Wenn es schon dem Leser schwer fällt, von einer aus vielen Büchern vertrauten Figur Abschied zu nehmen, wie schwer muss es dann erst für einen Autor sein, der jahrzehntelang mit dieser Figur eng verbunden war und sie ständig in seinem Kopf mitschleppte? Genau dieses Gefühl kommt in den ersten 75 Seiten zum Tragen: Mankell erzählt mal dieses, mal jenes aus den letzten acht Jahren, die Kurt nun gealtert ist und in denen sich vieles für ihn verändert hat. Dabei springt er in der Chronologie vor und zurück, erzählt noch ein kleines Geschichtchen vorweg
von der vergessenen Pistole
Mir scheint, als hätte Mankell versucht, sich Mut zu machen und sich warm zu schreiben, ehe er richtig in Wallanders letzten Fall einsteigt. Auch wenn es darin um die schwedische Zeitgeschichte und Politik geht, ist Kurts Jammer über sein Vaterland nicht so laut wie in vergangenen Bänden. Vielleicht, weil er zu sehr mit dem Jammer über sein eigenes Leben beschäftigt ist. Neben seinen Krankheiten, die man seit Mittsommermord kennt, machen ihm vor allem die plötzlichen Abstürze seines Gedächtnisses zu schaffen. Und die Abschiede von allem, was für ihn in seiner Vergangenheit wichtig war, Beziehungen, Wissen, Berufserfolge, Teamarbeit.
In den Fall selbst, dessen Hintergründe auf Fakten basieren, sind, wie schon in manchen Vorgängerbänden, reale Personen verstrickt, und Mankell erklärt im Nachwort, wie er die Verknüpfung von Fiktion und Historie versteht.
Den letzten Abschnitt (vor dem Nachwort) finde ich berührend.
Es scheint, als wollte Mankell Wallander wieder zu sich nehmen : Er hat ihn geschaffen, seinen Lesern "geliehen"; Kurts restliche Zeit "ist keines anderen Menschen Zeit", also auch nicht mehr die des Lesers.