Joseph Roth - Hiob

  • Inhalt (von amazon):
    Hiob von Joseph Roth erzählt auf eine einfühlsame und bewegende Weise das von Schicksalsschlägen durchzogene Leben des Mendel Singer, einem "ganz alltäglichen Juden".
    Wir werden in das einfache Leben einer jüdischen Familie geführt, das uns mit seinen ganz alltäglichen Problemen und Tragödien erschüttert. Mendel Singer ist die Reinkarnation des biblischen Hiob im 20. Jahrhundert. Wie dieser muß er die Prüfungen Gottes erdulden. Seine Frau und zwei seiner Kinder sterben, bei der Emigration in die USA muß er seinen behinderten Sohn zurücklassen und schließlich mit ansehen, wie seine Tochter ins Irrenhaus eingeliefert wird. Gebeugt von seinem schweren Los hadert er mit Gott und verliert allen Lebensmut, doch da erscheint eines Tages eine fast wundersame Umkehr des Schicksals.


    :study: Mich hat diese Erzählung sehr berührt. Das Leben einer jüdischen Familie in Osteuropa ist anschaulich geschildert. Die Schicksalsschläge, die Mendel Singer treffen, haben ihre Parallele in der Hiob-Geschichte aus der Bibel. Mendel Singer ist sehr anschaulich geschildert, und ich war fast traurig, als das Buch zu Ende war. Ich hätte gerne mehr über sein weiteres Schicksal erfahren.

  • Mich hat diese Geschichte auch sehr mitgenommen. Eine Bibelgeschichte ind er Jetztseit, sehr beeindruckend, und vor allem die Einzelschicksale ( der Umgang mit dem behinderten Sohn, die Entscheidungen, die Mendel Singer zu treffen hat, wobei er es nie "richtig" machen konnte) haben mich tief berührtj.


    Ein sehr schönes Buch!!


    Liebe Grüße!!

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Ich habe das Buch in der Schule fürs Abi lesen dürfen, und war sofort davon begeistert (wenn man das von einem Buch mit so traurigem Inhalt sagen kann). Mir gefällt vor allem die Art, wie Joseph Roth schreibt, und habe deshalb noch viele andere Schriften von ihm gelesen. Vor allem hat mich seine Klarsicht beeindruckt, wie er schon Ende der 20er-Anfang der 30er Jahre die Folgen des Nationalsozialismus vorausgesehen hat.
    Für mich ist Joseph Roth zu einem meiner Lieblinge geworden.
    Absolut lesenswert! :thumleft:
    LG Ly

  • Inhalt:
    Vor dem 1. Weltkrieg lebt Mendel Singer mit seiner Familie, der Ehefrau Deborah, zwei Söhnen und der Tochter Mirjam in einem 1-Zimmer-Haus in Ost-Russland. In diesem Raum geht er auch seinem Broterwerb als Thora-Lehrer nach. Das vierte Kind wird geboren, der Sohn Menuchim, der körperlich und geistig behindert ist. Das Leben ist eintönig, karg und ärmlich. Mittelpunkt von Mendels Leben ist sein strenger jüdischer Glaube, den er seinen Kindern mitgeben will.
    Als seine beiden älteren Söhne den Einzugsbefehl erhalten, organisiert die Mutter für den Zweitgeborenen, Schermajah, die Flucht nach Amerika. Jonas, der Älteste, meldet sich freiwillig. Die Tochter lässt sich mit den im Dorf stationierten Kosaken ein. Beides sind Verhaltensweisen, die die Religion verbietet.
    Der zweite Sohn, der in Amerika erfolgreich wird und sich jetzt "Sam" nennt, organisiert die Ausreise der Familie. Den behinderten Sohn muss man jedoch in Russland zurücklassen. Die Familie wird nach und nach in New York heimisch, und nach vielen Jahren hat Mendel zum ersten Mal das Gefühl, dass es ihm gut geht, zumal er die Einreise seines behinderten Sohnes vorbereitet, als Amerika in den Krieg einsteigt. Sam meldet sich zum Militär, um Amerika seine Dankbarkeit zu beweisen, fällt. Der älteste Sohn ist in Russland vermisst. Mirjam wird irre und ins Krankenhaus eingeliefert. Deborah stirbt aus Gram. Die schlimmsten Befürchtungen reichen nicht, um sich auszumalen, was in Russland mit Menuchim passieren kann. Mendel hat alles verloren. Er wendet sich vom Glauben und von Gott ab, den er als denjenigen empfindet, der ihm alles genommen hat. Bis etwas geschieht, das Mendel nur als "Wunder" erleben kann.



    Der jüdische Schriftsteller Joseph Roth hat das Buch an die alttestamentliche Geschichte des Buches Ijob angelehnt, in der es um den gerechten, gottesfürchtigen Juden Ijob (oder Hiob) geht, dem der Teufel alles wegnimmt, um Gott zu beweisen, dass Ijob nur solange fromm und gottergeben ist, wie er gut und glücklich lebt.
    Man muss das Buch Ijob nicht als Voraussetzung zu "Hiob" gelesen haben, aber es nutzt, um sowohl die Intention des Autors, das Leben seines Protagonisten als auch den jüdisch-religiösen Hintergrund der Geschichte besser zu verstehen und einzuordnen. Nach dem alten Glauben Israels wird es einem guten Menschen in seinem Leben gut ergehen, einem schlechten schlecht. (Im Laufe der geschichtlichen Entwicklung ließ sich diese Auffassung jedoch nicht mehr aufrecht erhalten.)


    Mendel lebt nach seiner Überzeugung im Glauben, dass Gott es gut mit ihm meint, solange er die Gebote hält, sich den Gesetzen seiner Religion unterwirft, seine regelmäßigen Gebetszeiten beachtet. Dass er arm ist, dass sein Sohn behindert zur Welt kommt, kann er noch als Aufgabe und Ansporn sehen, auch im Leid seinem Gott zu vertrauen.
    Jetzt aber wird ihm (von Gott, so sein Glaube) alles genommen, was ihm etwas bedeutet. Aber warum? Was hat Mendel denn Furchtbares getan, dass Gott ihn so bestraft? Er findet keine Antwort, nur Verzweiflung. Mit diesem Gott hat er nichts mehr zu tun. Er betet nicht mehr, wirft seine Gebetsutensilien weg, isst sogar Schweinefleisch.
    Dann geschieht ein Wunder und gibt dem Buch einen beinah märchenhaften Ausklang.
    ("Wunder" ist nicht gemeint als übernatürliches Geschehen oder Aufhebung der Naturgesetze. Eine Heilung kann z.B. von einem Arzt durchaus medizinisch-naturwissenschaftlich erklärt und vom Kranken trotzdem als persönliches "Wunder" erlebt werden.)


    Ein Schicksal, das unter die Haut geht. Geschrieben in einer einfachen klaren Sprache, die sich leicht lesen lässt. Joseph Roth, der selbst jüdisch-galizischer Herkunft war, hat in den ersten Teil autobiographische Erinnerungen fließen lassen. Er hat das Buch 1930 geschrieben. Ein paar Jahre später wurde aus der Geschichte der Romanfigur Mendel Singer die reale Geschichte seines ganzen Volkes. Das Wissen um diese Zeit macht es schwer, das versöhnliche Ende des Buches zu genießen.


    Zum Autor


    Marie

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Vielen Dank für deine Rezi, Marie. Ich bin gerade im Joseph-Roth-Fieber. Vergangene Woche habe ich "Radetzkymarsch" gelesen. (Rezi kommt am Wochenende.) Sein Stil hat mir sehr gut gefallen. "Kapuzinergruft" liegt schon bereit. Nach und nach möchte ich alles von ihm lesen. Da kommt mir deine Empfehlung gerade recht, um festzustellen, dass "Hiob" wohl gleich danach gelesen werden will.

  • In der Tat ein ganz, ganz großartiges Buch!
    Ich erinnere mich, dass es bereits einen Thread zu diesem Buch gibt, ich habe ihn nun auch gefunden: hier wurde das Buch bereits vorgestellt. Im Rezensionsindex "versteckt" er sich mitten unter den Philip-Roth-Büchern (warum auch immer??)

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


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  • Jetzt habe ich ihn auch gefunden, @ Rosalita. Einige Autoren namens "Roth" erscheinen ziemlich ungeordnet im Index. Muss Bonprix wieder eingreifen. :wink:


    Marie

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  • @ Bonprix, danke.


    (Kann man auch etwas gegen den Durcheinander bei den Roths machen, der auftritt, wenn man die Autoren im Rezi-Index nach Nachnamen aufruft? )


    Marie

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    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • "Hiob" ist eines meiner "Einsame-Insel-Bücher". Ich habe es schon mehrmals gelesen und bin immer wieder zutiefst beeindruckt. Es gibt eine wunderschöne Verfilmung, die ich mal im TV gesehen habe - leider kann ich mich nur sehr dunkel daran erinnern. Dass sie mir gefallen hat, weiß ich aber noch genau. Die Stelle,

    ist im Film so genial wie im Buch. Allein dieser Teil macht das Buch zu einem Meisterwerk. Ich bekomme schon eine Gänsehaut, wenn ich nur dran denke!! (Sieht so aus, als müßte ich das Buch demnächst wieder lesen!!!)

  • Nach „Radetzkymarsch“ und „Kapuzinergruft“ war „Hiob“ der dritte Roman, den ich von Joseph Roth las. Wie bereits die anderen beiden, zog er mich sofort in seinen Bann. Joseph Roths Art und Weise zu erzählen, einfach, sachlich und schnörkellos, dabei kompetent und einfühlsam, ist es, die mich jedes Buch von ihm, schon wegen der Sprachmelodie, genießen lässt. Nichts finde ich übertrieben oder gar schwülstig, er findet für alles das richtig Maß. Seine Figuren sind lebensecht und im Gegensatz zu den von mir bereits gelesen Büchern gibt es in „Hiob“ auch fantastisch beschriebene Frauen; Deborah, die Mutter, die lange Zeit die war, die die Familie lenkt und Mirjam, in ihrer Auflehnung gegen das Althergebrachte, sind mir schnell ans Herz gewachsen. Aber am meisten liebe ich diesen Autor für seine Kunst, große Gefühle in passende klare Worte zu fassen.


    Bevor ich zu diesem Buch griff, zögerte ich eine Weile. Ich wusste nicht, sollte ich vielleicht doch erst (mal wieder) zur Bibel greifen und mich mit der Thematik vertraut machen? Ich entschied mich dagegen und ich habe es nicht bereut. Roth verstand es ganz ausgezeichnet, dieses schwierige Thema umzusetzen und dem Leser nahe zu bringen.


    Mein Fazit: „Hiob“ ist ein Meisterwerk. Es hat mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt und tief berührt. Es wird garantiert einen Re-read geben und ich bin mir heute schon sicher, viele neue Facetten dieses Roman entdecken zu können. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Vielleicht ein guter Ort, um die neue Biographie Josef Roths zu erwähnen?


    Siehe auch:
    http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/kritik/971590/


    Gebundene Ausgabe: 559 Seiten
    Verlag: Kiepenheuer & Witsch; Auflage: 1., Auflage (27. Februar 2009)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3462055550
    ISBN-13: 978-3462055559

  • Tom


    Diese Biographie ist auch sehr gut geschrieben. Ich lese sie gerade als Zweitlektüre, immer häppchenweise. Später kommt auch noch meine Meinung dazu.

  • Dank Eurer Begeisterung griff ich dann auch zu diesem Joseph Roth und las den "Hiob" mit großer Freude! Ihr habt das Buch wirklich gut zusammengefaßt und ich brauche den Inhalt nicht zu wiederholen... Würde aber gerne einfach auch meine Empfehlung anheften und viele Leute begeistern wollen, etwas aus dieser "Kulturwelt" zu lesen, die Roth da beschreibt. Geht es nicht um eine Welt, die dann bald definitiv zugrunde ging, doch zu Europa gehört?


    Marie hat Recht, dass man nicht das biblische Buch Hiob gelesen haben muss. Was mir dazu aber einfällt ist, dass diese Geschichte von Roth einen ähnlich universalen Charakter einnehmen könnte. Vordergründig geht es vielleicht um einen "Mendel Singer" einer gewissen Zeitepoche, doch dahinter stecken - wie Roth es selber sagt - Tausende von normalen Leben: Mendel Singer ist in vielerlei Hinsicht nichts besonderes, auch wenn wir ihn heute so empfinden sollten.


    Vielleicht spricht dieses Buch uns auch deswegen an: Weil wir uns irgendwo doch auch oft als zweifelnde, fragende Hiobs sehen. Mendel aber wird von seinen Freunden, vom Schicksal, von Gott (?) als unschuldig erklärt...

  • Ein Meisterwerk und mit Abstand das beste Buch, das ich in den letzten Monaten gelesen habe.
    Der Umgang mit der Sprache ist einfach virtuos und ich habe allein dadurch beim Lesen an der ein oder anderen Stelle eine Gänsehaut verspürt.


    Für mich war die Figur der Tochter die tragischste. Gleichzeitig zu ihrem Ausbruch, ihrer Rebellion umgibt sie von Anfang an eine Art von Unberührbarkeit, die am Ende ihres Schicksals ihren Höhepunkt findet. Trotz ihrer Beziehungen zu ihrer Familie oder zu den Soldaten war sie bis zum Schluss stets mit sich selbst alleine.

  • „Vor vielen Jahren lebte in Zuchnow ein Mann namens Mendel Singer. Er war fromm, gottesfürchtig und gewöhnlich, ein ganz alltäglicher Jude.“


    Mit diesen Worten beginnt die Geschichte eines Mannes, der im Schauspiel des Lebens die Rolle eines Hiob zugewiesen bekommen hat, und im gleichnamigen Roman Joseph Roths (1930) aufgrund zahlreicher Schicksalsschläge einen inneren Glaubenskampf ausfechten muss.


    Die Handlung spielt im frühen 20. Jahrhundert, auch während und nach dem Ersten Weltkrieg. Im ersten Teil des Romans arbeitet Mendel als Lehrer und lebt mit seiner Familie im fiktiven Zuchnow in Russland. Als aufgeklärter Jude legt er einen Wert auf eine persönliche Beziehung zu Gott, während seine Frau Deborah im Falle des jüngsten, an Epilepsie erkrankten Sohnes Menuchim lieber bei einem Rabbi Hilfe sucht. Mendel hingegen vertraut niemandem, einzig sein Glaube an Gott ist unerschütterlich und ein Ankerpunkt in seinem Leben. Die Familie lebt in armen Verhältnissen, und nach der Geburt Menuchims scheint das Leben nicht einfacher zu laufen. Die Kinder werden älter; die Söhne Jonas und Schemarjah sollen in die Armee einberufen werden, während Tochter Mirjam nach sexueller Erfüllung strebt. Schemarjah schafft es schließlich, dem Armeedienst zu entgehen und in die USA zu fliehen. Mendel nimmt seine Einladung an und folgt mit Frau und Tochter, nachdem die Eltern beschließen, dass Kosaken für Mirjam kein Umgang seien. Menuchim wird zurückgelassen, während Jonas das Elternhaus bereits verlassen hatte.Im zweiten Teil des Romans, der in Amerika spielt, erlebt Mendel eine Enttäuschung, denn die erhoffte Lebenswende im Land der Träume ist nicht in Sicht. Stattdessen geht es mit seinem Leben immer weiter bergab: Schemarjah kommt im Krieg um, Mirjam verliert den Verstand und für Deborah ist die Nachricht vom Tod ihres Sohnes ein tödlicher Schlag. Mendel wird immer verschlossener, distanzierter, sucht die Schuld bei sich, sondert sich von der jüdischen Gemeinschaft in Amerika ab, kann jedoch trotzdem nicht vom Glauben loslassen. Bis dann die Erlösung kommt.


    Das zentrale Charakteristikum des Romans ist der Realismus. Als jemand jüdischer Abstammung, der viel gereist ist, in Galizien geboren wurde und mit der Geisteskrankheit seiner Frau konfrontiert wurde, hat Autor Joseph Roth viel Erfahrung, die dem Roman sicherlich eine Stütze war. Menschliche Abgründe und Schattierungen jeder Persönlichkeit werden vielfältig umrissen, in klarem Stil, der im gesamten Roman den Umfang an unterschiedlichen Eindrücken oft unter Zuhilfenahme von Akkumulationen bewältigt. Dieses Mittel kann allerdings auch schnell als störend empfunden werden, da sich die Anwendung doch auffällig häuft und man sich nicht durch jede Wortsammlung durchkämpfen möchte.


    Ein anderes Kampfgebiet stellt die Handlung selbst dar. Im zweiten Teil passiert ein wenig mehr als im ersten Teil, insgesamt sind die Ereignisse aber ziemlich unspektakulär. Die Geschichte ist ruhig und fließt langsam vor sich hin, wer also Wert auf Spannung legt, ist mit „Hiob“ wohl eher nicht so gut beraten.


    Das ambivalente Amerikabild allerdings zeugt auch wieder von der Nüchternheit, mit der dieses Werk verfasst wurde. Für viele Juden in Osteuropa, denen oft Feindseligkeit und Abneigung entgegenstanden, erschien Amerika als ein Land, wo „Milch und Honig fließt“: Die Neue Welt, ein Ort voller unbegrenzter Möglichkeiten und die Chance für einen Neuanfang. Auch die Familie Singer hat dieses Bild vor Augen, als sie ihre Heimat verlassen. Schnell stellt Mendel fest, dass Amerika kein Wunderland ist, kein Garten Eden. Angefangen mit der Wohnsituation, die wenig zufriedenstellend ist, bis hin zum Untergang seiner Familie und Mendels ständiger Sehnsucht nach seiner alten Heimat und seinem Sohn Menuchim – gebündelt lassen die Lebensumstände es nicht zu, dass Mendels Erwartungen erfüllt werden.


    Parallel zu allen Enttäuschungen kommt der Zweifel an Gott hinzu, der mit der Zeit immer mehr zunimmt. Irgendwann kommt es so weit, dass Mendel sogar absichtlich gegen jüdische Vorschriften verstößt und z.B. Schweinefleisch isst, um Gott zu provozieren. Zieht man den Vergleich zum biblischen Hiob, der, ohne gesündigt zu haben, alles verliert, und von Gott die Erklärung erhält, der Mensch könne Gottes Plan nicht verstehen, so wird Mendel keineswegs als ein Abbild vollkommener Frömmigkeit dargestellt. Er sucht nach der Sünde bei sich selbst, glaubt also beispielsweise, sein Leid hätte mit der zerrütteten Ehe zu tun. Hiob zweifelt jedoch nicht daran, im Recht zu sein. Auch gibt es für Mendel keine Offenbarung Gottes, er ist auf sich allein gestellt. Hier hat Roth es geschafft, eine biblische Geschichte geschickt zu verwerten und durch die hergestellte Realitätsnähe auch eine praktischere Lehre hineinzulegen. Da niemand so ideal sein kann wie der biblische Hiob, können die meisten Leser Mendels inneren Konflikt und den Wandel in seiner Einstellung vermutlich besser nachvollziehen.


    Insgesamt ist der Roman für Leser mit einer Vorliebe für ruhige realistische Geschichten mit Tiefgang empfehlenswert. Einerseits zeigt das Buch, dass das Leben nicht immer so schön ist, wie man es gerne hätte, und dass Erwartungen nicht immer erfüllt werden können, man es also am besten zumindest in Kauf nimmt. Ein anderer Aspekt wäre die Fähigkeit zur Selbstkritik, die mit der abgeänderten Darstellung Hiobs einhergeht. Man sollte versuchen, auch mal bei sich Fehler zu suchen, und nicht nur bei den anderen. Dann macht man sich das Leben mit großer Wahrscheinlichkeit erheblich leichter.


    Da ich den Schreibstil teilweise als störend empfand und sich der Roman für mich größtenteils sehr gezogen hat, habe ich mich für :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: entschieden; nichtsdestotrotz ist es sicherlich ein lesenswertes Werk, welches zu Recht das Potenzial hat, Leser für sich einzunehmen und zum Nachdenken zu bewegen.

    :jocolor: Verschwundene Reiche: Die Geschichte des vergessenen Europa // Norman Davies (Projekt)



    You cannot open a book without learning something. - Konfuzius

  • Die folgenden Rezensionen sind Produkte eines Unterrichtsvorhabens (GK Deutsch Q1) zum Roman Hiob. Deren Verfasser durften selbst entscheiden, ob ihre Texte veröffentlicht werden oder nicht. Die Vorgaben zur Gestaltung der Texte war relativ offen, sie entsprechen aber weitgehend dem hier auf buechertreff.de vorgeschlagenen Rezensionsmuster. Wir hoffen, dass die Rezensionen potenziellen Lesern des Romans Orientierung geben können (Achtung: Nicht alle Texte sind spoilerfrei!). Viel Spaß beim Lesen:


    Rezension 1:
    Der Roman „Hiob“, geschrieben von dem jüdischen Schriftsteller Joseph Roth, handelt von dem Leben des Familienvaters und Thoralehrers Mendel Singer, der durch verschiedene Schicksalsschläge begleitet wird. Aufgrund dieser Tatsache, dass er sich von Gott verlassen fühlt, zweifelt auch der fromme Jude im Nachhinein an seinem Glauben.


    Das Buch ist in zwei Teile aufgeteilt. Einmal wird Mendel Singers Leben in Zuchnow beschrieben, im nächsten Teil das Leben in Amerika mit seiner Familie.


    Die zentralen Aspekte des Buches sind nicht schwer zu deuten, da dass Buch von einem gläubigen Familienvater handelt, also der Glaube sehr im Vordergrund steht. Außerdem ist die Reise nach Amerika ein wichtiger Bestandteil des Romans, denn dies zeigt eine Art neuen Lebensweg und wie die Familie ihn aufnimmt.


    Wer sich natürlich für den Autor Joseph Roth interessiert, wird auch in diesem Roman Parallelen zu seinem Leben finden, zum Beispiel, dass der Protagonist wie der Autor einen jüdischen Glauben hat. Somit könnte man auch sagen, dass Joseph Roth hier ein typisch jüdisches Problem von Heimat, Glaube und Familie aufführt. Doch nun stellt sich die Frage, ob Joseph Roth es geschafft hat, das Problem mit den Schicksalsschlägen von Mendel Singer dem Titel „Hiob“ gerecht zu werden.


    Wenn man sich nun den Roman zugelegt hat, wird man wahrscheinlich beim ersten Teil eine nicht allzu großen Enthusiasmus entwickeln. Es kommt einem sehr langweilig vor, denn oftmals werden Passagen d.h. Gedankengänge wiederholt und vor allem das banale Leben in Zuchnow der Familie beschrieben. Auch der einfache Sprachstil lässt einem keine Möglichkeit sich mit manchen Textstellen mehr auseinanderzusetzen, da man teilweise „gezwungen“ ist, die Bedeutung so zu akzeptieren, wie sie geschrieben steht.


    Aber dies ändert sich teilweise im zweiten Teil des Romans. Dieser Teil beschäftigt sich mehr mit Mendel Singers Schicksalsschlägen, die man hier als Hiobsbotschaften bezeichnen kann und das Leben in Amerika. Geht man jetzt nicht auf den Inhalt ein, hat mir die Stimmung gefallen, denn der Autor schafft es mit einfachen Sätzen eine gute, bedrückende Atmosphäre, eine Art Depression, zu erzeugen und die Zweifel Mendel Singers stark zu vermitteln. Man versteht den Protagonisten Singer, seine Lage und wie er sich von Gott verlassen fühlt. Es war nicht der Inhalt, der mich fasziniert hat, sondern wie der Autor es schafft, die geeignete Atmosphäre zu kreieren. Ersteinmal das nicht allzu interessante Leben in Russland und dann das nicht gelobte Leben in Amerika.


    Um ehrlich zu sein möchte ich erwähnen, dass ich das Buch dennoch nicht „verschlungen“ habe und wie skurril das jetzt klingen mag, ist dies ein wichtiges Kriterium, damit ich ein Buch loben kann. Den Roman sollte ich für die Schule lesen und deshalb ordne ich ihn eher in die Kategorie „lesenswerte Schullektüre, aber es gibt bessere“ ein. Hätte ich diesen Roman nicht kaufen müssen, würde ich ihn nie lesen, dennoch ist das Buch nicht schlecht, denn es hängt in erster Linie vom Interesse des Lesers ab, was bei mir nicht der Fall war, da mich Probleme mit dem Glauben nicht interessieren.


    Rezension 2:
    Der Roman „Hiob“ geschrieben von Joseph Roth, erzählt die Familiengeschichte des Religionslehrers Mendel Singer, welche als Beispiel für das Schicksal der ostjüdischen Migranten steht.Mendel, seine Frau und ihre vier Kinder Jonas, Schemarjah, Mirjam und Menuchim führen ein einfaches und glückliches Leben im russischen Zuchnow. Doch durch die Erkrankung von Menuchim wird ihr idyllisches Leben zerstört und die Familie zerbricht. Die Familie zieht ohne Menuchim in die USA, wo sie sich voneinander und ihrer alten Lebensweise noch mehr entfremdeten. Mendel wendet sich durch zahlreiche Schicksalsschläge von Gott ab und gewinnt seine Hoffnung erst wieder, als er seinen verloren geglaubten Sohn Menuchim, der von seiner Krankheit geheilt war, wiedertrifft. Abschließend kann man sagen, dass der Roman „Hiob“ ein von Tragik und Emotionen bestimmtes Buch ist. Dieser Roman entspricht nicht meinem Literaturgeschmack, da er zu emotionsreich ist und zu wenig Handlung besitzt.


    Rezension 3:
    In Moses Joseph Roths "Hiob" (1930) geht es um Mendel Singer, einen normalen Juden aus dem kleinen russischen Städtchen Zuchnow. Dort lebt er mit seiner Frau Deborah und seinen 3 Kindern Jonas, Schemarjah und Mirijam. Als Deborah ihr viertes Kind Menuchim gebirt und bei diesem Epilepsie diagnostiziert wird, beginnt eine Reihe von Schicksaalsschlägen für Mendel.
    Jonas wird eingezogen und muss dem russischen Militär dienen, auch Schemarjah wird eingezogen, kann jedoch nach Amerika fliehen und beginnt dort ein neues Leben als Kaufmann. Mirijam führt einen zügellosen Lebenswandel und lässt sich mit Kosaken ein. Deborah und Mendel entfernen sich voneinander und ihre Liebe erkaltet. Der Familie bleibt nichts anderes übrig als in die USA auszuwandern, um von vorne zu starten. Der kranke Menuchim wird in Zuchnow zurückgelassen.
    Der sonst so glaubensfeste Mendel Singer wird auf eine harte Probe gestellt. Kann er diese überwinden und wird sich sein Leben in Amerika zum guten wenden? Oder setzen sich die Schicksaalsschläge fort und verliert Mendel schließlich seinen Glauben zu Gott?
    Mit 36 Jahren veröffentlichte Joseph Roth diesen sehr tiefgehenden Roman, welcher auf Glaube, Trauer, Hoffnung und das Leben im allgemeinen eingeht.
    Sehr auffallend ist der Glaubenswandel, den Mendel Singer durchläuft. Von einem engstirnigen Juden, der sich voll und ganz an Gott orientiert und sein Leben nach diesem ausrichtet, muss er sich seinem Schicksaal stellen und verändert sich dabei stark. Besonders bei diesem Charakter lassen sich Paralellen zu Joseph Roth selbst ziehen, der ebenfalls Jude ist und sich selbst, genau wie Mendel, die Schuld für den Zusatand seiner Frau (Friederike Reichler) gibt.
    Insgesammt kann man sagen, dass Roths "Hiob" ein sehr lesenswertes Buch ist, das nicht nur mit einer interessanten Geschichte überzeugt, sondern auch mit dem Wandel der Figuren und den zentralen Themen zwar nicht ab der ersten Seite, jedoch nach einiger Zeit fesselt.