Daniel Kehlmann - Lichtspiel

  • Kurzmeinung

    eigenmelody
    Kehlmann schreibt in seiner eigenen Liga, Noethen liest in seiner eigenen Liga.
  • Kurzmeinung

    Squirrel
    Vielschichtig, hervorragend geschrieben, lesenswert
  • Ein Buch wie ein Film


    Tief beeindruckt hat mich dieses Porträt, die Erinnerungen des Franz Wilzek wie ein Rahmen um ein Bild. Seine Figur Symbol für das Verschwimmen von Realität und Fiktion.


    Der Erzählstil hat was Filmisches, vor dem Auge entstehen ganz automatisch Bilder, Szenen. Wie ein Spot beim Film begleitet man die einzelnen Personen, wie von ihnen mit einer Handkamera gefilmt ist ihre Perspektive je Szene der Ausgangspunkt.

    Die Figuren kehren ihr Inneres nicht durch das Erzählen des Autors nach außen, sondern man versteht Konflikte, Motivationen, Gedanken allein anhand dessen, was bisweilen geradezu distanziert sachlich beschrieben wird.

    Da gelingt es Daniel Kehlmann beim Abschluss der Szene in einer Pariser Bar Schicksale in wenigen Sätzen zu skizzieren und dabei die Dimension des Grauens dieses Krieges auf den Punkt zu bringen.


    G. W. Pabst begnet der Leser*in als ein Besessener, der sich in die Kunst flieht, gleichzeitig ängstlich und souverän. Seine Frau als Gefährtin, die ihm bedingungslos folgt, der gemeinsame Sohn Teil einer Generation, die kriegslüstern gemacht wurde, um traumatisiert zu enden.


    Ein großes Buch, das die Antwort auf die Frage, was alles unter "Mitwirkung" zählt, offen lässt und dennoch beantwortet.

  • StepfelLiest Bitte den dran, immer die ISBN in die Eingabezeile einzutragen, damit das von Dir rezensierte Buch auch mit verlinkt wird. Ich hab das jetzt für Dich nachgeholt. Außerdem gehört zu einer Erstrezension immer auch eine Inhaltsangabe dazu, damit man erkennen kann, um welche Geschichte es sich handelt und worüber du schreibst.

    Das kann mit eigenen Worten erfolgen oder mittels Zitat. Auch das hab ich hier für Dich nachgeholt. :wink:

    Zitat von Amazon

    Einer der Größten des Kinos, vielleicht der größte Regisseur seiner Epoche: Zur Machtergreifung dreht G. W. Pabst in Frankreich; vor den Gräueln des neuen Deutschlands flieht er nach Hollywood. Aber unter der blendenden Sonne Kaliforniens sieht der weltberühmte Regisseur mit einem Mal aus wie ein Zwerg. Nicht einmal Greta Garbo, die er unsterblich gemacht hat, kann ihm helfen. Und so findet Pabst sich, fast wie ohne eigenes Zutun, in seiner Heimat Österreich wieder, die nun Ostmark heißt. Die barbarische Natur des Regimes spürt die heimgekehrte Familie mit aller Deutlichkeit. Doch der Propagandaminister in Berlin will das Filmgenie haben, er kennt keinen Widerspruch, und er verspricht viel. Während Pabst noch glaubt, dass er dem Werben widerstehen, dass er sich keiner Diktatur als der der Kunst fügen wird, ist er schon den ersten Schritt in die rettungslose Verstrickung gegangen.

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • Filmkunst zu Zeiten des NS-Regimes – interessant!


    Eingebettet in historische Ereignisse des Nazi-Regimes breitet sich die Familiengeschichte rund um den roten Regisseur G. W. Pabst aus, begleitet von vielen Filmgrößen der damaligen Zeit z.B. Schauspielerinnen wie Greta Garbo, Käthe Dorsch, Hilde Krahl, Henni Porten oder Kollegen wie Leni Riefenstahl. Es geht auch um den Begriff von Kunst und ihre eigene Sprache, z.B. durch Beleuchtung oder besonderes Cutting. Filmkunst im Nazi-Deutschland überlebte zwar, jedoch blutig und verdreckt durch die Abnahme des jeweiligen Films durch die Zensur mit dem NS-Prädikat ‘Staatspolitisch und künstlerisch wertvoll‘. Durch die kraftvolle Sprache und die lebendigen Figuren direkt am Set oder im persönlichen Umfeld der Familie Pabst wird die äußerst missliche Lage mit all ihren Zwängen und Ängsten klar nachfühlbar. Mit der letztlich entscheidenden Rolle des Kameraassistenten Franz Wilzek kommt besonders in Bezug auf den zum Kriegsende unvollständig gebliebenen Film DER FALL MOLANDER ein unerwarteter Twist in all diese politischen Machtspiele. Eine dramatische Geschichte zwischen Realität und Fiktion – interessant nicht nur für Filmfans.

  • Nichts ist in Ordnung. Nichts


    Mit einem inneren Monolog eines gebrechlichen, griesgrämigen alten Herrn, der sich im Laufe der Zeit als ehemaliger Regieassistent G.W. Pabsts entpuppt, steigt Daniel Kehlmann ein in die Geschichte. Ganz leicht macht es uns der Autor nicht, der Handlung zu folgen. Sein filmreifes Skript baut das Geschehen aus verschiedenen Facetten auf, die vieles, auch die vollständigen Namen der Akteure, nur andeuten. Stück für Stück kristallisieren sich die Licht- und Schattenseiten der im Berichtszeitraum noch jungen Filmindustrie in Deutschland, den USA und Frankreich heraus, wo der künstlerisch bis heute anerkannte, inzwischen aber ein bisschen in Vergessenheit geratene Regisseur seine Erfahrungen sammelte, getrieben vom Schicksal, das die Weltgeschichte vorgab, aber auch von seinem eigenen Enthusiasmus.


    Wie Künstler als Renommiergestalten verbrecherischer Regime vom Staat in die Mangel genommen wurden, hat Julian Barnes ganz großartig in seinem Werk über Schostakowitsch dargestellt - doch hier verhält es sich anders, weil hier anscheinend mehr Freiwilligkeit statt Zwang die Rolle spielt. Pabst ist getrieben durch die Umstände, aber zurück in die sicheren USA zu reisen ist keine Option, denn da konnte er sich in seiner Kreativität nicht wunschgemäß entfalten.


    Und so geht er Kompromisse ein, die bald die Grenze der Korrumpierbarkeit überschreiten. Wir begegnen Berühmtheiten wie Greta Garbo, Helmut Käutner, Veit Harlan, Leni Riefenstahl, Bernhard Minetti und anderen. Unter anderem stellt der englische Schriftsteller P.G. Wodehouse eine tragische Figur dar, den die Nazis ebenfalls vor ihren Karren spannten. Daraus entspringt ein wahres Kabinettstückchen in dem Kapitel, in dem dieser voll bitterer Ironie und wahrlich decouvierend eine Filmpremiere in Salzburg rezensiert.


    Über die Technik des Filmemachens habe ich so manches Neue erfahren durch die Anteilnahme an Pabsts Überlegungen während seines Schaffensprozesses, in dem er nichts dem Zufall überließ, sondern seinem virtuos eingesetzten Handwerkszeug.


    Pabst geht die Kunst über alles, dabei kann sich bei ihm keinerlei Empathie entwickeln, selbst in der Endzeit des Zweiten Weltkriegs nimmt das eine derartige Eigendynamik an, dass er schließlich die Absurdität auf die Spitze treibt.


    Inwieweit man alle erwähnten Fakten wirklich beweisen kann, sei dahingestellt. Es liegt hier kein Sachbuch vor, sondern meiner Meinung nach ein literarisches Meisterwerk in Form und Aussage, dessen Lektüre ich nachdrücklich empfehle.

    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: 978-3-498-00387-6

  • Als die Nazis in Deutschland an die Macht kommen, dreht G. W. Pabst gerade in Frankreich. Da an eine Rückkehr nicht zu denken ist, macht er sich auf nach Hollywood, wo er auch eine Chance bekommt. Aber er kann seine Vorstellungen nicht durchsetzen und so wird der Film ein Flop. Damit ist er in dem Filmparadies gescheitert und kann auf keine Hilfe hoffen. Als er ein Telegramm von seiner kranken Mutter erhält, reist er nach Österreich, jetzt Ostmark genannt. Die Machthaber wollen ihn für neue Filme gewinnen. Zunächst lässt er sich auf die Angebote nicht ein, doch dann ist Krieg de und die Grenzen sind geschlossen. So kommt es, dass er sich doch auf die Anfragen einlässt. Für Propagandafilme steht er zwar nicht zur Verfügung, aber für ihn ist wichtig, dass er wieder drehen kann.


    Eingerahmt wird die Geschichte des berühmten Regisseurs G. W. Pabst durch die fiktive Figur des Franz Wilzek, der mit Pabst beim verschollenen Film "Der Fall Molander" zusammengearbeitet hat.


    Erzählt wird diese Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven und so lernte ich Georg Wilhelm Pabst kennen, der mir aber dennoch immer ein bisschen fremd blieb. Er hat schon früh erkannt, wie er Menschen dazu bringt, das Beste vor der Kamera aus sich herauszuholen. Obwohl er in der Weimarer Republik sehr berühmt war, so blieb er beim Filmen selbst stets im Dunkeln. Mir kam Pabst oft ein wenig naiv vor. Das ging los mit seinen Verhandlungen in Hollywood, wo er aufgrund fehlender Sprachkenntnisse sich nicht durchsetzen kann. Dann reist er zurück, weil seine kranke Mutter einen Hilferuf losgeschickt hat, was ihn ehrt. Doch er hätte erkennen müssen, dass er wahrscheinlich nicht mehr ohne Weiteres ausreisen kann. Aber ganz besonders hätte er sehen müssen, dass man nicht für die Nazis Filme drehen kann ohne sich zu korrumpieren. Man spürt, wie zerrrissen er ist, aber für ihn geht das Filmemachen über alles. Seine Familie tat mir oft leid. Trude hat es nicht leicht mit ihm und seiner Besessenheit. Sie sieht, dass er in Gedanken ständig bei einer anderen - Louise Brooks – ist. Aber auch für seinen Sohn Jakob ist es nicht leicht und so wird er ein begeisterter Anhänger des Regimes und zieht sogar in den Krieg.


    Daniel Kehlmann ist ein meisterhafter Erzähler, der kein Urteil über seine Figuren fällt. Er überlässt es dem Leser, sich selbst seine Gedanken darüber zu machen, was Pabst für ein Mensch war und was man im Namen der Kunst tun darf.


    Ein tiefgründiger und lesenswerter Roman.


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  • Ich bin ja in der Regel immer sehr vorsichtig, wenn Bücher so sehr beworben oder gefeiert werden und sich gefühlt die halbe Welt einig ist, dass es sich um DAS Buch der Stunde handelt. Deshalb bin ich auch recht lange um das neue Buch von Daniel Kehlmann herumgeschlichen. Am Ende war ich dann aber doch einfach zu neugierig, um es nicht doch zu lesen. Am Ende hat mich das Buch sehr begeistert und es hat sich zu einem meiner Jahreshighlights entwickelt.

    Wie genau allerdings die historischen Details sind vermag ich nicht zu beurteilen. Dazu sind meine Kenntnisse über Filmgeschichte einfach zu gering.

    Mir haben die verschiedenen Perspektiven, aus denen die Geschichte erzählt wird, sehr gut gefallen. Dadurch ergaben sich für mich immer wieder neue Blickwinkel. Ein wirklich toller Erzählstil. Prägnante Szenen, die auf den ersten Blick unglaublich leicht erscheinen. Und hinter aufgesetzter und natürlich gekünstelter Heiterkeit verbergen sich menschliche Abgründe, NS-Ideologie, Macht und blanker Hass. Da ist zum Beispiel die schon vorab häufig besprochene Szene in Goebbels Büro. Jeder wird beim Lesen unweigerlich Goebbels' Gesicht vor Augen haben und seine fanatischen Reden. Und dieses skurrile Gespräch, in dem nicht einmal explizit gedroht wird. Und doch spürt man sofort mit welchen Machtbefugnissen Pabst' Gegenüber ausgestattet ist, kleine Machtspielchen werden vor seinen Augen durchgeführt und man weiß als Leser sofort, welche Konsequenzen es jetzt hätte, würde Pabst an dieser Stelle ablehnen.

    Szenen wie diese finden sich immer wieder im Buch und ich finde sie unheimlich gut geschrieben, ich musste mehrfach tief durchatmen. Manchmal sind diese Momente auch eher subtil untergebracht und fast überliest man sie. Aber irgendwie bleibt man dann doch dran hängen, hält Inne und wird sich dann erst der ganzen Bedeutung einzelner Sätze bewusst.


    Am Ende kann ich die Hauptfigur des G.W. Pabst für mich persönlich noch immer nicht einordnen. Er verlässt Hollywood vordergründig aufgrund seiner Erfolglosigkeit. Aber ist das wirklich alles? Ist die Sorge um seine Mutter wirklich so groß, wie er es überall verlauten lässt? Oder ist nicht doch das angekratzte Ego des großen und genialen Regisseurs ausschlaggebend, der Wunsch als große Persönlichkeit gesehen zu werden? Er ist für mich eine ambivalente Figur, schwer zu erfassen und manchmal auch schwer zu verstehen. Wenn er seine Umgebung in Kameraeinstellungen wahrnimmt, habe ich mich schon gefragt, ob neben seinen Filmen noch Platz ist für andere Dinge oder Menschen. Eine Mischung, die mich immer wieder dazu gebracht hat meine Sicht auf Pabst und sein Handeln zu überdenken.


    Es wimmelt nur so von Namen anderer Regisseure, Drehbuchautoren und Schauspielern. Und ich hatte schon lange nicht mehr so viel Spaß dabei, nebenher Personen und deren historische Einordnung nachzuschlagen. Für mich ist "Lichtspiel" ein rundum gelungenes Buch.

  • dunkles Kapitel der Filmindustrie

    Selten hat mich ein Buch bereits am Anfang so verwirrt wie dieses hier, aber dies ist ja auch kaum verwunderlich, wenn der Erzähler aus einer dementen Figur heraus erzählt. Zum Glück hielt diese Phase nur kurz an.


    Im eigentlichen Roman ging es um eine Regisseur im Dritten Reich, G. W. Papst. Dieser war bereits in Klauen der Nazis entkommen und in Amerika eigentlich schon in Sicherheit. Auch wenn er dort in Sicherheit war, hatte er dort schlicht und einfach keinerlei Erfolg. Wie er dann durch einen wirklich faulen Trick wieder nach Österreich gelockt wird, tritt er „unter Druck des Propagandaministeriums“ in dessen Dienst.


    Zum einen sieht man zwar in welcher Zwickmühle die Hauptfigur, aber auch wie Papst doch ein Opportunist ist und das System so nutzt, wie er es braucht. Er nutzt die Gelder um seine Filmprojekte zu verwirklichen. Ob seine Statisten da auch aus eigenen Antrieb freiwillig mitwirken interessiert ihn null. Er lebt in seiner eigenen Welt und blendet alles andere halbwegs aus. Er nimmt den Krieg in dem sich Deutschland befindet als Widrigkeit war. Aber das scheint ihn nicht wirklich zu tangieren solange er nur drehen kann. Was ihn so wirklich aus der Bahn haut ist, wie sein Film verschwindet.


    Auch wenn das Thema dieses Romans ein recht schwieriger Stoff ist, habe ich den Roman sehr gerne gelesen. Nur den Hauptprotagonisten habe ich nicht wirklich etwas abringen können. Da er schlicht und einfach ein Egoist und Opportunist vor dem Herrn war.


    Fazit: Der Roman beleuchtet ein düsteres Thema der Filmbranche zu Nazizeiten. Zeigt unter welchen Bedingen Dreharbeiten erfolgten und auch die Einflussnahme von der Partei. Mit den Figuren bin ich gar nicht warm geworden. Dennoch war es interessant zu lesen.

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