Kapitel 14
Mendel ist fertig mit Gott. Teilweise habe ich ja lachen müssen: da geht er ins italienische Viertel und isst Schweinefleisch, "um Gott zu ärgern". Also glaubt er immer noch, dass Gott ihn im Blick hat?
Sein Unfromm-Sein schmerzt ihn allerdings, und er merkt, dass Gott sein Verhalten egal ist: ob er fromm war wie früher oder rebellisch wie jetzt, Gott ist es wurscht.
Seine Nachbarn sehen in ihm eine Art Gottesbeweis: sie haben Mitleid, das auch, aber sie bewundern ihn auch als Auserkorenen für die Grausamkeit Gottes.
Wahrscheinlich sind sie froh, dass der Zorn Gottes Mendel getroffen hat und nicht sie selber, nach dem Spruch: Heiliger St. Florian, verschon mein Haus, zünd's andere an!
Mendel ist allerdings sehr tätig, er verdient sich etwas als eine Art Tagelöhner, aber Menuchim ist allgegenwärtig.
Aber er bleibt einsam. Seine dunkle Stube wird umfunktioniert als Betsaal - wieso gingen die Junden nicht so gerne in die Synagoge? - , alle sind weiß gekleidet - und nur Mendel steht da "schwarz und stumm" wie eine Säule aus Basalt. Roth nutzt hier wieder den starken Schwarz-Weiß-Gegensatz. Er sondert sich ab von der Gemeinschaft der Betenden und verharrt in seinem Trotz.
Roth vergleich ihn mit einem "alten abseitigen Haus", und kurz davon bezeichnet er ihn als "baufällig". Merkwürdige Vergleiche aus dem Bauwesen, aber sie treffen.
Nur die Musik ist es, die ihn berührt. Er singt fremde Kinder mit Menuchims Kinderlied in den Schlaf, die Sehnsucht nach Menuchim scheint ihn aufzuzehren. Die Musik ist es dann auch, die sein verhärtetes Inneres etwas aufbricht und die auch wieder soziale Kontakte zu den Nachbarn herstellt. Und das Lied heißt tatsächlich "Menuchims Lied".
Dieses Lied begleitet ihn nun ständig, und in der "blauen und silbernen Melodie" hört er das Wimmern seines zurückgelassenen Kindes.
Wie Roth immer wieder die Sehnsucht des Vaters nach seinem kranken Kind beschreibt, das finde ich bemerkenswert. Niemals rutscht er ab ins Gefühlsduselige, ins Triviale, und trotzdem geht mir als Leser der Schmerz des Vaters an die Seele.