Sansibar oder der letzte Grund

Buch von Alfred Andersch

Zusammenfassung

Inhaltsangabe zu Sansibar oder der letzte Grund

»In einer kleinen Stadt an der Ostsee treffen zufällig sechs Gestalten zusammen: ›Der Junge‹; Gregor, der KPD-Funktionär; Judith, die Jüdin; am Ort selbst befinden sich der Pfarrer Helander; Knudsen, der Fischer und Kutterbesitzer; als letzter die Holzplastik des ›Lesenden Klosterschülers‹. Und diese sechs Gestalten haben kein anderes Anliegen, als Deutschland zu verlassen… Alfred Anderschs großes Buch von Sansibar ist ein Mißtrauensvotum ersten Ranges gegen unser behäbig aufgeblasenes ›Volk der Mitte‹.«
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Bewertungen

Sansibar oder der letzte Grund wurde insgesamt 34 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 3,4 Sternen.

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Meinungen

  • Das graue düstere Leben in totalitären Systemen

    Aladin1k1

Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Sansibar oder der letzte Grund

    […]
    […]
    Nachdem ich das Buch nun beendet habe, lese ich die Kommentare hier im Thread und bin ein wenig erstaunt: Wie kann denn dieses Meisterwerk aus der Zeit gefallen sein, die Thematik veraltet? Oder die Umsetzung nicht mehr zeitgemäss?
    Die bemängelten Punkte empfand ich gerade als Pluspunkte: Die Geschichte wird gleich aus mehreren Perspektiven erzählt; so erhält der Leser einen umfassenden Blick aus Sicht verfolgter Gruppen (Kommunisten, Juden, Katholiken, etc) ohne einen Hauptprotagonisten allzusehr durch die Gesellschaft "treiben zu lassen". Mag sein, dass man sich damit nicht mit einer bestimmten Figur identifiziert, aber Sympathieträger gibt es dennoch ein paar in der Geschichte.
    Zudem finde ich es äusserst passend, Anfang, Ende und Gegner nicht erklären zu wollen. Die Anderen (als Nazis o.ä. werden sie nie genannt) sind einfach da. Wie sie an die Macht kamen, ist egal. Sicher ist, dass viele Menschen unterdrückt werden, weil sie Minderheiten angehören. Zusammengenommen gibt es aber viele Minderheitsgruppen, und wenn sie ihre jeweiligen Ressentiments beiseite legen, können sie auch etwas gegen den gemeinsamen Feind erreichen.
    Und der offene Schluss gefiel mir ebenfalls ausserordentlich. Es gibt doch nichts Schlimmeres, als wenn der Autor noch alles erklären möchte: Es geht darum die Holzplastik zu retten, dazu bedarf es überraschenderweise ein temporär zusammengewürfeltes Team, das sich nach der Mission auch wieder trennen muss - in alle Winde verstreut.
    Dieses Verallgemeinernde macht den Text zudem universell. Kommunisten, Juden, Künstler, usw wurden ja nicht nur von den Nazis in den 1930/40er Jahren gejagt. Die Anderen als abstrakte Masse, die nicht greifbar ist, die aussieht wie alle Menschen, die dort leben - einfach diese Unsicherheit, welchen Mitmenschen man sich noch anvertrauen kann, und welche ehemaligen Weggefährten einen nun aus Angst verraten könnten - das ist doch ein spannendes, zeitloses Thema.
    Für mich ist dieser Roman auf einer Höhe mit bspw Anna Seghers "Das siebte Kreuz".
    Zudem fühlte ich mich sprachlich und vom Setting der norddeutschen Hafenstadt her an manche Texte von Siegfried Lenz erinnert Wer diese beiden Autoren mag, wird wohl auch gefallen an "Sansibar oder der letzte Grund" finden.
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  • Rezension zu Sansibar oder der letzte Grund

    ### Inhalt ###
    1937 in Rerik, ein kleines Dorf an der Ostseeküste ist Schauplatz einer Begegnung von fünf völlig verschiedenen Menschen mit einem Ziel: Nicht unter die Räder zu geraten im Machtkampf zwischen „der Partei“, dem kommunistische Zentralkomitee, und „den Anderen“, vermutlich den Nazis. Die Protagonisten: Gregor, der intelligente unauffällige Parteiabtrünnige, der endlich alles lesen können möchte, was er will, die Jüdin Judith, die auf der Flucht ist, nachdem der Selbstmord ihrer Mutter ihr dadurch den letzten Grund gab zu fliehen, der Pfarrer Helander, der seine heilige Figur, den lesenden Mönch, unbedingt vor dem Zugriff der Anderen schützen will, Knudsen, der alte Fischer, der einfach nur in Ruhe gelassen werden will, um seine geisteskranke Frau pflegen zu können und der Schiffsjunge, der raus will aus dem langweiligen Rerik und die Welt sehen will.
    ### Meinung ###
    Das Büchlein liest sich relativ flüssig. Mir gefällt der stete Wechsel der Perspektiven zwischen den Protagonisten. Ein Buch, das die bedrückenden Lebensumstände unter der Herrschaft totalitärer Systeme aufzeigt, ein Kaleidoskop der Gefühls - und Wahrnehmungswelt verschiedenster betroffener Menschen. Es werden die Fragen beantwortet:
    Wie verhalten sich Menschen in einem solchen System?
    Welche Menschentypen sind besonders betroffen?
    Als Leser stellt man sich selber die Frage:
    Wie verhält man sich unter diesen Lebensumständen richtig?
    Gibt es in so einer Situation ein Richtig und Falsch?
    Der Autor liefert meiner Meinung nach mit Gregor einen Wink: Im Kleinen und unauffällig können (und sollten) wir gegen „die Anderen“ wirken, was natürlich nicht möglich ist, wenn man nicht unabhängig ist, wenn man sich um andere sorgt.
    Ich sage, am besten lassen wir es nie soweit kommen: Nie sollte es zu Machtkonzentrationen und damit Willkür kommen.
    ### Fazit ###
    Die Gefühlswelt von Menschen, die in totalitären System leben müssen. Ein düsteres unüberwindbares graues Bild der Allmacht mit kleinen Lichtpunkten hier und da.
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  • Rezension zu Sansibar oder der letzte Grund

    In der kleinen Stadt an der Ostsee treffen zufällig sechs Gestalten zusammen: Der Junge Gregor, der KPD-Funktionär; Judith, die Jüdin; am Ort selbst befinden sich Pfarrer Helander; Knudsen der Fischer und Kutterbesitzer; als letzter die Holzplastik des lesenden Klosterschülers. Und die sechs Gestalten haben kein anderes Anliegen, als Deutschland zu verlassen. Anderschs großes Buch von Sansibar ist Mißtrauensvotum ersten Ranges gegen unser behäbig-aufgeblasenes Volk der Mitte.
    Ein Buch über das Mitgefühl mit den Verfolgten Hitler-Deutschlands. So unterschiedlich all die Personen auch sind, so leiden sie doch an den Zuständen in einem Land, das von den Anderen (das sind die deutschen Faschisten) beherrscht wird und darin zeigt sich schon die einzige Gemeinsamkeit: So, wie die Herrschenden, sind all die Protagonisten nicht. So ist nicht Gregor, der intellektuelle Funktionär der KPD, so ist nicht der Junge, der von Freiheit und Abenteuern träumt, so ist nicht Judith, schon allein aufgrund ihrer Herkunft, so ist auch nicht der anti-kommunistische Pfarrer Helander, der doch noch Christ geblieben ist und so ist auch nicht Knudsen, der als hart arbeitender Fischer ohnehin gegen "die da oben" ist. Aber 1937, wo die Hoffnung auf einen Frieden ohne vorherigen Krieg zerschlagen ist, da sind sie alle in gewisser Weise gelähmt von den Verhältnissen. Wo keine Aussicht auf einen Sieg ist, da ist auch kein Geist um zu kämpfen und Mitkämpfer zu finden. Eine vage Hoffnung bleibt ihnen allen jedoch - schließlich sind sie noch Mensch - und diese Hoffnung führt sogar Gegner zusammen. Der bürgerliche Antikommunist Helander geht auf den kommunistischen Fischer Knudsen zu um etwas (die Holzplastik des "entarteten Künstlers" Barlach) zu bewahren. Der kommunistische Intellektuelle geht auf die unpolitische & verwöhnte bürgerliche Judith zu - um ihr das Leben zu retten, das sie selbst in ihrer Naivität und Unbedarftheit nicht wirklich zu bewahren weiss. Und der Junge verlässt seine Träume und kehrt - anhand des erlebten Abenteuers der Rettung von Judith und dem "Klosterschüler"? - in die reale Welt ein, in dem Gefühl, dass hauptsächlich innerer Widerstand und allein das Bewahren von Menschlichkeit im "dritten Reich" schon Abenteuer ist. Schon diese Freiheit muss unter dem, die menschlichen Regungen lähmenden, Regime erkämpft werden.
    Andersch schreibt individualisierend - gab es denn damals auch wirklich noch etwas anderes? - und verzichtet somit auf jegliche Erklärung warum es so kam. Er personalisiert auch nicht "die Anderen" - sie sind einfach präsent, man meint fast wie ein Fäulnisgestank der durchs Land weht. Er stellt - sicherlich auch politisch im Mief der 50er nicht falsch - das Mitgefühl mit den Personen in den Vordergrund. Er verfasste keine himmelsschreiende Anklage des Unrechts - die sah man damals ja des öfteren verhallen - er schrieb da eine leise Anklage, ein leichtes Rütteln am Gewissen und an den Gedanken der unzähligen Mitläufer, die zu weit in Angst und Lethargie versanken um die Notwendigkeit von Menschlichkeit, oder so eine grundlegende menschliche Regung wie Mitgefühl, zu behalten.
    Zu Zeiten des Schreibens mag er vollauf Recht gehabt haben so zu schreiben, wie er schrieb (sonst wäre sein Roman wohl auch niemals, so hörte ich, Schullektüre geworden) - heute scheint das fast etwas zu wenig gewesen zu sein und der Ekel vor den Faschisten etwas zu sehr gedämpft zu sein. Nichtsdestotrotz überzeugt der Roman durch seine Einfühlsamkeit und seine Sprache - und vor allem auch durch die zeitlosen Träume und Sehnsüchte des Jungen.
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Ausgaben von Sansibar oder der letzte Grund

Taschenbuch

Seitenzahl: 192

Hardcover

Seitenzahl: 175

Hörbuch

Laufzeit: 00:05:25h

E-Book

Seitenzahl: 132

Sansibar oder der letzte Grund in anderen Sprachen

  • Deutsch: Sansibar oder der letzte Grund (Details)
  • Englisch: Sansibar oder Der Letzte Grund (Details)

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