jahren zu den profiliertesten journalistischen Begleitern der Bundesrepublik Deutschland. Seit vielen Jahren werden seine Leitartikel und Kommentare, vor allen Dingen zur Innenpolitik, weit über die Grenzen des Landes hinaus beachtet und diskutiert. Über die Parteigrenzen hinweg gehört er in Deutschland bei den Politikern zu den gefragten und geschätzten kritischen Gesprächspartnern.



    Weil auch Bernd Ulrich deren Arbeit ernst nimmt, sieht er sich mit diesem Büchlein gezwungen, ihnen kräftig ins Gewissen zu reden. „Sagt uns die Wahrheit!“ ruft er ihnen zu, und versucht dem interessierten Bürger zu erklären „was die Politiker verschweigen und warum.“



    Als Ulrich diese Streitschrift schrieb, war noch nicht annähernd erkennbar, wie dramatisch und verzweifelt sich die Situation der Flüchtlinge verändern würde, die, von anderen europäischen Staaten einfach weiter gewunken, zu Hunderttausenden in unser Land kommen und sich dort eine Zukunft erhoffen, die ihnen unser Land nicht geben können wird, jedenfalls nicht in dem Tempo und der Weise, wie sie sich das offenbar erhoffen.



    Das permanente Wiederholen des Satzes „Wir schaffen das!“, ohne auf die immensen Probleme der Kommunen und Landkreise einzugehen und vor allen Dingen auf die Ängste der Menschen, ist ein ganz aktuelles Beispiel dafür, wie die Politiker den Menschen im Land einfach nicht die Wahrheit sagen. Ulrich macht das in seinem Buch an dem Handling der Griechenlandkrise deutlich und nimmt auch die Rolle der Medien, auch die seiner eigenen Zeitung und seiner eigenen Rolle dabei, kritisch in den Blick.



    Seine Hauptthese ist: Deutschlands Politiker haben Angst, dass das Volk, erführe es die Wahrheit, in alte, überwunden geglaubte Muster zurück fallen könnte. (vgl.Pegida u.ä.) . Ulrich sagt hingegen: das Volk ist reif, die Wahrheit zu erfahren und mit ihr auch umzugehen. Die Politik muss ihre Scheu vor einer nicht gewünschten Reaktion der Bürger aufgeben und sie mit ins Boot nehmen. Offenheit und Ehrlichkeit statt alter Beschwichtigungspolitik. Die nämlich zerstört die Aussicht auf bessere Lösungen.



    Ein engagiertes und auch selbstkritisches Plädoyer für eine neue politische Kultur der Aufrichtigkeit. Ein Aufruf zu einem neuen Dialog zwischen Bürgern und Politik.

    Quentin Blake hat als Illustrator schon mit vielen Kinderbuchautoren zusammengearbeitet. Mit dem vorliegenden Buch tritt er auch als Autor von Geschichten in Erscheinung.
    Er erzählt in knappen Worten und mit seinen typischen leicht hingehuscht wirkenden Zeichnungen die Geschichte von fünf Kindern, Anni, Olli, Simone, Mario und Paul. Jeder von ihnen hat eine ganz besondere fantastische Fähigkeit, deshalb heißen sie auch die Fantastischen Fünf.



    Eines Tages machen sie einen Ausflug. Alle möglichen Sorten von Sandwichs sind geschmiert. Der Busfahrer ihres gelben Busses, mit dem sie in die Berge fahren, der große Freddy, ist ein Pfundskerl und versteht sich mit den Kindern prächtig. Doch nach dem Picknick wird ihm ganz übel und er fällt in Ohnmacht. Nun muss Hilfe her. Gemeinsam machen sie sich, Freddy im Schlepptau, auf die Suche, und durch den versammelten Einsatz ihrer individuellen Fähigkeiten schaffen sie es, Hilfe zu holen.



    Ein schönes, witziges Bilderbuch, das zweierlei Kindern vermitteln will: jeder hat eine außergewöhnliche, fantastische Fähigkeit, auch wenn er wie Mario im Rollstuhl sitzt. Und mit dem gemeinsamen Einsatz dieser Fähigkeiten kann man viel erreichen.

    Jerusalem – für die drei abrahamitischen Religionen heilige und umkämpfte Stadt. Im Augenblick regiert dort wieder einmal die nackte Angst. Es herrscht wieder einmal Krieg zwischen den Israelis und den Palästinensern, und nur noch wenige Menschen dort glauben daran, dass dieser Konflikt jemals mit einem dauerhaften Friedenschluss gelöst werden könnte. Zuviel Blut ist geflossen, zu viele Männer und Frauen haben ihr Leben gelassen in den Kriegen und bei den Anschlägen, die die Bevölkerung immer wieder in Angst und Schrecken versetzen.
    Zeruya Shalev, selbst vor Jahren Opfer eines solchen palästinensischen Anschlags geworden, hat in ihrem neuen Roman „Schmerz“ auf eine beeindruckende literarische Weise gezeigt, wie Menschen in Israel mit diesem Schmerz, dieser Wunde, dieser Angst umgehen.



    Iris Berben, die für dieses Buch die Texte geschrieben hat, ist seit 1968, als sie ihre Liebe für dieses Land und seine Menschen entdeckte, immer wieder auch in Jerusalem gewesen, hat auch einmal längere Zeit dort gelebt. Mittlerweile ist sie eine der bekanntesten Förderinnen des deutsch-jüdischen Verhältnisses und wurde für ihr Engagement 2002 mit dem Leo-Baeck-Preis ausgezeichnet.



    Sie lässt in ihren Texten Jerusalem als den spirituellen Ort lebendig werden für den Leser, als der er von den meisten Menschen geliebt wird. Man glaubt regelrecht mit ihr durch die engen Gassen zu gehen und die Gerüche und Geräusche wahrzunehmen, von denen sie berichtet.



    Der Krieg und der Terror sind wenig präsent in ihren Texten, genauso wie in den beeindruckenden Fotografien von Tom Krausz, spontane Notizen in Bildern, die neben den Texten von Iris Berben ihre eigene Faszination ausstrahlen.
    Zwei subjektive Blicke auf „eine wundersame Stadt“, wie es im Untertitel des Buches heißt. In Jerusalem, schreibt Iris Berben, „denken wir nach über den Ursprung der Menschheit, der Religion, über unsere Wurzeln.“


    Eigene Meinung:
    Das in diesem Buch absolut ausgewogene Verhältnis zwischen den Fotografien und den mit ihnen eng korrespondierenden Texten hat mir gut gefallen. Es hat mir die Stadt Jerusalem noch einmal auf eine ganz besondere Art näher gebracht, weil es mich nicht nur mit meinem Verstand und meinen bisherigen Kenntnissen über die Stadt und ihre Jahrtausende alte Geschichte ansprach, sondern auch mit etwas viel tiefer Liegendem, was mit Glaube zu tun hat.
    Ein schönes, ernsthaftes Buch über eine Stadt, die auch die jüngsten Auseinandersetzungen überleben wird, weil sie etwas in sich trägt, was ewig ist.

    Dieses Buch von Rowan Coleman ist eines der wenigen Romane, die mich in diesem Jahr beim Lesen in meinem Innersten angesprochen und bewegt haben. Das hängt zum einen damit zusammen, dass die Haupthandlung auf einer Hospizstation spielt und von den Menschen dort erzählt, die auf ihren Tod warten und ihr Leben bilanzieren. Und zum anderen, weil es eine Botschaft ausstrahlt, die ich in der Hektik des Alltags leider oft vergesse: egal, was passiert, wovor du auch immer Angst hast, es kommt immer darauf, die kleinen Momente des Glücks und der Liebe nicht zu übersehen. Sie machen dein Leben reich, auch wenn dir vielleicht nicht mehr viel Zeit bleibt.


    Erzählt wird von der Krankenschwester Stella, die in einem Hospiz arbeitet. Auf eigenen Wunsch arbeitet sie nur in der Nacht, dann, wenn es still wird auf der Station, und die Menschen sich ihr in vielen Gesprächen öffnen. Irgendwann hat sie jemand gebeten, an einen nahe stehenden Menschen einen kurzen Brief zu schreiben, den Stella erst nach dem Tod der Patientin dem Empfänger aushändigen sollte. Und schon bald wird daraus ein Ritual. Viele dieser Briefe sind in dem über 400-seitigen Roman abgedruckt, in einigen Fällen erfahren wir mehr von der Person, die ihn geschrieben hat und ihrem Leben. In diesen, meist nicht mehr als zwanzig Zeilen langen Briefen erfahren wir, was Menschen in ihren letzten Tagen und Stunden bewegt und was sie noch mitteilen wollen.



    Doch Stella hat auch ihre eigenen Lebensprobleme. Ihr Mann Vincent hat sich von ihr abgewendet, und obwohl sie ihn über alles liebt, geht sie ihm aus dem Weg. Die schwere Leidensgeschichte dieser Beziehung ist bis zum Ende des Buches ein wesentlicher Strang der Erzählung. Genauso wie die Geschichte der jugendlichen Hope, die seit ihrer Geburt an Mukoviszidose leidet und nur zur Pflege in dem Hospiz sich aufhält, bis sie wieder soweit ist, dass sie nach Hause gehen kann, dorthin also, wo sie sich über viele Jahre von der Welt abgeschottet hat und das Leben an sich hat vorüberziehen lassen. Doch da ist auch ihr Freund Ben, der ihr zeigt, warum es sich lohnt zu leben, zu kämpfen und zu hoffen.
    Genau diese Erfahrung macht auch Hugh, alleinstehend und nur mit einem Kater namens Jake befreundet, der als zweite Heimat das Hospiz hat und dort viele Patienten tröstet.



    Ihrer aller Geschichte wird erzählt, und nach und nach von Rowan Coleman miteinander verknüpft. Es ist, wie sie selbst auf einer Innenseite des Buches schreibt, „eine Geschichte über Hoffnung, darüber, niemals aufzugeben, nach den Sternen zu greifen und Menschen zu begegnen, die dein Leben verändern.“



    „Zwanzig Zeilen Liebe“ ist ein sehr bewegender, stellenweise aufwühlender Roman, eine poetische Hymne auf das Leben und ein spirituelles Lied über die Hoffnung, die uns am Leben hält bis zur letzten Minute, wenn wir es aushauchen. Aber davor gibt es noch „eine ganze Menge Leben“ (Konstantin Wecker).

    Matthias Schickhofer, ein engagierter Naturschutz-Aktivist und Fotograf hat schon im Jahre 2013 ein Buch mit dem Titel „Urwald. Österreichs letzte Naturparadiese“ veröffentlicht, von dem einzelne Teile und Fotografien auch in dem neuen vorliegenden Buch wieder abgedruckt sind.



    Er hat aber in den letzten Jahren seinen Radius erweitert, und sich in ganz Europa auf die Suche nach echten Urwäldern gemacht. Urwälder sind Waldgebiete, in denen, aus welchem Grund auch immer, noch nie ein Baum gefällt oder eine Schneise geschlagen wurde. Menschen haben in keiner Form in das Leben dieser Wälder eingegriffen.



    Oft sind diese Wälder, die er besucht und mit bezaubernden und faszinierenden Bilder festgehalten hat, gar nicht so weit von den großen Städten in Europa entfernt. Dennoch sind es eher der Balkan und Rumänien, wo man in unberührten Flächen die größten Urwälder außerhalb Russlands findet.



    Für Schickhofer sind diese Wälder nicht nur als Fotograf interessant. Er nennt sie in seinem Buch einen „ökologischen und genetischen Schatz“.
    In einem Interview in der österreichischen Zeitung „Die Presse“ vom 28.9.2015 sagt er, die letzten Urwälder seien „die Botschafter einer alten Welt, in der die Evolution noch ungestört walten kann. Sie haben über Jahrtausende stabile Systeme geschaffen. Wir sollten auf diese ‚Tore von Mittelerde‘ gut aufpassen.“



    Das Buch ist voller wunderbarer Fotografien und lehrreichen Beschreibungen der geheimnisvollen Biologie des Waldes. Ich kann es Naturfreunden und Waldliebhabern nur empfehlen.

    Mit den Landschaftsaufnahmen des Fotografen Andreas Pflitsch hat Dirk Steinhöfel ein wunderbares Buch gemacht, das völlig ohne Worte auskommt und vielleicht gerade deswegen eine ganz besondere Aussagekraft hat.



    Da ist ein Mädchen. Sie ist vielleicht zehn Jahre alt. Sie sitzt in einem Zimmer vor einer Bücherwand und dann mit einem aufgeschlagenen Buch an einem Tisch. Warum sie sitzt, wird am Ende des Buches erklärt, ist aber für die Aussage des Buches nicht unbedingt wesentlich.



    Ergriffen von dem, was sie in dem Buch gelesen hat, schaut das Mädchen sehnsuchtsvoll zum Fenster, und dann beginnt eine Reise durch Landschaften von unberührter Schönheit und geheimnisvoller Magie. Sie bewegt sich durch die Elemente und gelangt an die unglaublichsten Orte – ganz allein durch die Macht ihrer Phantasie.



    Es sind die Bücher, die das Mädchen immer wieder in fremde Welten führen und sie dort verweilen lassen. Und so kann sie vielleicht ertragen, dass das Schicksal beschlossen hat, dass sie nie wirklich diese Welten jemals sehen wird.



    „Die Weltenträumerin“ ist ein wunderbares Buch über die Macht der Bücher. Und eine Hymne an die magische Kraft der Phantasie.

    Marilynne Robinson, geboren 1943, gilt seit langem als eine der besten Schriftstellerinnen Amerikas. Die Protagonisten ihrer Bücher zeichnen sich durchweg aus durch eine Fähigkeit zur Empathie, die selten ist, und wie nicht von dieser Welt.



    So auch die Menschen, die in dem Roman „Lila“ beschrieben werden. „Lila“ bildet den Abschluss einer Trilogie, deren beiden ersten Teile „Gilead“ (2004) und „Home“ jeweils mit Preisen überhäuft wurden.



    Lila ist zur der Zeit, in der die Haupthandlung des Buches spielt, Anfang der 50 er Jahre – die USA führen Krieg in Korea - eine erwachsene Frau, die es irgendwann in den kleinen Ort Gilead in Iowa verschlägt. Mit diesem Ort und den Menschen, die dort wohnen, erinnert Marilynne Robinson an die vergessene Geschichte des Mittleren Westens der USA. Hier in Gilead wird sie von dem gütigen, weit über 70 Jahre alten Prediger John Ames aufgenommen. Er heiratet Lila und zeugt einen Sohn mit ihr, den sie auch glücklich zur Welt bringt. Das alles weiß der Leser des Romans schon nach wenigen Seiten.



    In zwei Zeitebenen, der Gegenwart des neuen Lebens von Lila mit dem alten Prediger in Gilead und ihrem Versuch, die Güte und den für einen calvinistischen Theologen erstaunlich offenen und zweiflerisch-philosophischen Glauben ihres Mannes zu verstehen und anzunehmen, und der Vergangenheit Lilas in den zwanziger und dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts wird die Geschichte Lilas erzählt.



    Von der Zeit, als sie als Findelkind von der Wanderarbeiterin Doll mitgenommen wird. Doll schließt sich einer Gruppe von Wanderarbeitern unter der Führung von Doane an. Acht Jahre lang ziehen sie mit ihm und seinen Leuten durchs Land, doch wegen einer großen Dürre und wegen der im Crash von 1929 gipfelnden Wirtschaftskrise finden sie bald keine Arbeit mehr bei den Farmern.



    Nachdem Doll mit ihrem Messer einen Mann getötet hat (war es Lilas Vater?) sieht sie sich auf sich allein zurückgeworfen und muss sich fortan unter anderem in einem Hurenhaus in St. Louis allein durchs Leben kämpfen. Als sie von dort weggeht, findet sie unterwegs eine alte Hütte, in der sie unterschlüpft und wo sie nach wenigen Tagen von John Ames gefunden wird.



    Langsam werden dem Leser in zahlreichen Rückblenden das Leben und das Schicksal Lilas vor dieser Zeit beschrieben. Immer wieder zweifelt sie, was sie davon ihrem Mann, der sich rührend um sie kümmert, offenbaren kann und was sie lieber für sich behält, zumal sie als Frau des Pfarrers in dessen Gemeinde nun eine öffentliche Person ist.



    Ganz am Ende, der Sohn ist geboren und hat nach einer kurzen lebensbedrohlichen Schwäche nach der Geburt überlebt, nach vielen Gesprächen darüber, dass Lila angesichts des hohen Alters ihres Mannes noch vor dem Erwachsenwerden des Kindes wieder alleine sein wird, ist ihr Vertrauen und ihre Liebe zu dem alten Mann so stark geworden, dass die Autorin sicher ist: „Eines Tages würde sie ihm sagen, was sie wusste.“



    Für mich stehen die zahllosen Gespräche von John Ames und Lila Dahl, wie man sie bald bei den Wanderarbeitern nannte, über theologische und philosophische Fragen im Mittelpunkt eines Buches, von dem die Autorin Zsuzsa Bank, die in ihrem Entwicklungsroman „Die hellen Tage“ 2012 auf ähnliche Weise das Erwachsenwerden dreier vom Schicksal schwer getroffener Kinder beschrieb, sagt:
    „Etwas zutiefst Tröstliches liegt in dem Wissen, das zwei sich nicht nur finden können – sondern auch schützen und halten. Diese Annäherung wird so zurückgenommen, so tastend behutsam erzählt, dass man sich ein wenig schämt, wenn man Lila und John weiter beobachtet, während sie reden, sich öffnen und bekennen.“



    „Lila“ ist so etwas wie der andere Zwilling von „Gilead“, wo die Geschichte von John und Lila aus einem anderen Blickwinkel erzählt wird, steht aber als Buch völlig für sich. Es ist ein Buch, das in die Tiefe geht und den Leser dort auch ansprechen will.

    Als sein geliebter Großvater gestorben ist, ist der kleine Fuchs sehr traurig. Seine Mutter tröstet ihn. Opa sei jetzt im Himmel und der GroßeLiebeFuchs passe dort gut auf ihn auf.



    Der kleine Fuchs hört gut zu, aber traurig ist er immer noch, Das ändert sich ein wenig, nachdem er in der Nacht von seinem Großvater Fuchs und vom LiebenGroßenFuchs im Himmel geträumt hat.



    Was den kleinen Fuchs auszeichnet, ist, dass er über seine Traurigkeit redet, auch mit anderen Tieren. Jedes Tier, dem er begegnet und mit dem spricht, zeigt ihm einen anderen hilfreichen Aspekt, den der kleine Fuchs dann jeweils nachts in seinen Träumen verarbeitet



    Und jedes Mal ist das Füchslein „ein kleinkleinkleinesbisschen weniger traurig.“ Vor allen Dingen lernt es, dass auch die anderen Tiere Vorstellungen haben davon, was mit ihnen passiert, wenn sie einmal sterben. Alle vertrauen sie auf ein ihnen ähnliches höheres Wesen.



    Als der kleine Fuchs abends nach Hause kommt und seinen Eltern von seinen vielen Gesprächen berichtet, werden sie ganz nachdenklich, denn so wie ihr Kind begreifen sie: der GroßeAllesAllesWasIst behütet nicht nur den verstorbenen Großvater Fuchs, sondern er hat alle lieb. „So wie den kleinen Fuchs. So wie dich.“



    Ein von Claudia Burmeister zart und behutsam illustriertes Bilderbuch, dem es meiner Meinung nach hervorragend gelingt, Kinder in ihrer Trauer um einen geliebten Menschen zu unterstützen und ihnen mit religiösen Bildern eine Vorstellung davon zu geben, dass kein einziges Menschenleben verloren ist.



    Ich habe gehört, dass es Mitarbeiter in der Hospizhilfe gibt, die mit diesem Buch arbeiten, wenn sie Sterbenden zur Seite stehen auf ihren letzten Weg.

    „Am Anfang war ich nicht so dafür. Ja, geradezu dagegen. Fabienne brachte mich dazu, ja zu sagen.“
    So beginnt der ich - erzählende Gemüsehändler Pierre seine Lebensgeschichte, die ihn, den einsamen Wolf, von einem auf den anderen Tag zu einem Anderen macht. Denn als Helene, die Frau, die er so geliebt hat, die aber nur seine Freundin sein wollte, stirbt, hinterlässt sie einen achtjährigen Sohn.



    Ihr letzter Wille: Pierre soll sich um den kleinen Marcus kümmern und ihn groß ziehen. Nicht erst seit dem plötzlichen Tod seiner Mutter ist Marcus ein schüchterner und eher schweigsamer Junge, zu dem der Zugang schwierig scheint. Deshalb auch zögert Pierre zunächst, diese große Verantwortung zu übernehmen.


    In ersten Teil dieses Romans, der von der ersten bis zu letzten Seite eine tiefe Menschlichkeit ausstrahlt, erzählt Pierre, wie sich die beiden trotz ihrer Unterschiedlichkeit zusammenraufen und aus ihnen bald so etwas wie ein gutes Team wird. Pierre ist immer sicherer, dass ihm mit Marcus etwas gelingen könnte, was sein eigener Vater in seiner Kindheit versäumt hat.
    Doch dann geschieht etwas, was alles in Frage stellt, und Pierre erzählt den Rest des Buches aus einer Haftanstalt heraus. Warum ? Und was geschieht mit seiner Beziehung zu Marcus?



    Das wird dem Leser dieses berührenden Buches erst langsam deutlich. Ein wunderbares Leseerlebnis, bei dem der Autor seinen Leser an ganz unerwarteten Stellen zum Lachen bringt. Ein Roman, der erzählt von Liebe und von der Verantwortung, die man für die hat, die man liebt.



    Ein Buch, das lange im Leser nachhallt.

    Sie wohnen nun schon seit insgesamt vier Bilderbüchern zusammen in dem alten und schiefen, aber sonst ganz netten Häuschen mitten im Wald. Bei allem, was sie bisher zusammen erlebten oder taten, hatten der Herr Hase, dem das Haus gehört und seine im oberen Stock wohnenden Mitbewohnerin Frau Bär unterschiedliche Vorstellungen


    Wie das halt so ist bei Lebewesen, die miteinander leben (wollen). Insbesondere die Frage der Sauberkeit und der Ordnung ist immer wieder Thema bei den beiden und Anlass zu zum Teil heftigen Auseinandersetzungen. Doch irgendwie fanden sie bisher immer eine Lösung, die das jeweilige Vorhaben am Ende doch gelingen ließ.



    So auch bei ihrem Vorhaben in dem vorliegenden neuen Bilderbuch. Es ist Winter, und in der Nacht hat es heftig geschneit. Während der Hase kräftig schaufelt, damit die Wege vorschriftsmäßig begehbar sind, wälzt sich Frau Bär erst mal genussvoll im Schnee. Der Hase ist sauer, weil Frau Bär ihm nicht hilft. Auch ihr Plan, einen Schneemann oder, wenn der Hase möchte, einen Schneehasen zu bauen, stößt auf wenig Gegenliebe.



    Doch bald schon kann sie ihn zu einer Schlittenfahrt überreden, bei der es zu einem Unfall kommt, weil der Schlitten unter dem Gewicht des Bärs zusammenbricht und der Bär gegen einen Baum knallt. Nachdem der Hase Frau Bär liebevoll(!) versorgt hat, ruft er (wie schon so oft) deren Brüder zu Hilfe, und ein großer stabiler Schlitten für den Bär entsteht. Den ziehen sie dann gemeinsam zur Abfahrt.



    Ein schönes Bilderbuch, das Kindern zeigt, wie man bei aller Unterschiedlichkeit von bestimmten Vorstellungen und Eigenschaften doch miteinander klar kommen kann im Zusammenleben und auch bei gemeinsamen Unternehmungen und Spielen.

    Nina Mathis wohnt im Süden Deutschlands. Ähnlich wie ihr Lebenspartner Leo, arbeitet sie in der Buchbranche, er als leitender Angestellter eines Buchverlags, sie als selbständige Künstlerin, die recht erfolgreich mit dem Entwerfen von Buchumschlägen ist. Sie haben Kinderwünsche hinten angestellt und besonders Leo träumt von einem Haus im Süden, wo er seine Ferien verbringen möchte. Ein modernes Paar, das aber zusammen nur an der Oberfläche glücklich ist.



    Das wird ganz schnell offenbar, als Nina die Nachricht erhält, dass sie Alleinerbin einer verstorbenen Tante ist. Den Kern des Erbes bildet ein altes Reethaus, in dem die Tante seit langem einen Dorfladen betrieben hat.
    Nina fährt sofort gen Norden in den kleinen Ort Nordhült. Dort findet sie sehr schnell die glücklichen Sommer und die Unbeschwertheit ihrer Kindheit wieder und sie fühlt etwas, was sie mit Leo nicht kennt:
    "Plötzlich fühlte ich so etwas wie Einverständnis mit meinem Leben. Hier oben gefiel es mir, ich war selbst überrascht, wie deutlich ich das spürte. Es war, als ob die weite, offene Landschaft mir in den Genen läge, meine Mutter, meine Großmutter mir ihre Liebe zu flachen Land vererbt hätten. Warum eigentlich sollte ich mich nicht hier niederlassen, wenigstens versuchsweise?" (Quelle: Thiele-Verlag)



    Leo ist bei den immer distanzierter werdenden Telefonaten mit Nina entsetzt über solche Gedanken. Zumal er spürt, dass Nina sich auch auf andere Weise von ihm entfernt. Das liegt auch an Ninas Jugendfreund Malte, der in Kiel arbeitet und den Nina in Nordhült wiedertrifft. Der Leser spürt viel eher, als die beiden Jugendfreunde sich das eingestehen wollen, dass sich hier eine neue emotionale Heimat andeutet.



    Und nach einigen Verwirrungen und Missverständnissen kommen sich die beiden näher, während die alte Beziehung immer fadenscheiniger wird…



    Dörthe Binkert hat einen leichten, unterhaltsamen Liebesroman geschrieben ohne Kitsch, eine Liebesgeschichte, in die man eintaucht und sich in ihrem Zauber verlieren kann. Mit viel sprachlichem Witz und mit viel Liebe zur norddeutschen Kultur und Lebensart verfasst, hat mich das Buch an mehrere Aufenthalte auf Nordstrand erinnert, die nun aber auch schon 40 Jahre zurückliegen.

    Ein Gedicht des Wortkünstlers und Sprachspielers Ernst Jandl und farbenfrohe Zeichnungen von Norman Junge: sie kommen in einem Bilderbuch zusammen, das seit seinem ersten Erscheinen 2001 mit mehreren Preisen ausgezeichnet wurde.



    Im Gedicht selbst deuten die Worte zunächst nur an, worum es geht bis mit der letzten Zeile: „tagherrdoktor“ endgültig klar ist, dass es um eine allen Menschen bekannte Situation geht: man sitzt im Wartezimmer einer Arztpraxis und wartet bis man dran kommt. Mit einem unruhigen Gefühl rutscht man in der Warteschlange immer weiter, bis man selbst aufgerufen wird.



    Die Zeichnungen Norman Junges sind witzig, spielen mit Licht und Schatten und fangen die Atmosphäre eines Wartezimmers perfekt ein. Mit den lustig gezeichneten Spielzeugtieren als Patienten können sich die Kinder gut identifizieren. Ihr wechselndes Mienenspiel ist genial gezeichnet und der witzige Arzt, der auf der letzten Seite zu sehen ist, setzt allem die Krone auf.



    Ein schönes Buch, das sicher von vielen Erwachsenen goutiert wurde und wird. Es ist auch nicht ungeeignet dazu, kleine Kinder auf einen langweiligen Arztbesuch vorzubereiten. In diesen Praxen sollte das Buch übrigens überall ausliegen.

    Schubert ist eine kleine Otter. Er lebt zusammen mit anderen Ottern und weiteren Tiere im Zoo,. Er lebt gerne dort, doch besonders nachts gibt es ein großes Problem. Schubert schnarcht so laut, dass die anderen Ottern nicht schlafen können.



    Und so wandert er nachts von einem Ort im Zoo zum anderen, überall dort, wo er etwas Wasser findet, doch bei den anderen Tieren wird er auch vertrieben, weil sie durch sein lautes Schnarchen nicht schlafen können: beim Krokodil, bei den Giraffen, bei den Elefanten:
    „Schubert war traurig und einsam. Nach langem Suchen fand er ein verstecktes Plätzchen, rollte sich zusammen und schlummerte ein.“



    Derweil vermissen ihn seine Otternfreunde schon sehr und sie suchen die ganze Nacht nach ihm. Als Schubert am Morgen aufwacht, sieht er hunderte von Fledermäusen an der Decke hängen, die ihn bitten, nun die Höhle zu verlassen. Sie seien die ganze Nacht draußen gewesen, aber nun müssten sie schlafen.



    Traurig will Schubert schon den Zoo verlassen, als er die Rufe der anderen Ottern hört. Sie hätten ohne ihn nicht schlafen können und bitten ihn, doch zurückzukommen. Denn sie haben mit Ohrstöpseln eine Lösung gefunden.



    Ein schönes Bilderbuch mit einfachen und minimalistischen Illustrationen, das eine wunderbare Geschichte erzählt über Eigenarten Einzelner in der Gruppe (Familie) und der Zusammengehörigkeit, die es schafft, immer wieder mit diesen Eigenarten umzugehen und Lösungen zu finden. Lösungen, die den Einzelnen bleiben lassen, was und wie er ist, und die doch die Gemeinschaft schützen.

    Als eine Einführung in die Familienpädagogik des Dänen Jesper Juul und als eine Zusammenfassung seiner Ideen gleichzeitig kann das vorliegende Buch gelesen werden. Jesper Juuls Erkenntnisse aus über 35 Jahren Beratungspraxis in Familientherapie fasst er hier in fünf Grundsteinen zusammen, auf deren Basis, so ist er sich sicher, ein Familienleben gelingt. Wie immer betont er dabei nicht die Schwierigkeiten, sondern er fokussiert auf die Ressourcen, die jede Eltern-Kind-Beziehung hat.



    Dabei geht es um:



    • Kooperation und Integrität
    • Selbstvertrauen und Selbstgefühl
    • Persönliche Verantwortung
    • Die Kunst, Nein zu sagen
    • Eltern als Leuchttürme



    Die eher theoretischen Ausführungen zu diesen fünf Grundsteinen werden ergänzt durch Auszüge von Gesprächen, die Juul in seine Therapiepraxis mit Eltern zu den jeweiligen Themen geführt hat.



    Ob die Kinder erst ganz klein, im Grundschulalter oder schon in der Pubertät sind: das Buch ist ein hilfreicher Ratgeber zum Ausbau der eigenen Erziehungskompetenz, die Juul bei alle Eltern grundsätzlich annimmt, und die zu entwickeln er ihnen mit seinen Büchern helfen möchte.

    Die Französin Gabrielle Vincent (1928-2000) gehört nach wie vor zu den bekanntesten Bilderbuchkünstlerinnen im französischsprachigen Raum. Vor allem mit ihren fast zwei Dutzend Bilderbüchern über den Bären Ernest und die Maus Celestine ist sie berühmt geworden und mehrfach ausgezeichnet worden.



    Im letzten Buch der Reihe, das ursprünglich posthum 2001 im Original erschien, geht es um „Celestines Fragen“. Fragen, die der Bär Ernest seit vielen Jahren fürchtet und die er in diesem Buch so wahrheitsgetreu wie möglich beantwortet. Celestine will nämlich wissen, wie sie geboren ist.



    Und Ernest stellt sich der schwierigen Aufgabe, von der er wusste, dass sie irgendwann auf ihn zukommen würde, und erzählt Celestine, wie er sie als kleines Baby in einem Mülleimer gefunden und dann aufgezogen hat.



    Immer wieder muss er die Geschichte wiederholen und irgendwann im Laufe des Tages gehen sie auch beide zu der Stelle, wo er sie damals fand. Und Celestine sagt: „Was für ein Glück, das du mich gehört hast.“



    In den hier vorliegenden aus der in Frankreich so erfolgreichen Reihe, nutzt Celestine Ernest Abwesenheit, um endlich auf die Spur der verschlossenen Schublade zu kommen. Und sie öffnet sie mit dem im Krug versteckten Schlüssel. Eine Menge Dinge sind da zu entdecken, vor allem, aber eine Vielzahl von Fotos von Ernest, als er noch klein, als Jugendlicher und junger Erwachsener. Doch dem ersten Entzücken über den Fund weicht bald eine große Wut, denn von ihr selbst ist kein einziges Bild dabei. Dafür aber von einer Menge anderer kleiner weisser Mäuse, die sich an Ernest kuscheln.
    Groß ist die Enttäuschung, nicht die einzig Wichtige in Ernests Leben zu sein, Ein quälendes Gefühl der Eifersucht stellt sich ein. Celestine fühlt sich hintergangen. Zweifel ergreifen sie: Zweifel an Ernest, Zweifel an sich selbst, Zweifel am eigenen Wert. Kein einziges Foto von ihr!



    Wie Ernest auf die veränderte und verschlossene Celestine nach seiner Rückkehr reagiert und wie er sich verhält, wird in einem Nachwort als auch für Eltern beispielhaftes Verhalten im Umgang mit kindlicher Eifersucht beschrieben



    Welchen Segen für Eltern und Kinder das Erzählen von Geschichten darüber haben kann, zeigt das von Heidi Varin und Christel Rech-Simon übersetzte Buch. Letztere, analytische Kinder- und Jugendlichentherapeutin, hat auch das Nachwort verfasst und zeichnet als Herausgeberin für die hoffnungsvoll gestartete neue Reihe „Carl-Auer-Kids“ verantwortlich.

    Dieses wunderbare Buch, das Hans-Joachim Gelberg in seinem eigenen Verlag herausgegeben hat, ist ein ganz besonderes seiner Art. Und das nicht nur, weil es sich mit Gedichten befasst, für Kinder und für Erwachsene. Ein Buch für alle Lebensalter, und auf keinen Fall von vorne nach hinten zu lesen. Eher, so empfiehlt Gelberg, sollte man es lesen nach dem Prinzip der Flaschenpost, einfach lesen, was man zufällig findet.
    Gelberg hat schon in früheren Anthologien Gedichte vor allem für Kinder zugänglich gemacht. Seine neue Anthologie „Großer Ozean“ bietet einen breitgesteckten Überblick über neue, aber auch ältere Kindergedichte. Hinzu kommen Texte der modernen Lyrik und ein Streifzug durch die Weltpoesie, die bislang kaum für Kinder genutzt wurde. In einem aufschlussreichen Nachwort über den Umgang mit Gedichten erläutert mit dem Titel „Klopfzeichen der Kinderpoesie“ spricht er vor allem die Erwachsenen an, ohne die Kinder wohl kaum einen Zugang zu dieser umfassenden Sammlung bekommen werden. Mehr als 350 Gedichte von über 160 Dichtern und Dichterinnen sind ein „großer Ozean“, bei dem man einige Navigationskenntnisse braucht.



    Die akribisch ausgesuchten Illustrationen lockern die Texte auf. Texte, die einen schier unerschöpflichen Poesievorrat darstellen für eine lange Zeit. Ein Buch, dem zu wünschen ist, dass es kleine und große Menschenkinder in die Welt der Gedichte einführt und sie dort heimisch werden lässt. Ihr Leben wird reicher dadurch.

    Mit zauberhaften Bildern schildert der japanische Autor Kazua Iwamura eine lustige Mausfamilie bestehend aus Mama Maus, Papa Maus, Oma Maus, Opa Maus und insgesamt 10 Mäusegeschwistern. Hana Christen hat sie aus dem Japanischen übersetzt und Rose Pflock hat daraus wunderschöne Verse gedichtet, die das Vorlesen dieses Buches und das Betrachten der zauberhaften Bildern zu einem sprachlichen und phonetischen Erlebnis machen können.


    Das Buch erzählt, wie der Tag der Familie Maus endet, nachdem die Tagesarbeit getan ist: „Es freut sich die Familie Maus auf Abendbrot und Badehaus.“


    Nachdem alle ordentlich gewaschen sind, sitzen sie an einem großen Tisch: „Mama teilt die Suppe aus und dann schmeckt`s Familie Maus.“ Und dann der vielleicht wichtigste Teil des Abends: „Satt und gemütlich in der Runde erzählen sie zur Abendstunde, wie jeder heut den Tag verbracht, nachdem er morgens aufgewacht.“


    Nach dem obligatorischen Zähneputzen wandern die zehn Mäusekinder in ihre Betten, und Oma singt noch ein Schlaflied, bei dem sie einer nach dem anderen wegschlummern.
    „Dann ist es mäuschenstill im Haus,
    denn friedlich schläft Familie Maus.“


    Ein wunderschönes Bilderbuch, das den Kindern zeigt, dass auch andere ihre Abendrituale haben und wertschätzen

    Eine ganz besondere und eigentümliche Bilderbuchgeschichte hat Willy Puchner hier entworfen. Einem nicht näher benannten Schatz (wohl einem Kind) schreibt er handgeschriebene Briefe. „Ein Brief ist wie ein kleines Universum, wie eine eigene kleine Welt.“


    Er schreibt aus einem wunderbaren Land der Phantasie, in dem er sich ausmalt, was er will: Er geht als Wellensittich durchs Dorf, setzt eine Flaschenpost ins Meer, besucht das Buchstabenfest und blickt einer Katze in die Augen.
    Jede Seite dieses ungewöhnlichen Buches gewährt Einblick in eine ungeahnte Sehnsuchtswelt, jedes Umblättern beglückt mit Poesie, Witz und unglaublichen Ideen. Es ist eine wundervolle Verbindung von Wirklichkeit und von Träumen. Die farbenfrohen Illustrationen sind genau wie die einzelnen Briefe jede für sich einzelne kleine Kunstwerke.


    Voller Phantasie lädt das Buch Kinder geradezu ein, selbst ihre Phantasie und Kreativität zu entdecken.