„Träumen ist erlaubt. Aber man muss Realist bleiben.“
Inhalt:
Geheimnisvolle Türen mit Eidechsenknäufen, sprechende Steinfiguren und ein wildgewordenes Kindermädchen mit einem Beil ... Liv Silbers Träume sind in der letzten Zeit ziemlich unheimlich. Besonders einer von ihnen beschäftigt sie sehr. In diesem Traum war sie auf einem Friedhof, bei Nacht, und hat vier Jungs bei einem düsteren magischen Ritual beobachtet. Zumindest die Jungs stellen aber eine ganz reale Verbindung zu Livs Leben dar, denn Grayson und seine drei besten Freunde gibt es wirklich. Seit kurzem geht Liv auf dieselbe Schule wie die vier. Eigentlich sind sie ganz nett. Wirklich unheimlich - noch viel unheimlicher als jeder Friedhof bei Nacht - ist jedoch, dass die Jungs Dinge über sie wissen, die sie tagsüber nie preisgegeben hat - wohl aber im Traum. Kann das wirklich sein? Wie sie das hinbekommen ist ihr absolut rätselhaft, aber einem guten Rätsel konnte Liv noch nie widerstehen...
Die Autorin (amazon.de)
Kerstin Gier, Jahrgang 1966, hat als mehr oder weniger arbeitslose Diplompädagogin 1995 ihr erstes Buch veröffentlicht. Mit riesigem Erfolg: Ihre Romane für Erwachsene wie die »Müttermafia« oder »Auf der anderen Seite ist das Gras viel grüner« sind längst Kult und auf allen Bestenlisten zu finden, genauso wie die Jugendbücher »Rubinrot«, »Saphirblau« und »Smaragdgrün«, die auch international zu Bestsellern wurden. Im März 2013 kam mit »Rubinrot« bereits die zweite Verfilmung eines ihrer Bücher mit Starbesetzung in die Kinos. »Silber - Das erste Buch der Träume« ist der Auftakt zu ihrer neuen Jugendbuchreihe. Die Autorin lebt mit ihrer Familie und zwei Katzen in der Nähe von Köln.
Länge: 9 Stunden 36 Minuten
Sprecherin: Simona Pahl
Meinung:
Zunächst einmal: ich bin kein großer Fan von Hörbüchern. Ich muss mich dabei sehr konzentrieren und kann nichts anderes nebenbei machen, da ich sonst nicht mehr aufmerksam genug bin und mir einige (teils wichtige) Passagen entgehen. Außerdem geht es viel schneller, wenn ich selbst lese (was vor allem in spannenden Momenten dafür sorgt, dass ich schnell weiter komme), und ich habe mehr davon.
Als audible gestern aber den Gratisdownload von Silber anbot, musste ich dennoch zugreifen, da ich das Buch sowieso haben wollte und es eine kostengünstige Alternative war. Ich habe es nicht bereut, auch wenn ich mir stellenweise sehr gewünscht habe, ich hätte das Buch vor mir und könnte selbst lesen.
Dies liegt aber nicht an der Sprecherin Simona Pahl.
Sie hat eine sehr angenehme Stimme, der man leicht folgen kann. Sie spricht klar und verständlich, verleiht jedem Charakter eine eigene Note und passt ihre Stimmlage der jeweiligen Situation an. Besonders gut und speziell fand ich die Stimme, die sie der "sprechenden Steinfigur" Freddie verpasste, auch, wie sie den Dialekt des Kindermädchens darstellte, war sehr amüsant, auch wenn ich nicht beurteilen kann, ob sie den "Origina-Dialekt" getroffen hat. Aufgefallen ist mir aber, dass der Dialekt mal mehr, mal weniger stark durchschimmerte. Außerdem hatte ich stellenweise Probleme damit, herauszuhören, wer gerade spricht, da die Stimmen sich teils sehr ähnelten. Aus der Handlung wurde aber immer klar, wer gerade gesprochen hatte.
Die Geschichte beginnt zunächst recht unspektakulär. Die fünfzehnjährige Protagonistin Olivia "Liv" Silber trifft zusammen mit ihrer kleinen Schwester Mia in ihrer neuen Heimat ein - und wird prompt am Zoll kontrolliert, da man sie verdächtigt, Drogen geschmuggelt zu haben. Leider folgt auf diese schlechte Nachricht gleich die nächste: Livs Mutter, eine rastlose Frau, die ständig ihren Wohnort wechselt, hat sich verliebt und möchte mit ihrem neuen Freund und dessen Kindern zusammen ziehen...
Man könnte sagen, dass die erste Stunde die Weichen für die spätere Handlung stellt und uns die Protagonisten vorstellt. Von den Geschehnissen aus der Inhaltsangabe findet man dort zunächst nichts. Stellenweise hatte ich den Eindruck, man hätte einiges kürzen können, aber auch der Anfang war gut zu hören. Da ich jedoch ungeduldig auf die rätselhaften Träume wartete, hatte ich nicht das Herz für die "unspektakuläre" Einführung ins Livs Leben, auch wenn mir die Figuren bereits ans Herz wuchsen. Wie man es von Gier kennt, sind alle Figuren sehr realistisch gezeichnet und scheinen direkt aus dem Leben gegriffen zu sein.
Beispielsweise die Reaktionen darauf, dass Livs Mutter mit ihrem Freund zusammen ziehen möchte, erscheinen mir sehr lebensecht und realistisch. Niemand ist sehr glücklich, es entsteht keine "Friede-Freude-Eierkuchen"-Situation. Alle Personen handeln so, wie man es sich im echten Leben vorstellen könnte.
Aber nicht nur in dieser Situation handeln die Figuren realistisch. Weiterhin fällt auf, dass niemand übermäßig perfekt ist, auch wenn manche Charaktere auf den ersten Blick so wirken. Alle aben ihre guten und ihre schlechten Seiten, auch die Nebenfiguren, die eher im Hintergrund stehen und weniger Beachtung erhalten.
Liv ist dabei eine wundervolle Ich-Erzählerin. Sie ist sehr sarkastisch, was für einige Lacher sorgt (ich sage nur "Rasierspaß-Ken" ), aber auch sehr aufgeschlossen und dabei durchaus liebenswert.
Als die Protagonistin beginnt, ihre geheimnisvollen Träume von Grayson und seinen Freunden zu haben, wird die Geschichte rasch sehr spannend. Besonders ihr erster, sehr lebensechter Traum, der sie verwirrt zurücklässt, ist unglaublich interessant, vielschichtig und wirft einige Fragen auf. Dabei ist alles stets sehr bildhaft geschrieben und man kann sich alles sehr gut vorstellen - was nicht immer gut ist, da der Roman stellenweise recht unheimlich und düster ist.
Besonders interesannt wird es aber, als die Jungen am nächsten Tag Dinge wissen, die sie in ihrem Traum erlebt und von denen sie niemandem etwas gesagt hat. Dies wirft auch beim Leser einige Fragen auf und man stellt unwillkürlich Theorien auf. Kann man Träume verknüpfen? Und was hat es mit dem Korridor der Türen auf sich, den Liv in ihrem Traum betreten hat, bevor sie Grayson (in seinen Traum?) folgte?
Zunächst ist die ganze Traum-Geschichte sehr verwirrend und interessant. Liv versucht, das Rätsel zu lösen und stellt dazu einige Versuchsreihen auf, die sie aber nicht wirklich weiterbringen. Erst, als Graysons Freunde sie auf einer Party um ihre Hilfe bitten, kommt langsam Licht ins Dunkel - sowohl für sie als auch für uns.
In der Folge wird der Roman aber noch um einiges düsterer. Die Rituale sind wirklich recht unheimlich und das, an dem Liv teilnimmt, wird genau geschildert. Außerdem bekommt sie in ihren Träumen Besuch - sowohl von einem Freund Graysons als auch von Annabelle, der festen Freundin eines weiteren Mitgliedes der Clique. Als diese ihr verrät, dass hinter dem ganzen
eine Dämonenbeschwörung an Halloween
steckt, war ich wirklich überrascht. Mit diesem fantastischen Element hatte ich überhaupt nicht gerechnet, aber es rechtfertigt die teilweise recht düstere und unheimliche Stimmung mit Ritualen voll Blut auf dem Friedhof natürlich und ist ein unglaublich faszinierender Ansatz für die Möglichkeit, warum sie so "zusammen" träumen können.
Viel mehr über die Handlung kann ich gar nicht sagen, da ich niemandem das Vergnügen nehmen möchte, mit Liv hinter diese Geheimnisse und Rätsel zu kommen, aber gerade zum Ende hin wurde Silber sehr spannend. Die Geschichte nimmt in der letzten halben Stunde noch eine rasante Wendung, mit der ich nicht gerechnet hätte - zumindest nicht, bevor Liv den Friedhof betrat...
Natürlich gibt es auch eine (obligatorische) Liebesgeschichte. Diese ist sehr zart und beginnt ganz unscheinbar, aber auch danach nimmt sie nicht den Mittelpunkt der Handlung ein. Sie läuft eher beiläufig mit und ist sehr realistisch dargestellt. Liv benimmt sich wie ein verliebter Teenager, was selbstverständlich dazu führt, dass ihr Geliebter zwischendurch als wunderschön beschrieben wird, dies geschieht aber sehr, sehr selten und ist nicht so penetrant und besessen wie in anderen Büchern.
Besonders gut hat mir gefallen, dass er offen über seine Gefühle sprach, aber gleichzeitig älter und nicht unerfahren war. Die beiden sind ein wunderschönes Paar und ich hoffe, dass wir in den nächsten beiden Bänden mehr über diese Liebe lesen können, die in den Träumen begann - gerne auch wieder als "Nebengeschichte".
Abschließend kann man sagen, dass Silber ein überragend guter Auftakt für eine Trilogie ist. Er ist spannend, gefühlvoll, bringt uns dazu, die Personen zu lieben und mit ihnen mitzufiebern und verbirgt auch eine kleine, zarte Liebesgeschichte. Zudem ist die Idee mit dem Korridor der Türen und generell die Traumsache an sich so faszinierend und außergewöhnlich (auch die Möglichkeiten, die sich dadurch eröffnen!), dass ich unbedingt wissen will, was man noch alles aus dieser Idee ziehen kann.
Auch wenn ich finde, dass die Geschichte - bis auf den letzten Abschnitt - als recht abgeschlossen betrachtet werden kann, bin ich sehr gespannt, um was sich die nächsten beiden Bücher drehen. Und ich würde sehr gerne jetzt weiterlesen, um zu wissen, was Gier sich alles einfallen lässt!
Silber: Das erste Buch der Träume bekommt von mir , für das Format "Hörbuch" ziehe ich (wegen oben genannter kleiner Kritik) einen halben Stern ab.