Elisa Shua Dusapin - Ein Winter in Sokcho / Hiver à Sokcho

  • Original : Französisch, 2016


    INHALT :
    In Sokcho, einer kleinen koreanischen Hafenstadt nahe der nordkoreanischen Grenze, trifft eine junge franko-Koreanerin einen Comic-Zeichner aus der Normandie. Dieser sucht hier Inspiration für seinen kommenden Band. Der Winter überzieht alles, die Kälte verlangsamt das Leben. Fische können giftig sein, Körper voller Schmerzen. Und die Tinte kratzt und zeichnet auf dem Papier… Eine zarte, zerbrechliche Verbindung tut sich auf zwischen den beiden von solch unterschiedlicher Herkunft. Gehen sie aneinander vorbei oder ergreifen sie die Môglichkeit ?
    (inspiriert vom franz. Klappentext ; eigene Behelfsübersetzung)


    BEMERKUNGEN :
    Die Ich-Erzählerin arbeitet beim Herbergenbesitzer Monsieur Park und kehrt zum Wochenende bei ihrer Mutter ein. Jene ist Fischverkäuferin auf dem Markt, ihrer Tochter sehr verbunden. Es gibt aber einen gewissen Widerstand auf seiten der Tochter (woher ihre Probleme mit unkontrollierbaren Fressattacken?). Die Heirat mit dem Mannequin Jun-Oh scheint sich abzuzeichnen, doch gleichzeitig auch hier, angedeutet in feinen Strichen, eine Form von Dissonanz, nicht vollkommener Harmonie. Ihr Vater, ein Franzose, war schnell verschwunden. Dennoch : Ihr Interesse und ihr vorhergehendes Studium in Seoul der französischen Literatur. Bestehende Frage im Herzen, Leerraum ?


    Doch dieser kurze Roman in der undefinierbaren Länge so vieler kleiner koreanischer Werke, setzt woanders ein : die Ankunft eines inspirationssuchenden französischen Comiczeichners (graphic novel?). Auch hier : selsame Dissonanz, ein aneinander Vorbei und dennoch ein Angezogensein. In der für viele von uns fremden Szenarie des fernen Koreas eine Form des tanzenden Balletts ? Dabei wird das Erzählte nie zum allgemein üblichen Ablauf einer erotisch sich entwickelnden Liebesbeziehung (von Ferne erinnerte mich dies an die Atmosphäre von "In the Mood for Love" von Wong Kar-Wai?).


    Die Sätze oder Satzeinheiten sind kurz und mE vsehr verständlich ; da gibt es kein Auffahren von grossen Geschützen. So kommt das Buch in gewissem Sinne sprachlich einfach daher und ist eher eines der leisen Töne. Wer das grosse Trara sucht ist hier falsch am Platz. Aber wer innehält und die angedeuteten oder unausgesprochenen Gesten, Worte etwas tiefer verstehen kann, offenbart sich eine junge Autorin, die vielleicht nicht zu Unrecht den Robert-Walser-Preis für dieses Werk erhalten hat.


    Das Buch fällt aus dem Rahmen des so allgemein üblichen und hat mir gefallen. Davon mal ganz abgesehen, dass es ganz in Sokcho/Korea spielt und mich an meine längeren Aufenthalte in diesem Land erinnerte.


    AUTORIN :
    1992 geboren, hat Elisa Shua Dusapin eine südkoreanische Mutter und einen französischen Vater. Sie wächst zwischen Paris, Séoul und Porrentruy auf, wo sie im Jahre 2011 das Abitur macht. Sie hat ein Diplom am Schweizer Literaturinstitut von Bienne (Heimatstadt Robert Walser!). Sie schrieb ein Musikereignis mit dem Sänger Thierry Romanens. 2014 arbeitete sie als Schauspielerin in der Kompanie « Sturmfrei » unter der Regie von Maya Bösch. « Hiver à Sokcho » ist ihr erster Roman.



    Taschenbuch: 144 Seiten
    Verlag: ZOE EDITIONS (19. August 2016)
    Sprache: Französisch
    ISBN-10: 2889273415
    ISBN-13: 978-2889273416

  • Und endlich mal eine gute Nachricht! Ein übersetztes Buch! Es kam neulich unter dem Titel:

    Ein Winter in Sokcho raus:


    Im eiskalten Sokcho, einem Küstenort kurz vor Nordkorea, begegnen sie sich: die junge Angestellte der Pension und der Künstler aus der Normandie. Während er die Stille von Sokcho zum Zeichnen sucht, möchte sie ihr entfliehen. Mit jedem Gespräch, jedem Spaziergang durch das winterliche Nirgendwo kommen die beiden einander näher. Zwei Gestrandete, die sich nach einem Neuanfang sehnen und ihn jeder auf seine Weise wagen.

    „Ein erster Roman von einzigartiger Schönheit.“ Le Figaro Littéraire

  • Mario

    Hat den Titel des Themas von „Elisa Shua Dusapin – Hiver à Sokcho“ zu „Elisa Shua Dusapin - Ein Winter in Sokcho / Hiver à Sokcho“ geändert.
  • Gerade gelesen, dass Dusapin ein neues Buch herausgebracht hat, nun mal zunächst auf Französisch. Die Kritiken sind gut.


    Claire passe l'été chez ses grands-parents à Tokyo. Son idée : convaincre son grand-père de quitter quelque temps le Pachinko qu'il gère ; aider sa grand-mère à mettre ses affaires en ordre ; et les emmener revoir leur Corée natale, où ils ne sont pas retournés depuis la guerre, il y a cinquante ans. Le temps de les décider à faire ce voyage, Claire s'occupe de Mieko, une petite Japonaise à qui elle apprend le français.

  • Nachdem vor kurzem seine Frau gestorben ist, braucht der alte Herr Park Hilfe in seiner Pension an der südkoreanischen Küste. Die junge Icherzählerin nimmt den Job als Köchin und Mädchen für alles in ihrem Heimatort an – notgedrungen vermutlich. Ihre Mutter, die die Tochter allein aufgezogen hat, arbeitet in Sokcho auf dem Fischmarkt und lebt in einem winzigen Kämmerchen über der Fischhalle. Im Sommer kommen Touristen in den Ort, um an den Strand zu gehen, den Nationalpark in der Nähe zu besuchen und per Fernglas auf die stacheldrahtbewehrte Grenze zu Nord-Korea zu blicken. Wer im schneidend kalten, nebligen Winter nach Sokcho kommt, sucht in dem kleinen Ort Ruhe oder versteckt sich hier vor der Welt.


    Einer der wenigen Gäste der Pension ist ein Comic-Zeichner aus Frankreich, der dringend den nächsten Band seiner Reihe fertigstellen muss. Auch wenn Yan Kerrand das koreanische Essen der jungen Frau beharrlich boykottiert und sich aus Fast-Food-Kartons ernährt, interessiert er sich notgedrungen für die Gegend. Er braucht dringend den Hintergrund für seinen Comic. Die Pension besteht u. a. aus einem Stelzenbau, eine wahrhaft ungewöhnliche Kulisse. Die Schönheit seiner winterlichen Umgebung scheint der Zeichner noch nicht wertzuschätzen, setzt sie jedoch in Gedanken sofort in ein gezeichnetes Universum um. Die Icherzählerin ist Tochter eines Franzosen, den sie nie kennenlernte. Sie hat gerade in Seoul ihr Koreanisch- und Französisch-Studium abgeschlossen. Beste Voraussetzungen, um sich mit dem Fremden zu unterhalten, sollte man annehmen. Doch zunächst beäugen die beiden sich vorsichtig distanziert, ehe sie miteinander ins Gespräch kommen.


    Einen bemerkenswert umfangreichen Einfluss auf die Handlung haben Werte und Einstellungen, die außerhalb der unmittelbaren Begegnung zwischen den jungen Leuten liegen. Die Mutter der Erzählerin drängt sie, endlich zu heiraten und taxiert förmlich ihren Marktwert. Der potentielle Bräutigam Jun-oh wiederum erwägt eine Schönheitsoperation, um seinen Wert als Model auf dem internationalen Markt zu steigern. Schließlich besinnt die junge Frau sich auf die international verständliche Sprache des Kochens und Essens – und die kurze Erzählung kommt zu einem überraschenden Ende.


    Fazit

    In Elisa Shua Dusapins kurzem Roman wird viel geschwiegen, angenommen und gehofft. So meint die junge Frau, die Frankreich nur aus Romanen kennt, sie würde das Land verstehen, weil sie selbst am Meer aufgewachsen ist. Anstatt den Fremden zu fragen, warum er keine Frauen zeichnet, sucht sie selbst nach einer möglichen Antwort. Sehr dicht und stimmungsvoll formuliert – Respekt!

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Naylor - Die Stimme der Kraken

    :musik: --


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Wenn du hier :arrow:https://www.migrosmagazine.ch auf online blättern gehst (ziemlich weit runterscrollen), die PLZ 2000 eingibst, das PDF hochlädst, findest du auf Seite 10 einen Artikel über diese Autorin. Weiß jetzt nicht, ob das bei dir klappt :-k

  • Schöner Artikel, freddoho , danke! Und ich denke mit Nostalgie an eine verpaßte Chance... Denn die gemachte Reise von Dusapin über Moskau und via Transibirischer Eisenbahn nach Wladiwostok, und von dort aus per Schiff nach Südkorea (Busan normalerweise), hatte ich vor einem Dutzend Jahre selber machen wollen. Ist garnicht so teuer... Doch es hätte circa neun bis zehn Tage gefressen. Schade, ich bedauere es noch immer!