>Gefühlskälte wunderbar transportiert<
Nur mal so am Rande, aber mir fiel das eben sehr stark auf und
deshalb kurz erwähnt: Im krassen Gegensatz zum „Distelfink“ von Donna
Tartt, beherrscht es Tóibín einen verstockten Charakter, einen
gefühlskalten Menschen fühlbar zu machen …
Und das beginnt zunächst einmal über das Medium „Sprache“, die
äußerst karg, also sehr einfach gehalten ist – die meisten Sätze fangen
mit dem Subjekt (meist er oder sie) an. Dadurch erhält der Roman sehr
viel Distanz. Ferner wird diese Kälte durch die anderen Figuren
vermittelt, die darauf agieren müssen oder ihrerseits ihre Gefühle
preisgeben. Natürlich trägt auch die Handlung dazu bei und wie sie dem
Leser nahegelegt wird:
Auszug aus dem Klappentext: >Eamon Redmond, erfolgreicher
Richter aus Dublin, begibt sich immer häufiger an die Klippen der
südirischen Küste und starrt aufs Meer. Hier in Cush, dem Ort seiner
Kindheit, wird er sich bald mit seiner Frau zur Ruhe setzen, und hier
sinniert er über seine letzten Fälle. […] Erinnerungen brechen über ihn
herein und verfolgen ihn bis in seine Träume. […] Zum ersten Mal geht
Redmont mit sich selbst ins Gericht und an der Schwelle zum Alter
entflammt die Hoffnung auf das Glück, sich und seine Frau Carmel von der
Schuld eines ungelebten Lebens zu befreien.<
Die Handlung ist in zwei Ebenen aufgeteilt, wobei die eine in
späteren Jahren (nähere Gegenwart) entspringt und die andere in Eamons
Kindheit beginnt. Als in der ersten Ebene seine Frau stirbt, findet man
sie in der zweiten gerade vor dem Traualtar wieder, bis zum Schluss aus
beiden ein komplettes Leben entstanden ist und man sich in der Gegenwart
getroffen hat.
Außerhalb dieser interessanten Familiengeschichte wird auch viel über
die Irische Geschichte erzählt, also ein Roman zum Wohlfühlen und
Schmökern. Vier Sterne von mir.