Silvie ist siebzehn und verbringt den Sommer in einem Camp - aber es handelt sich nicht um ein gewöhnliches Ferienlager, sondern um ein Projekt eines Geschichtsprofessors, der zusammen mit einigen Studenten eine Zeitlang wie in der Eisenzeit leben will. Silvies Vater ist begeisterter Hobbyarchäologe und -historiker und mit dem Professor befreundet und hat deshalb Frau und Tochter mit in das Lager geschleppt.
Wirklich begeistert ist Silvie nicht, doch sie hat aus bitterer Erfahrung gelernt, sich ihrem Vater lieber nicht zu widersetzen. Sie freundet sich mit den Studenten an, insbesondere mit der freimütigen Molly, die nicht davor zurückschreckt, auf die Regeln zu pfeifen und sich zwischendurch mal im Supermarkt mit Chips und Limo einzudecken, und ist hin- und hergerissen zwischen den Anforderungen ihres Vaters und dem Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben.
"Ghost Wall" ist nur ein schmales Büchlein von etwa 150 Seiten, doch Sarah Moss packt unheimlich viel in diese kurze Form hinein, in der klaren, direkten Sprache, die ich bei ihr so gerne mag. Erst allmählich wird klar, was für ein Typ Silvies Vater ist und wie er mit harter Hand seine Frau und seine Tochter beherrscht und klein hält - und dass für Silvie der Spagat zwischen Gehorsam dem Vater gegenüber und dem natürlichen Abnabelungsprozess richtiggehend gefährlich werden kann.
Ein eindrucksvolles Buch, das fesselt und aufwühlt und trotz seiner Kürze eine große erzählerische Wucht hat.