Dann darf auch dieser Band nicht fehlen ...
Mord auf der Leviathan
Wir schreiben das Jahr 1878. Ganz Paris ist entsetzt über den grausamen Mord an dem britischen Aristokraten Lord Littleby sowie all seiner Hausangestellten. Sinn und Zweck dieser Greueltat war es offensichtlich, an eine goldene Statue aus der reichhaltigen Sammlung von asiatischen Kunstwerken zu gelangen, die der Lord besaß. Doch der Täter hat einen Fehler gemacht: Er hat am Tatort eine Anstecknadel verloren, die nur von einem Erste-Klasse-Passagier auf der bevorstehenden Jungfernfahrt der "Leviathan" stammen kann. Kommissar Gauche [oder Coche, wie er anscheinend in der dt. Ausgabe heißt], der den Täter zum krönenden Abschluß seiner Karriere unbedingt fassen will, kommt daher auf die glorreiche Idee, selbst die Schiffsreise mitzumachen. Er veranlaßt, daß alle Erste-Klasse-Passagiere, die ihr Abzeichen nicht vorweisen können, mit ihm am Tisch sitzen, und versucht bei den gemeinsamen Mahlzeiten, den Mörder mit seinen geschickten Fragen zu entlarven. Und er sieht sich auch schon auf dem besten Wege zum Ziel, als ein weiterer Passagier an Bord kommt, ein junger russischer Diplomat auf dem Weg nach Japan...
Mord auf der Leviathan unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von den anderen Bänden der Reihe: Es gibt auf den ersten Blick keine so starke historische Einbindung, und Fandorin selbst ist weitaus weniger der vielgerühmte "James Bond des 19. Jahrhunderts". Um genau zu sein, das Buch ist schon recht weit fortgeschritten, bevor er überhaupt seinen Auftritt hat, und selbst dann bleibt die eigentliche Hauptfigur weiterhin Kommissar Gauche. Doch das ist ganz offensichtlich auch der Sinn der Sache, denn das Buch ist eine sehr gelungene Hommage an die Klassiker der Kriminalliteratur, allen voran Agatha Christie. Ein grausames Verbrechen, ein kleiner Kreis von Verdächtigen auf begrenztem Raum, alle Verdächtigen Angehörige der Oberschicht ... und mittendrin ein Ermittler (Franzose, kein Belgier ), der den Fall mit seinen ausgeklügelten Fragen und seinen grauen Zellen zu lösen versucht. Fandorin ist, als er denn schließlich erscheint, allerdings nicht Hastings für Gauches Poirot - er ist weit eher eine männliche Miss Marple! Er hält sich im Hintergrund, lauscht, mag sich mit seinen Theorien nicht aufdrängen, stottert, wo Miss Marple in verlegenes Stammeln verfällt (stricken tut er jedoch nicht ).
Für mich war Mord auf der Leviathan ein ganz besonderer Lesespaß, noch über das Vergnügen der anderen Fandorin-Bände hinaus. Die Geschichte ist so deutlich mit einem "Augenzwinkern" geschrieben, gleichzeitig liebevoller Tribut an die Klassiker und ironisches Variantenspiel. Die anderen Bücher mögen vielschichtiger und vor allem vom Erzähltempo her auch spannender sein, aber keins hat so viele "Wiedererkennungsmomente" für den Krimifan. Unbedingt empfehlenswert.
Gruß
Ute