Eigentlich hätte ich dieses Buch auch direkt zu den "Klassikern" setzen können, denn dort sollte es meiner unmaßgeblichen Meinung nach so bald wie möglich landen.
Die Welt feiert – oder begeht – William Shakespeares 400. Todestag dieses Jahr und so hat Hogarth sich entschlossen, eine Reihe von Dramen des großen Barden durch sehr etablierte Schriftstellerin-nen und Schriftsteller neu bearbeiten zu lassen – in der Regel in Prosa-Form. Eine der Autorinnen, die dafür unter anderem angesprochen worden ist, ist die Kanadierin Margaret Atwood, die einige Menschen für eine der intelligentesten Personen der Welt halten – so sehr, dass viele Reporter Angst davor haben, sie zu interviewen, da sie dafür bekannt ist, unvorbereitete Interviewpartner mental zu zerlegen. Da erscheint es mehr als natürlich, dass sie sich dem Shakespeare-Stück widmet, dass die meisten für das Schwierigste und undurchdringlichste halten – The Tempest/Der Sturm.
Klappentext (meine Übersetzung):
'Es ist ein Gewitter
darin. Und Rache.
Auf jeden Fall Rache."
Felix ist auf dem Höhepunkt seines Schaffens als künstlerischer Leiter des Makeshiweg Theater Festivals. Seien Produktionen haben erstaunt und verwirrt. Nun führt er einen "Sturm" auf, wie keinen zuvor: nicht nur wird er seine Reputation in die Höhe schießen lassen, sondern ihm auch dabei helfen, einige emotionale Wunden zu heilen.
Oder zumindest ist das der Plan gewesen. Stattdessen lebt Felix nun, nach einem Akt des unvorhergesehenen Betrugs, im Exil in einer hinterwälderischen Hütte, verfolgt von Erinnerungen an seine geliebte, verlorene Tochter Miranda. Und auch von dem Wunsch nach Rache.
Nach zwölf Jahren bekommt er endlich seine Chance in Form eines Theaterkurses in einem nahegelegenen Gefängnis. Hier werden Felix und seine Häftlingsschauspieler seinen "Sturm" auf die Bühne bringen und die Verräter einfangen, die ihn zerstört haben. Es ist Magie! Aber wird es Felix aus dem Dreck heben, während seine Widersacher stürzen?
Margaret Atwoods Interpretation dieses Schauspiels Shakespeare über Verzauberung, Rache und zweite Chancen führt uns auf eine interaktive, illusionsdurchwirkte Reise voller ganz eigener Überraschungen und Wunder.
Zur Autorin (meine Übersetzung):
Margaret Atwood ist die Autorin von mehr als 40 Büchern in den Bereichen der Fiktion, der Dichtung und des kritischen Denkens, einschließlich Die Geschichte der Dienerin, den Bookergewinner The Blind Assassin, der MaddAddam-Trilogie und ihres letzten Romans The Heart Goes last. Ihr Werk hat weltweit viele Preise gewonnen. Sie hat als Cartoonistin, Illustratorin, Librettistin, Theaterautorin und Puppenspielerin gearbeitet.
Ihre erste Begegnung mit Shakespeare fand in den 1950ern an ihrer High School in Toronto statt und sie hat ihn beständig als einen der wichtigsten Einflüsse auf ihr eigenes Werk bezeichnet. "'Der Sturm' ist, in einer Art, ein multimediales Musical. Wenn Shakespeare heute arbeiten würde, würde er wohl jeden Spezialeffekt verwenden, der zur Verfügung steht. Aber 'Der Sturm' ist auch besonders interessant, weil er so viele Fragen offen lässt. Was für ein aufreibendes Vergnügen es doch gewesen ist, mit ihm zu kämpfen."
Eigene Beurteilung:
Ähm, ja. Und auch, es zu lesen. Wenn nicht bald jemand Frau Atwood den Literaturnobelpreis gibt, dann kann ich diese Institution wirklich nicht mehr ernstnehmen. Aber zurück zum Buch:
Zum Inhalt möchte ich hier gar nicht mehr soviel sage, denn der Klappentext macht das eigentlich schon sehr gut. Darum hier nnur noch meine allgemeinen Betrachtungen:
Anschließend an das, was der Klappentext beschreibt kann man sehr detailliert und genau beobachten, wie man eine Gruppe von Laiendarstellern mit höchst eigenen Befindlichkeiten auf die Aufführung eines großen Bühnenstücks vorbereiten kann und auch, wie sehr diese Arbeit, die Felix wie einen Literaturkurs in der Schule aufzieht, diese Menschen, deren Leben oft schon ziemlich dramatisch gewesen sind, verändern kann. Und in diesem Prozess entsteht zwischen dem Regisseur und seinen Obsessionen und den Interessen und Vorlieben seiner Schauspieler eine ganz eigene Interpretation von „Der Sturm“, der alle Beteiligten und auch die Zuschauerschaft nachhaltig beeinflussen wird.
Die Geschichte, die nach einem Schimpfnamen für Caliban benannt ist, setzt Felix in mehr als einer Hinsicht in die Rolle des Prospero, des Magiers, der mit seiner Tochter Miranda auf einer zauberhaften Insel im Exil lebt und der auf Rache an seinen Peinigern sinnt, die ihn in dieses Exil gebracht haben. Nach gewohnt intensiver Recherche aller relevanter Aspekte durch die Autorin sieht man hier nicht nur, wie überhaupt eine Theaterproduktion abläuft, sondern auch, wie dies im Sinne der Fortbildung und Alphabetisierung von Straftätern im Rahmen des kanadischen Strafvollzugs geschieht – und wie „Der Sturm“ interpretiert werden kann. Ein sehr liebevolle und sehr dichte Bearbeitung dieses Stoffs und der Begleitaspekte, die durch eine Zusammenfassung des eigentlichen Stücks abgeschlossen wird. Einmal mehr hat Margaret Atwood bewiesen, dass es höchste Zeit ist, ihr den Literaturnobelpreis zu verleihen. Extrem lesenswert – auch für Leute, die bis dahin noch gar kein Shakespeare genossen haben.