Claire Keegan – Reichlich spät / So late in the day / Misogynie

  • Kurzmeinung

    Farast
    Keegan ist eine Meisterin der kurzen Form. Die Geschichte hallt lange nach.
  • Kurzmeinung

    tom leo
    Wird durch das Ende und mit Abstand zum Lesen immer besser....
  • Original: Englisch/Irland, 2022 (Veröffentlichung im The New Yorker);

    1.Buchveröffentlichung: Französisch, 2022


    INHALT:

    Dieser 29.Juli ähnelt einem gewöhnlichen Tag im Leben von Cathal. Gerade mal wirkt er ein wenig durcheinander in seinem Dubliner Büro, wo er sich zerstreut der Beamtenaufgaben entledigt. Dann nimmt er den Bus nach Hause, wo seine Aufmerksamkeit flüchtig von einem Duft abgelenkt wird.

    In seinem Haus in Wicklow erscheinen ihm die Stille und Leere besonders an diesem Tag. Er schmeisst sich in die Couch und schaut eine Doku über Prinzessin Diana, fasziniert von deren Heirat, wo er sich doch bislang nie für die königliche Familie interessiert hatte…

    (Quelle: gekürzter franz.Klappentext, Behelfsübersetzung von mir)


    BEMERKUNGEN:

    Zum zwanzigjährigen Bestehen ihres französischen Verlags erhält dieser diese kleine Novelle, gerade mal 45 Seiten lang. Quasi zwischen den Zeilen und nach und nach entfaltet sich ein kleiner Einblick in das Leben dieses Mannes, Cathal. Im Laufe des Tages, bis hin zur späten, beschwipsten Nacht, schaut er auch zurück auf seine Beziehung mit Sabine, die er zwei Jahr zuvor kennengelernt hatte. Dabei wird viel suggeriert, subtil angedeutet: Keegan schlägt nicht mit dem Vorschlaghammer zu! Doch der französische Titel scheint es - vielleicht zu eindeutig? - anzudeuten: Voreingenommenheit, Frauenfeindlichkeit ist hier das Thema. Diese braucht sich nicht nur in Extremhandlungen auszudrücken, sondern auch anders.

    Was ist das nur für ein Tag, wo irgendwie der Wurm drin ist?


    Vielleicht ein bisschen wenig Buch für den Preis, aber die Qualität macht’s wett. Tolle und feine Schreibe. Dieser Frau traut man noch allerhand grosse Würfe zu!


    AUTORIN:

    Claire Keegan wurde 1968 geboren und ist eine irische Schriftstellerin. Sie ist das jüngstes Kind einer zahlreichen katholischen Familie in der irischen Grafschaft Wicklow, wo sie auf einem Bauernhof auch aufwuchs. Mit 17 Jahren geht sie in die USA. Nach einem Studium der Politikwissenschaft an der Loyola University of New Orleans/Louisiana erwarb sie 1992 einen Masterabschluss an der University of Wales, Cardiff, in kreativem Schreiben sowie am Trinity College Dublin einen M.Phil.


    Sie wurde hauptsächlich durch ihre Kurzgeschichten bekannt.


    Détails sur le produit

    Éditeur ‏ : ‎ SABINE WESPIESER (5 mai 2022)

    Langue ‏ : ‎ Français

    Broché ‏ : ‎ 64 pages

    ISBN-10 ‏ : ‎ 2848054549

    ISBN-13 ‏ : ‎ 978-2848054544

    Poids de l'article ‏ : ‎ 80 g

    Dimensions ‏ : ‎ 14 x 0.5 x 18.3 cm

  • Die Veröffentlichung auf Deutsch ist für März angesagt!!! Bitte an einen Mod, die Fredüberschrift zu erweitern. Danke!

  • Squirrel

    Hat den Titel des Themas von „Claire Keegan – So late in the day/Misogynie“ zu „Claire Keegan – Reichlich spät / So late in the day / Misogynie“ geändert.
  • Das Buch erscheint am 20.03.2024.


    Klappentext (gekürzt):


    Freitag, der 29. Juli in Dublin. Das Wetter ist wie vorhergesagt, die Stadt vor Cathals Bürofenster liegt in gleißendem Sonnenschein. Nach einem scheinbar ereignislosen Tag mit Budgetlisten und Bürokaffee nimmt Cathal den Bus nach Hause. Die Landschaft zieht an ihm vorüber, die waldigen Hügel, auf denen er noch nie gewesen ist, und er denkt an Sabine. Die ein bisschen schielt und die gut kochen kann, die auch im Winter barfuß am Strand spazieren geht, die die Hügel besteigt. Die zu viel Geld ausgibt und zu viel Raum einnimmt und zumindest über die Hälfte von allem bestimmen will. Die Frau, mit der er hätte sein Leben verbringen können, wäre er ein anderer Mann gewesen.



    Mein Lese-Eindruck:


    Der kleine ´Roman beginnt mit einer alltäglichen Szene: ein Mann sitzt an einem Schreibtisch im Büro und ist mit der Buchhaltung beschäftigt. Diese alltägliche Szene entwickelt sich zu einem Blick auf Cathals Leben. Absatz für Absatz wird der präsentierte Alltag dubioser. dubioser. Warum meidet Cathal die Begegnung mit anderen? Warum ist sein Chef so fürsorglich-freundlich? Was ist passiert? Satz für Satz dringt der Leser in die Situation ein, und dieses Eindringen wird umso intensiver, als die Autorin strikt bei Cathal als Erzählinstanz bleibt und das Geschehen und die Rückblicke immer durch Cathals Bewusstsein laufen lässt.


    Zunächst ist der Leser auf Cathals Seite und empfindet Mitleid mit ihm, aber dieses Mitleid wandelt sich allmählich in Befremden, wenn Cathal auf die Beziehung zu Sabine zurückschaut. Das Befremden steigert sich bei seinem Rückblick auf seine eigene Kindheit. In subtilen Formulierungen, fast wie hingetupft, entwickelt die Autorin das Bild eines misogynen Mannes, der von Kind auf lernte, Frauen zu verachten. Seine Verachtung zeigt sich jetzt nicht mehr in Gewalt, sondern in Geiz und Egozentrik. Er ist enttäuscht, weil seine Partnerin zu viel Geld für Lebensmittel ausgibt; er fühlt sich gestört, weil sie eigene Möbel in den Haushalt mit einbringt; er ist verärgert, weil sie eigene Kontakte knüpft, kurz: er hat sie sich anders vorgestellt und ist enttäuscht, weil sie sich seinen Erwartungen nicht anpasst.


    Erst im letzten Satz lässt der Erzähler den Leser direkt in den Abgrund blicken, um den es geht. Und der Leser bleibt betreten zurück, da er bei Cathal keinerlei Selbstreflexion oder Entwicklung erkennen kann.


    Ein desillusionierender Blick auf die irische Männerwelt.

    Claire Keegan ist eine wunderbare Erzählerin Wie sie behutsam von der Anfangsszene weg quasi den Schleier über dem Alltag hochhebt, wie sie einen kleinen Einblick nach dem anderen gewährt und den Leser so zu einer unverstellten Gesamtschau führt – das ist ihr grandios gelungen. Jedes Wort sitzt, kein Satz und keine Szene sind zuviel, ihre wohltuend klare Sprache begeistert mich nicht zum ersten Mal!


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Inhalt
    Cathal hat einen durchschnittlichen Büroberuf und erledigt an einem Sommertag Routine-Arbeiten. Seine Kollegin betont, dass er nicht bleiben müsse – wie fürsorglich von ihr. Etwas Außergewöhnliches scheint passiert zu sein. Im Rückblick verfolgen wir, wie der alterslos wirkende Mann die Französin Sabine kennenlernt und sie bei ihm einzieht. Irgendetwas scheint mit ihrer Beziehung ganz und gar nicht in Ordnung zu sein; denn Cathal spricht auf sonderbare Art an Sabine vorbei, nicht mit ihr. Einen Mann, der nörgelt und nicht beim Geschirrspülen hilft, hatte Sabine sich jedenfalls nicht vorgestellt …


    Fazit
    In Claire Keegans meisterhafter Kurzgeschichte ist kein Wort zu viel. Sie baut ein bedrohliches Szenario auf, in dem ich zunehmend mit dem Schlimmsten rechnete – und demaskiert kürzestmöglich Cathals Frauenfeindlichkeit.


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Naylor - Die Stimme der Kraken

    :musik: --


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Claire Keegan ist eine Meisterin der kurzen Erzählform. Dabei lässt sie vieles angedeutet, nichts wird bis zum Schluss ausgearbeitet. Damit schafft sie ihren Lesern Raum für eigene Gedanken und Rückschlüsse.


    Auch in dieser Geschichte ist es so. Es geht darum, dass man Cathal an einem Freitag, den 29. Juli begleitet. Ein normaler Arbeitstag wie es erst erscheint, mit nicht gerade aufregenden Aufgaben. Cathal fährt nach Arbeitsschluss durch eine traumhaft schöne Landschaft nach Hause und nach und nach erfährt man, dass es eigentlich sein Hochzeitstag gewesen wäre. In Rückblicken bekommt man Einblicke wie er Sabine kennengelernt hatte, wie sie Zeit miteinander verbracht haben und wie es zur Verlobung kam. Doch warum scheiterte die Beziehung und was hat es mit dem Thema Misogynie zu tun?


    Stück für Stück trägt sich das Puzzle zusammen bis zum Schluss. Wieder gibt es über die Lektüre hinaus einiges zum Nachdenken. Keegan hat eine wundervolle Art gleichermaßen leicht wie auch sehr dicht zu schreiben. Ich liebe das sehr. Tatsächlich habe ich die Geschichte dreimal gelesen und immer wieder neues darin entdecken können. Ich kann diese kurze, aber eindrückliche Erzählung absolut empfehlen und vergebe hier sehr gerne 5 Sterne.

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


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