Max, der Schlawiner

Buch von Isaac Bashevis Singer, Gertrud Baruch

Bewertungen

Max, der Schlawiner wurde insgesamt 3 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 4,8 Sternen.

(3)
(0)
(0)
(0)
(0)

Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Max, der Schlawiner

    Autorenporträt (nach Hanser-Klappentext und dtv-Verlagsseite): Isaac Bashevis Singer wurde am 14. Juli 1904 in Radzymin in Polen geboren und wuchs in Warschau auf. Er erhielt die traditionelle jüdische Erziehung und besuchte ein Rabbinerseminar. Mit 22 Jahren begann er, Gedichte zu verfassen und für eine jiddische Zeitung in Warschau zu schreiben, erst auf hebräisch, dann auf jiddisch. 1935 emigrierte er in die USA und gehörte dort bald zum Redaktionsstab des „Jewish Daily Forward“. Nicht zuletzt für seine Verdienste um die Bewahrung der jiddischen Sprache und Geisteswelt erhielt er 1975 den National Book Award und 1978 für sein Gesamtwerk den Nobelpreis für Literatur. Für Aufsehen sorgten auch die Verfilmungen seiner Werke „Feinde, die Geschichte einer Liebe“ und „Jentl“. Am 24. Juli 1991 starb Singer in Miami, Florida.
    Inhalt (Hanser-Klappentext): Er ist schon ein rechter Schlawiner, dieser Max Barabander. Nach dem Tod des einzigen Sohnes, Arturo, läßt er seine gramgebeugte Frau in Buenos Aires zurück, um in das polnische Städtchen Roszkow zu reisen, um das Grab seiner Eltern zu besuchen. Aber er bleibt in Warschau hängen, wo er sich in seiner Jugend als Dieb durchgeschlagen hatte. Obwohl er in Amerika ein vermögender und angesehener Herr geworden ist, zieht es ihn zurück in sein altes zwielichtiges Milieu – und ehe er sich versieht, ist er wieder in allerhand dubiose Händel verstrickt. Sein Leben lang ist Max ein Weiberheld gewesen, aber mit siebenundvierzig Jahren befürchtet der plötzlich, impotent zu werden und stürzt sich von einem erotischen Abenteuer ins andere.
    Er verliebt sich in Zirele, die züchtige Tochter eines gestrengen Rabbi, gibt sich gar als Witwer aus und verspricht ihr die Ehe. Doch gleichzeitig bandelt er auch mit Reizl Kork an, der Geliebten eines berüchtigten Ganoven der Warschauer Unterwelt, und diese gewitzte und lüsterne Person nützt ihre erotischen Erfolge zu allerlei selbstsüchtigen Intrigen gegen ihn aus. In seiner Sexbesessenheit treibt er es auch mit Esther, der vernachlässigten Bäckersfrau, und mit der blutjungen Basche, einem ausgebeuteten Dienstmädchen. Er gerät in den Bann eines unheimlichen Hellsehers und, wie könnte es anders sein, macht sich auch an Theresa heran, dessen Medium. Er wird der Gefangene seiner tollkühnen Schwindeleien und versucht sich durch immer neue Flunkereien aus diesem Schlamassel herauszuwinden.
    Und so, wie er die Frauen egoistisch und leichtfertig benutzt hat, um seinen Komplexen zu entfliehen, versuchen die Frauen, von seiner Großsprecherei geblendet, ihn zu benutzen, um ihren eigenen Leben zu entkommen. Das alles kann nur ein schlimmes Ende nehmen – doch dessen groteske Umstände sollen hier nicht verraten werden. Armer Max. Sollen wir ihn verachten oder bemitleiden?
    Die amerikanische Originalausgabe dieses Romans erschien 1991 wenige Monate vor Singers Tod bei Farrar, Straus & Giroux in New York unter dem englischen Titel „Scum“. Diese Ausgabe war selber die Übersetzung der jiddischen Originalfassung, vorgenommen durch Rosaline Dukalsky Schwartz, deren Titel „Shoym“ lautet. Geschrieben hat Singer den Roman bereits als relativ junger Mann kurz nach seiner Emigration in die USA. Die deutsche Übersetzung der englischen Fassung besorgte Gertrud Baruch. Veröffentlicht wurde sie 1995 unter dem Titel „Max, der Schlawiner“ im Hanser-Verlag. Diese Ausgabe umfasst 264 Seiten.
    Dem Roman vorangestellt ist das folgende Zitat aus „Der Tod des Methusalem“, einer Kurzgeschichte Singers:
    […]
    Die Inhaltsbeschreibung klingt launiger als der Roman ist. Glaubt man ihr, könnte man die Figur des Max Barabander fast für einen vergnügungsüchtigen Luftikus halten, der er meiner Meinung nach nicht unbedingt ist - im Grunde ist er nicht schlimmer, als der "Mensch an sich". Ein Getriebener ist er, aber in der Tiefe seiner Seele sehr traurig, einsam und verwirrt. Er ist wahrlich kein Prahlhans, kein Haudrauf, der mit seinen Liebschaften spielt - auch wenn er sie in diesem Roman eigentlich alle betrügen wird -, fast schüchtern erscheint er manchmal und überrascht über die Dinge, die um ihn herum passieren, ohne dass er auf sie selber Einfluss zu haben scheint. Dass er auf seine eigenen Komplexe und seine Umwelt dabei recht oberflächlich und - bei allen Gedanken, die er sich macht - unüberlegt reagiert, manchmal fast hysterisch, muss man ihm allerdings zum Vorwurf machen!
    Er, der 47-jährige Geschäftsmann Max, kehrt in seine alte Heimat nicht zurück, um es „nochmal krachen“ zu lassen. Nach dem Tod seines Sohnes und in der Mitte seines eigenen Lebens, zu einigem Wohlstand gekommen, aber mit seiner Frau Rochelle, die er schon aus der Zeit seiner kriminellen Vergangenheit kennt, in einer nicht mehr erfüllenden Ehe verbunden, sucht er in der bekannten Ferne nach einem neuen Lebenssinn. Er, der verweltlichte Jude, kehrt 1906 in das jiddische Milieu Warschaus zurück, um von dort weiter in sein kleines Heimatdorf zu reisen, um zum ersten Mal das Grab seiner orthodoxen Eltern zu besuchen. Seine „neue“ Familie in Argentinien löst sich auf, da versucht er auf diese Weise, in der alten Heimat an seine alten Wurzeln anzuknüpfen. Wie in vielen von Singers Roman geht es also auch in „Max, der Schlawiner“ um den Gegensatz von Tradition und Moderne, den Gegensatz von Orthodoxie und individueller, weltgewandter Lebensanschauung.
    Max, der frühere Dieb und etwas windige Geschäftsmann, der in den letzten Jahren ehrbar geworden zu sein scheint, besucht seine alte Gegend mit offenen, neugierigen Augen und ist bass erstaunt, wie bunt und freundlich das Leben auf den Straßen und in den Kaffeehäusern ist, wie lebendig das jiddische Alltagsleben erscheint, das hier im Gegensatz zur neuen Welt Amerikas noch Bestand hat. Sofort kommt er mit Leuten in Kontakt, wird zu ihnen an Tische gebeten, zu Abendessen und auf Nachttrünke eingeladen, führt gute Gespräche wie unter alten Freunden. Während ihn neue Lebendigkeit durchströmt, bleibt es nicht aus, dass er, der seit einiger Zeit von Impotenz geplagt ist, auch einigen Frauen schöne Augen macht. Beim Schöneaugenmachen bleibt es nicht – und hier fängt Max an, sich erneut in seiner Lebensführung zu verheddern: Die einmal geäußerte Unwahrheit, er wäre ein einsamer Witwer, kann schwerlich zurückgenommen werden; bald hegt er ernste Heiratsabsichten mit der gerade erwachsen gewordenen Tochter eines Rabbiners, macht schon Versprechungen, den Vater finanziell zu unterstützen, steigt aber auch der Bäckersfrau nach, trifft ein kumpelhaft handfestes Ganovenliebchen, die, als verführerische Femme fatale, in ihrer Bekanntschaft zu Max eine eigene Suppe zu kochen hofft: Mit ihr zusammen soll er gewissermaßen als Zuhälter junge Frauen als Prostituierte nach Amerika schleusen - was er im Grunde auf keinen Fall tun möchte. Mit diesem Hintergedanken kommt es zu einem Treffen mit einem Dienstmädchen, während er sich außerdem an eine Frau hängt, die ihm als spirituell begabtes Medium eigentlich beantworten sollte, ob ihn seine Frau nicht mit einem Fluch verhext hat, und die für ihn darüberhinaus Kontakt mit dem Geisterreich aufnimmt, wobei sie ihm eine Botschaft von seinem Sohn übermitteln kann …
    In jeder Frau scheint für Max zunächst eine rosige Zukunft zu liegen, jede zwischenmenschliche Begegnung ist ihm ernst und teuer, niemandem will er schaden, bis ihm irgendwann immer wieder Zweifel kommen und er glaubt, das langsam immer wackliger werdende Lügengebäude nicht mehr aufrecht erhalten zu können - und er sich in der Folge lieber woanders umschaut nach dem Glück. Die charakterliche Zeichnung der Hauptfigur stellt gewissermaßen das männliche Klischee auf den Kopf, wie es in vielen Romanen und Filmen der westlichen Welt breitgetreten wird, das einen Mann dabei zeigt, wie er konsequent einer einmal getroffenen Entscheidung folgt. Das Verhalten von Max folgt eher weiblichen Literatur-Stereotypen: Er hadert, überlegt hin und her, verwirft bereits gertroffene Entscheidungen nach einem ersten Hoch wieder und weiß nie, ob er gerade das Richtige tut. Schön, diese menschlichen Eigenschaften auch mal über einen Mann zu lesen!
    Der Roman ist sehr dicht erzählt; spannend, leichtfüßig und lebensklug werden interessante moralische und charakterliche Dilemmata eingeflochten. Die Handlung folgt fließend den Gängen der Hauptfigur und fängt dabei den Straßen- und Alltagstrubel der Szenerie wie eine Filmkamera ein, läuft mal hierhin, mal dort eine Treppe hinauf, blickt einmal in dieses Wohnzimmer, ein anderes Mal in jenes Leben hinein, während sich die Hauptfigur immer mehr in Versprechungen verstrickt: Hilflos sucht er Halt, macht überall Zusagen, knüpft neue Beziehungen, die älteren Verbindungen im Weg stehen - und macht dadurch alles nur noch schlimmer. Ein Fabulierkunstwerk, das kein schönes Ende nehmen kann. Und sitzt man als Leser nach dem Zuklappen des Buches da und versucht, für sich das Schicksal des Max Barabander zu deuten, ist es sicherlich hilfreich, sich erneut das vorangestellte Zitat zu vergegenwärtigen. Der Abschaum des Originaltitels und das Gegenteil von Gottes Weisheit, Gnade und Pracht. Und die Menschen krauchen immer weiter herum, strampeln und straucheln und machen immer wieder die gleichen blinden Fehler. Selbstverschuldete Hilflosigkeit. Anstatt die Probleme tiefgründig anzupacken, werden immer neue Bemäntelungen gewählt und Zuflucht zu scheinbarem Trost gesucht.
    Ein tolles Buch, so viel Klugheit gegossen in eine so leicht scheinende, sehr unterhaltsame, zerbrechliche Form.
    Weiterlesen
  • Rezension zu Max, der Schlawiner

    Buchinhalt:
    Nach dem Tod seines einzigen Sohnes Arturo läßt Max Barabander seine Frau Rochelle in Buenos Aires zurück und reist nach Warschau. Er will das Grab seiner Eltern in dem polnischen Städtchen Roskow besuchen. In seinen Jugendjahren ein Dieb ist er in Argentinien zu Wohlstand und Ansehen gelangt. Doch kaum in Warschau angekommen, zieht es ihn zurück in sein altes Milieu.
    Max war früher ein Weiberheld. Nun ist er 47 Jahre alt und hat angst impotent zu werden. Die Ärzte sagen es liege an den Nerven. Er macht Kuren, aber nichts hilft und so stürzt er von einem erotischen Abenteuer ins andere.
    Zirele, der tüchtigen Tochter eines gestrengen Rabbis, verspricht er die Ehe. Gleichzeitig bandelt er mit Ester, einer vernachlässigten Bäckersfrau an, läßt sich mit Reize Korck, der Geliebten eines Ganoven ein und plant mit ihr dubiose Geschäfte, wobei er die junge, unerfahrene Basche, ein Dienstmädchen, für sich gewinnt. Durch die Zeitung kommt er zu einem Hellseher und plant schließlich mit dessem Medium Theresa die Zukunft. Immer wieder versucht er aus diesem Schlamassel heraus zu kommen, verstrickt sich aber erneut in seinen Flunkereien. Den Besuch zum Grab seiner Eltern verschiebt er von einem Tag zum anderen.
    Um seinen Komplexen zu entfliehen, nutzt er die Frauen aus. Das macht ihn jedoch nicht unsympathisch, denn die Frauen machen es ihm leicht und versuchen durch ihn ihrem düsteren Schicksal zu entkommen.
    Max nach außen eine imposante Gestalt ist im innern unsicher, ja manchmal hilflos den Geschehnissen ausgeliefert, denen er oft naiv gegenübertritt.
    Das Ende der Erzählung ist grotesk, aber unvermeidbar.
    Der Autor:
    Isaac B.Singer ist 1904 in Polen geboren und verbrachte seine Jugend in Warschau. 1935 ist er in die USA emigriert. Er erhielt 1975 den National Book Award und 1978 den Nobelpreis für Literatur. Er starb im Juli 1991.
    Die Erzählung ist ein Meisterwerk. Mit Komik und Tragik zugleich erzählt Singer die Geschichte von Max Barabant, dem jüdischen Gauner und Schwindler in Warschau, wobei er den Einblick in den jüdischen Alltag zu Anfang des 20.Jahrhunderts gibt. Für Nichtjuden (Goi) werden im Glossar die jüdischen Begriffe erklärt.
    Ein brilliant erzähltes Werk mit lebhafter Sprache, das man nicht mehr aus der Hand legen möchte. Eine absolute 5 Sterne Empfehlung von mir!
    Leider befürchte ich, daß das Buch nur noch antiquarisch zu kaufen ist, (habe es auf einem Bücherflohmarkt entdeckt-was Leute so alles hergeben?) aber wie man mir bestätigte, ist es häufig in vielen Stadtbibliotheken erhältlich.
    Gruß Wirbelwind
    Doris Lessing, Das fünfte Kind
    Weiterlesen

Ausgaben von Max, der Schlawiner

Hardcover

Seitenzahl: 264

Taschenbuch

 

Besitzer des Buches 9

Update: