Kurzbeschreibung von Amazon.de:
Nach einem Unfall ist es für Benjamin Harthman, eines der Opfer, schon zu spät: Er ist tot. Doch dann wacht Harthman wieder auf, mitten in einer seltsamen Stadt, einer Stadt voller verstorbener Menschen. Ist es das Paradies oder gar die Hölle? Benjamin Harthman macht sich auf die gefahrvolle Suche nach dem Geheimnis dieses seltsamen Ortes …
Über den Autor (dem Buch entnommen):
Andreas Brandhorst, 1956 im norddeutschen Sielhorst geboren, schrieb bereits in jungen Jahren Erzählungen für deutsche Verlage. Es folgten zahlreiche fantastische Romane, darunter mit dem Kantaki-Zyklus eine eipisch angelegte Zukunftssaga. Sein Mystery-Thriller Äon war ein riesiger Publikumserfolg. Brandhorst lebt als freier Autor und Übersetzer in Norditalien.
Handlung:
An seinem 40. Geburtstag kommt Benjamin Harthman zusammen mit seiner Frau bei einem schweren Autounfall ums Leben. Ende der Geschichte? Mitnichten! Er erwacht und wird von einer Frau namens Louise in der „Stadt“ willkommen geheißen. Die Stadt ist ein grauer, düsterer Ort, an dem scheinbar ohne erkennbares Muster, mehrere hundert verstorbene Menschen aus verschiedenen Zeiten, mit unterschiedlichen Herkünften und Religionen, nach ihrem Tod wieder erwachten. Ca. die Hälfte dieser Menschen lebt in der sogenannten „Gemeinschaft“, einen Zusammenschluss des scheinbar zivilisierteren Teils der Einwohner, die angeführt wird vom charismatischen Hannibal und seiner Begleiterin Abigale. Eine der Regeln lautet, dass die Stadt nicht verlassen werden kann, weder durch den Nebel, der sie umgibt und in dem schreckliche Kreaturen lauern sollen, noch durch das Labyrinth, einem U-Bahn-ähnlichen Gängekonstrukt unter der Stadt. Benjamin wird umgehend in der Gemeinschaft willkommen geheißen und lernt deren Bewohner nach und nach kennen. Auch diese haben keine Ahnung, wo sie sich befinden, warum gerade sie nach dem Tod hierher gekommen sind und was der Sinn ihres Daseins in der Stadt ist und haben die unterschiedlichsten Theorien. Die Gegenspieler der Gemeinschaft sind die „Streuner“, Ausgestoßene der Gemeinschaft, die in den Randbezirken der Stadt leben und es auf den Supermarkt abgesehen haben. Dieser ist der wertvollste Besitz der Gemeinschaft, da dessen Regale sich nach der Entnahme von Waren wie von Geisterhand wieder neu füllen. Benjamin, der wissen will, was mit seiner Frau nach dem Unfall passiert ist, geht den Geheimnissen der mysteriösen Stadt auf den Grund.
Meine Meinung:
Ich habe es selten erlebt, dass ein Buch so eine unglaublich atmosphärische Dichte und eine gruselige, unheilvolle Atmosphäre ausstrahlt. Es war regelrecht überwältigend, in die Stadt einzutauchen und deren Geheimnisse nach und nach zu erkunden. Es war ein tolles Leseerlebnis, sich mit den Protagonisten durch die leeren, grauen und verlassenen Straßen der Stadt zu bewegen. Andreas Brandhorsts Mystery/Fantasy-Mix hat von der ersten Seite an gruseliges Gänsehautfeeling verbreitet, aber hier sei noch extra für die Ängstlichen unter uns erwähnt : Das Horrorgenre blieb größtenteils außen vor und brutale Szenen gab es so gut wie gar keine. Die Welt, die uns hier dargelegt wurde, war zwar sehr surreal, ist aber zu keiner Zeit ins Absurde abgedriftet, so dass die Handlungsorte auch für Fantasy-Ablehner nachvollziehbar sein könnten.
Schon in den ersten 100 Seiten trifft man auf massig Geheimnisse und Mysteriöses, wobei jeder einzelne Aspekt seinen Teil zur Gesamtgeschichte beiträgt und niemals nur zu seiner selbst Willen eingeführt wurde. Ein paar neugierig machende Stichworte, auf die man treffen wird, ohne näher darauf einzugehen: Die Schatten, das schwarze Loch, das Labyrinth, das Hospital, die Apothekerin, der Nebel...
Die Hauptfigur Benjamin, der sich nicht an sein Leben vor dem Tod erinnern kann, ist ein toller Charakter. Seine Begleiterin Louise und er sind die Hauptakteure und auch die Sympathieträger in dieser Geschichte. Trotzdem ist Benjamin, vor allem wegen der Unwissenheit über sein früheres Leben, auf gewisse Weise von einem zur Stadt passenden Grauton umgeben, der ihn nie eindeutig als überkorrekten Gutmenschen festlegt.
Auch die weiteren Charaktere, die alle eigene Persönlichkeiten sind, sind toll, aber der "Star" des Buches ist für mich eindeutig: Die Stadt! Wer mit Parallelwelten wie in den Filmen "Matrix" oder "Inception" etwas anfangen kann, ist hier absolut an der richtigen Adresse. Auch die Computerspielreihe "Silent Hill" scheint hier Pate gestanden zu haben. Eine dementsprechende Verfilmung und "Die Stadt" könnte zu einem absoluten Kassenschlager werden, das garantiere ich!
Die Geschichte ist sehr geradlinig erzählt, der Autor pflegt einen sehr angenehmen Schreibstil, den ich nicht einmal als literarisch unwertvoll bezeichnen möchte. Parallelen sehe ich zu Sebastian Fitzek, aber eher im Handlungsablauf, denn Brandhorst pflegt einen ruhigeren und detaillierteren Schreibstil als der deutsche König des Psychothrillers.
Ich hatte die ganze Zeit über ein wenig Bammel, dass eine zu simple Auflösung oder ein enttäuschendes Ende den Zauber dieses Buches verfliegen lassen könnte. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass ein unbefriedigendes Ende, einen Teil der Atmosphäre zerstört. Aber die Art wie Andreas Brandhorst dies gelöst hat, ist einfach überragend und überwältigend und es zerstört keinesfalls den Mythos der Geschichte, so dass alles wie aus einem Guss wirkt.
Fazit: Ein Buch, das nachhallt, das genug Spielraum für eigene Gedanken und Interpretationen bietet und den Leser auch fordert, aber fast 600 Seiten lang uneingeschränktes Lesevergnügen bietet. Ein absolutes Highlight, das Einzug in jedes Bücherregal finden sollte, in dem Mysterythriller und bodenständige Fantasy ansässig sind.