Lenz Koppelstätter - Nachts am Brenner

  • Am Brenner, einem Ort an dem eigentlich niemand verweilen möchte, der nur als Tor vom Norden in den Süden Bedeutung hat, wird die grausam entstellte Leiche eines 87jährigen gefunden.
    Für Commissario Grauner und seinen Kollegen Claudio Saltapepe stellt sich die Frage, wem am Tod eines alten Mannes gelegen sein könnte, der niemandem etwas zuleide tat, allein auf seinem Hof lebte und nur zum Kartenspielen ins Gasthaus kam. Die Ermittlungen führen Johann Grauner tief in die Vergangenheit, in die Zeit unmittelbar nach Kriegsende, als Naziverbrecher häufig über den Brenner zu flüchten versuchten, um Europa auf diesem Wege endgültig den Rücken zu kehren und ihrer gerechten Strafe zu entgehen.
    Doch auch die Schatten aus seiner eigenen Vergangenheit, der jahrzehntelang zurückliegende, unaufgeklärte Mord an seinen Eltern, bedrängen den Commissario immer heftiger. Gemeinsam mit Saltapepe verbeißt er sich in diesen schwierigen Fall, der ihn auch emotional aufs äußerste fordert.



    Nicht nur für Grauner und Saltapepe, auch für den Hörer ist der dritte Südtirol-Krimi von Lenz Koppelstätter eine besondere Herausforderung.
    Abgesehen von der nicht geringen Anzahl an Protagonisten, besteht auch der Handlungsstrang aus mehreren Verläufen auf unterschiedlichen Zeitebenen, denen zu folgen erhöhte Konzentration erfordert. Völlig müßig ist es, sich über den oder die Täter Gedanken zu machen. Bis zum Ende tappt der Hörer im sprichwörtlichen Dunkel, obwohl er gewiss immer wieder eigene Überlegungen anstellen und dabei gekonnt auf falsche Fährten geführt werden wird.
    Sehr gut versteht der Autor die Gegend am Brennerpass zu beschreiben, die keinen Anreiz zum Verweilen bietet. Außer denen, die schon immer da waren, will hier niemand bleiben. Geschickt verbindet Lenz Koppelstätter dieses wenig anziehende Tal in seinem Roman mit dem Schicksal derjenigen, die nichts zu verlieren haben, mit Schmugglern und illegal im Land lebenden Flüchtlingen. Besonders gut ist ihm die Darstellung der afrikanischen Migranten gelungen. Berührend schildert er ihre Hoffnungslosigkeit, ihren unbedingten Willen sich im fremden Land, und sei es am Brenner, eine bessere Zukunft aufzubauen.
    Brisant ist Grauners persönlicher Bezug zum aktuellen Fall, da er eine Verbindung zur Ermordung seiner Eltern vermutet. Durch die inoffiziellen Ermittlungen, die ohne die kollegiale Unterstützung Saltapepes nicht möglich gewesen wären, bildet sich zwischen Grauner und dem sympathischen Neapolitaner eine besondere Vertrauensbasis heraus.
    In diesem dritten Fall der Südtiroler-Krimiserie hat es sich der Autor in keinem Fall leicht gemacht. Der Aufbau der Geschichte ist gut durchdacht, stellenweise aber auch ein wenig verwirrend. Mit einfachen Lösungen gibt sich Koppelstätter nicht zufrieden und sogar der Epilog überrascht noch einmal mit einer unerwarteten Wende.
    Weit entfernt von klischeebehafteten Regionalkrimis hat mich nicht nur die Handlung, sondern auch der lebendige Stil des Autors sehr angesprochen. Unheimlich, spannend und stellenweise auch tiefsinnig versteht Lenz Koppelstätter zu erzählen und die Hörer damit in seinen Bann zu ziehen.

    Als einziger kleiner Kritikpunkt ist mir nur aufgefallen, dass die Ermittler so gut wie keine Ruhepausen haben. Irgendwann sollten doch auch einmal ein Commissario und ein Ispettore eine Mütze voll Schlaf abbekommen und etwas anderes als einen Espresso zu sich nehmen.
    Die Stimme des Sprechers Uve Teschner hat mir ganz ausgezeichnet gefallen. Sein tiefes Timbre passt bestens zu meinen Vorstellungen vom Commissario Grauner und auch den geheimnisvollen Stellen in der Geschichte versteht er mit seiner Vortragsweise die entsprechende Atmosphäre zu verleihen.
    Für das Bemühen des Autors seine Hörer auf hohem Niveau gut zu unterhalten kann es nur die volle Punktezahl :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: geben.

    Liebe Grüße von Lorraine :)


    "Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen." (Karl Kraus) :study: