Ron Carlson - Return to Oakpine

  • Kurzmeinung

    taliesin
    Ein herausragendes Leseerlebnis mit wunderbar gezeichneten Charakteren und Stimmungen.
  • Original : Englisch/USA, 2013


    INHALT :
    Dreißig Jahre nach ihrer gemeinsamen Jugendzeit, dem letzten Jahr am College und dem gemeinsamen Spielen in einer Rock'n Roll Band, kommen vier alte Freunde in Oakpine/Wyoming wieder zusammen : Craig und Frank sind in der Heimatstadt geblieben ; Mason ist in Denver Rechtsanwalt und kehrt heim in Familiengeschäften. Jimmy aber war nach der Schule definitiv verschwunden, lebte in New York und wurde ein bekannter Schriftsteller. Nun kehrt er zurück, um zu sterben. AIDS. Die alten Freunde finden sich wieder…


    BEMERKUNGEN :
    Das Leben in einer fiktiven Kleinstadt Wyomings, Oakpine : umgeben von Wäldern und noch in einer gewissen Geborgenheit des Sich-Einander-Kennens. Jimmy, in New York bekannt gewordener Schriftsteller und Journalist, ist schwer und im Endstadium an AIDS erkrankt Er kehrt nun am Ende der 90iger Jahre nach dreissig Jahren Abwesenheit mit Ende des Sommers zurück in seine Heimatstadt. In den ersten von elf Kapiteln (+ ein Epilog) des Buches verfolgen wir mal diesen, mal jenen der vier nunmehr circa 49-jährigen Freunde : langsam nähern sie sich an, treffen sich zunächst zu zweit, knüpfen alte Freundschaften an. Alle stecken sie auf die ein oder andere Weise in Entscheidungsprozessen und Wendepunkten, sei es beruflich, sei es in ihren Beziehungen zu ihren Frauen. Da sind Craig, der « Bursche, der im Dorf geblieben ist » und einen Baumarkt besitzt und seine Frau Marcie (die in ihrer Ehe kriseln, da Marcie mit ihrem Museumsdirektor liebäugelt) ; da ist Mason, der aus Denver zeitgleich zurückkommt, um sich um das vererbte Elternhaus zu kümmern und nun erneut Geschmack am « richtigen Leben » bekommt, sich neu verliebt ; da sind Frank, der Barbesitzer, dessen Ehe mit Kathleen vor zwei, drei Jahren auseinanderbrach und seine viel jüngere Lebensgefährtin Sonny. Jimmy ist Hauptfigur ohne dass er doch dauernd den Platz beansprucht : aber im Raum steht natürlich seine ihn stark schwächende AIDS-Krankheit, sein Schreiben (das insbesondere Wendy und Mason aus dem Herzen spricht, da es von ihnen handelt), seine Spannungen mit dem Vater, sein Vertrauen in die Mutter, das Drama vor dreissig Jahren und natürlich seine Homosexualität.


    Träume und Erwartungen prägen sie. Und nun die gemeinsamen Erinnerungen an das letzte gemeinsame Jahr in Oakpine, im Jahr ihres Schulabschlusses 1969. Da hatten sie eine gemeinsame Rock'n Roll Band gebildet und Freundschaft pur gekannt. Dann geschah etwas Dramatisches, das sie auseinanderbrachte, bzw Jimmy Hals über Kopf die Stadt verlassen liess. Wir erspüren es schon in den Eingangsseiten.


    Fragen und Suchen, Ankommen und eventueller Neuanfang stehen nun wieder an. Und kumuliert einerseits in einem « Fest Babettes », einem Festessen, in dem man offen die Karten, Ungesagtes, auf den Tisch legt, als auch andererseits der Neuauflage der alten Band…


    Doch Carlson baut noch andere Ebenen ein, stellt uns plötzlich in einer Viererbande von Freunden von « heute » eine Art Neuauflage vor : da ist Larry, der Sohn von Craig und Marcie; sein Freund Wade, der sich seiner Freundin Wendy zu heftig aufdrängt ; eben diese, die sich dem älteren Jimmy nähert und bei ihm sich Tipps fürs Schreiben holt ; die schöne Klassenbeste Stefania…


    Ein Buch über Freundschaft, das Schreiben, die Musik, den nahenden Tod, Football… und bei dramatischen Ereignissen irgendwie seltsam Frieden ausstrahlend. Sympathische, wenn auch nicht spannungslose Charaktere bestimmen das Bild. Es herrscht nicht die bedrückende Atmosphäre vieler heutigen urbanen Romane, sondern trotz aller eventuellen Muffigkeit die Schönheit eines Lebens irgendwo in den Weiten (mag ja sein, dass manch ein Leser das dann unrealistisch findet?). Vielleicht gehört deswegen dieser Roman in seiner französischen Ausgabe zu einer Serie des « nature writing ». Der Autor hat mich mit diesem Roman berührt. Dies wunderte mich nicht mehr zu sehr nachdem ich ihm im Frühjahr bei einer Autorenlesung in einer Stadt der Umgebung begegnen konnte. Nach Worten suchend, alle Fragen ernstnehmend, strahlte dieser Mann eine Ruhe und auch einen Frieden aus.


    Beeindruckend.


    AUTOR :
    Ron Carlson ist ein amerikanischer Schriftsteller. Er wurde 1947 in Logan, Utah, geboren und wuchs in Salt Lake City auf. Er schloss sein Studium mit einem Master an der Universität von Utah ab und unterrichtete in Connecticut, wo er ebenfllas anfing zu schreiben. 1985 wurde er Professor für Englisch an der Arizona State University und unterrichtete creative writing. Derzeit tut er dies in Irvine, an der Universität von Kalifornien.


    Er schreibt vor allem Kurzgeschichten, die zunächst in verschiedenen Magazinen erschienen, und brachte viele Anthologien heraus. Es folgten auch einige Romane und Erzählungen. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen...


    Carlson ist verheiratet und hat zwei Söhne ; er lebt in Kalifornien.


    Paperback: 272 pages
    Publisher: Penguin Books; Reprint edition (October 28, 2014)
    Language: English
    ISBN-10: 0143125591
    ISBN-13: 978-0143125594

  • Ich beginne mit einem Satz, den ein Kritiker hinsichtlich der Schwierigkeiten einen Roman von Carlson zu rezensieren, geschrieben hat.

    Ich kann dem Herrn nur zustimmen, denn die Magie, der Zauber, den diese wunderbare Geschichte auf den Leser ausübt, ist schwierig

    in ihrer ganzen Fülle wiederzugeben.

    Zitat

    Trying to sum up a Ron Carlson story is like trying to hold sparkling water in your bare hands - no matter how you cup your fingers

    some of the magical stuff leaks out.


    In Oakpine haben die vier Freunde ihre Jugend verbracht, haben tiefe Freundschaft, erste Liebe, die Freuden des Rock&Roll, aber auch die

    Auswirkungen menschlicher Unzulänglichkeiten kennengelernt. Oakpine, die Heimat ist dabei damals und Jetzt zugleich, ein Ort der sie getrennt

    und wieder zusammengeführt hat. Auf eine ganz besondere Weise ist Oakpine eine Oase, ein Rückzugsort, der nicht nur den Zauber der Jugend

    zurückbringt, sondern auch einen Neuanfang in sich trägt. Aber Carlson beschreibt hier kein Utopia, sondern einfach nur ein Gefühl von Heimat.

    Eine Szene drückt das in einer kurzen Unterhaltung sehr treffend aus:


    Zitat

    "This place wants to get me," sagt Mason einmal zu Shirley.

    "How can it smell the same?"

    "I know," she said.

    "It`s your old hometown.

    It`s how a hometown works."

    Nun könnte man Oakpine als romantisierten Ort im ländlichen Amerika betrachten, in dem alles ruhig und bar jeder menschlichen Probleme ist.

    Aber ein solches Utopia zeichnet Carlson nicht, denn seine fein gezeichneten Charaktere sind mit all ihren Stärken und Schwächen ganz reale

    Personen, in denen der Leser sich zuweilen auch selbst zu erkennen vermag.


    Was Carlson weiter auszeichnet ist seine Fähigkeit Stimmungen einzufangen und sie dem Leser so zu vermitteln, dass er in den Bildern eine

    schwer zu beschreibenden Frieden vermittelt, der, wie tom leo schon erwähnte, diesen Roman bis in die letzten Zeilen durchwirkt.


    Die Beschreibung des Freudenfeuers, beginnend mit dem Aufbau, der Aufregung und Vorfreude des ganzen Stadtchens, der Abend selbst, mit

    dem Auftritt der Band und der tiefen Freundschaftsbande, die hier ihren Höhepunkt erlebt, ist so lebendig und mit soviel Herzblut wiedergegeben,

    dass es beim Leser einen tiefen Eindruck hinterlässt.


    Die Handlung selbst hat tom leo ja schon sehr eingehend beschrieben, deshalb habe ich mich einfach auf all die Eindrücke und Gefühle beschränkt,

    die mir beim Lesen des Romans in den Sinn kamen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Magie auch mir zum Teil wie Wasser durch die Finger floß,

    aber einen Versuch war es auf jeden Fall wert, denn dieser Roman braucht einfach viele Leser, die sich auf die Faszination, auf die Magie dieser Geschichte

    einlassen können.


    Es ist mir übrigens ein Rätsel, warum es immer noch keinen Verlag gibt, der sich bemüht, deutsche Übersetzungen seiner Romane und Kurzgeschichten

    herauszugeben. Ein großer Verlust, denn dieser Roman ist eine echte Perle in der Literaturlandschaft.


    lg taliesin

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

  • Ich freue mich übrigens jetzt schon auf seinen Roman >The Signal< und die Kurzgeschichten in >At the Jim Bridger<

    Sind beide bestellt und treten gerade die Reise über den großen Teich an.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

  • Das macht mir so überaus grosse Freude, Deine positiven Eindrücke zu lesen, die mich an mein Lesen erinnern... Da möchte man so gerne die Werbetrommel rühren. Für mich war das ein ganz grosser Wurf! Und ich durfte dann vor circa eineinhalb Jahren mal bei einer Autorenlesung von Carlson hier im Burgund dabei sein als der Roman auf Französisch erschien. Ein echt sehr sympathischer Mann, der sichtbar, äh: hörbar, was zu sagen hatte und "geerdet" war. Vielleicht wäre das auch so ein Wort, ein Adjektiv, das zum Roman passen würde, nicht wahr? Geerdet!


    The signal las ich dann ja auch, und ist ebenfalls hier besprochen worden. Es war ziemlich "anders" erschien mir. Aber auch auf seine Weise gut. Ich habe auch noch "Five skies". Aber Dein Vorpreschen in Richtung Kurzgeschichten könnte sich total auszahlen: ich las, dass sie sehr guten Ruf haben...


    Schön, dass es noch Sachen zu entdecken gibt!

  • Zunächst mal vielen Dank für deine wunderbare Rezension taliesin !


    Es ist mir übrigens ein Rätsel, warum es immer noch keinen Verlag gibt, der sich bemüht, deutsche Übersetzungen seiner Romane und Kurzgeschichten

    herauszugeben.

    Du sprichst mir aus der Seele. Ich würde so gerne mehr von diesem Autor lesen, aber ich musste mich leider auf den von mir verlinkten Erzählband beschränken. Den es im übrigen ja auch nur noch gebraucht gibt.

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


    SuB-Leichen-Challenge 2024: Alle Bücher bis inkl. 2022 [-X

    Klassiker-Challenge 2024


  • Danke, Farast für die Vorstellung dieser Kurzgeschichten. Die habe ich bisher gar nicht gefunden.

    Habe ich mir gerade für 59 Cent bestellt.

    Vielleicht hat ja doch bald ein Verlag ein Einsehen und übersetzt >Return to Oakpine<. Ich bin mir sicher der Roman würde dir gefallen.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

  • Vielleicht hat ja doch bald ein Verlag ein Einsehen und übersetzt >Return to Oakpine<. Ich bin mir sicher der Roman würde dir gefallen.

    Das wäre sehr schön! Dir noch viel Vergnügen mit "Plötzlich war es Juni, und überall lagen Badetücher"!

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


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