Willa Cather - Sapphira und das Sklavenmädchen / Sapphira And The Slave Girl

  • Klappentext: (Randomhouse)
    Ein dramatischer Familienroman um Freiheit und Sklaverei – ein Klassiker der amerikanischen Literatur
    Eine Frau stemmt sich mit allen Mitteln gegen die neue Zeit. Willa Cathers letzter Roman ist das eindrückliche Porträt der Südstaaten am Vorabend des Bürgerkriegs und kann in einem Atemzug mit Margaret Mitchells »Vom Winde verweht« genannt werden.


    Sapphira ist eine der letzten Sklavenhalterinnen. Sie herrscht mit Güte, aber auch rücksichtsloser Härte. Ihre Ehe ist zur bloßen Farce verkommen, und ihre Tochter Rachel versteht sich als Sklavenbefreierin. Als die kranke Sapphira schließlich erfährt, dass ihrem Mann ein Verhältnis mit dem Sklavenmädchen Nancy nachgesagt wird, und er sich weigert, diese zu verkaufen, eskaliert der Konflikt innerhalb der Familie. Mit Sapphira und ihrer Tochter Rachel gelingen Willa Cather erneut großartige weibliche Charaktere, die zutiefst bewegen, ganz gleich, ob man ihre jeweilige Lebenseinstellung und politische Haltung verdammt oder teilt.


    Für Zeitgenossen wie Truman Capote – »Willa Cather liebe ich regelrecht« –, aber auch für die Leser heute gehört Willa Cather zu den großen Autorinnen der amerikanischen Literatur: »Sie ist eine moderne Erzählerin, eine Meisterin der Fiktion. Ins Zentrum ihres literarischen Kosmos stellt sie starke Frauenfiguren, die begabt sind und freiheitsliebend.« Aus dem Nachwort von Manuela Reichart


    Die Autorin: (Randomhouse)
    Als Achtjährige übersiedelte Willa Cather (1873–1947) mit ihren Eltern von Virginia nach Nebraska, wo sie mit der unermeßlichen Prärie, aber auch mit den dortigen Einwanderern aus der Alten Welt Bekanntschaft schloß. Diese Erfahrungen eines Neben- und Miteinander verschiedener Ethnien, Religionen und Kulturen prägten sie tief. Obwohl sie als Lehrerin, Redakteurin und später als erfolgreiche Schriftstellerin vor allem in New York lebte, spielen ihre Werke meist in der heroischen Weite der Prärie des amerikanischen Westens und Südwestens, der sie so ein literarisches Denkmal gesetzt hat. Willa Cather erhielt den Pulitzer-Preis und gilt als eine der großen amerikanischen Erzählerinnen. Mit "Antonia" schuf sie eine der bedeutendsten Frauengestalten der modernen Literatur.


    Allgemeine Informationen:
    Originaltitel: Sapphira and the Slave Girl
    Originalverlag: Alfred A. Knopf, New York 1940
    Aus dem Amerikanischen von Elisabeth Schnack
    Erscheint im Knaus Verlag im April 2010; ISBN: 3813503321
    Seitenzahl: 256
    Kapitelaufbau:
    1.Buch: Sapphira und ihr Haushalt
    2.Buch: Nancy und Till
    3.Buch: Old Jezebel
    4.Buch: Sapphiras Tochter
    5.Buch: Martin Colbert
    6.Buch: Sampson spricht mit dem Master
    7.Buch: Nancys Flucht
    8.Buch: Dunkler Herbst
    9.Buch: Nancys Rückkehr(Epilog – 25 Jahre später)


    Ein Nachwort von Manuela Reichert folgt


    Meine Meinung:
    Sapphira Colbert lebt mit ihrem Mann Henry auf der Back Creek Farm. Henry ist von Beruf Müller und verbringt die meiste Zeit in seiner Mühle. Sapphira hat das Heft in der Hand: Sie ist bei geschäftlichen Unterredungen anwesend, nimmt an Besprechungen teil und geht auf Auktionen.
    Außerdem gehören ihr die Sklaven, die auf der Farm arbeiten.
    Sapphira ist eine eindrucksvolle, wenn auch nicht hundertprozentig symphatische Persönlichkeit, sie ist stark und beherrscht, kann grausam, aber auch gütig und fürsorglich zu ihren Sklaven sein, vor allem, wenn es ihr nützt. Die Ehe zwischen Sapphira und Henry scheint eher eine Zweck- als eine Liebesheirat zu sein.
    Der Gegenpol dazu ist Rachel Blake, ihre Tochter, die selbstlos anderen Menschen hilft und gegen die Sklavenhaltung eingestellt ist.
    Henry ist zwiegespalten, was die Sklavenhaltung anbelangt: einerseits hasst er das System der Sklaverei, andererseits fragt er sich, wo und wovon die Sklaven leben sollen, wenn man sie freilässt.
    Auf der Farm leben sie schließlich in Sicherheit und es geht ihnen gut. Insgesamt verhält sich Henry passiv in dieser Frage. Er möchte nicht wirkich belastet werden mit den Problemen – als sich Nancy z.B. ihm anvertraut, fühlt er sogar eher eine Abneigung gegen sie.
    Auch durch die Ankunft von Martin Colbert kommt die junge Sklavin Nancy in Bedrängnis und flieht mit Hilfe von Rachel. Nancy, die in Ungnade bei Sapphira (Sapphira vermutet ein „Verhältnis“ zwischen Nancy und ihrem Mann) gefallen ist, hat es dadurch doppelt schwer.


    Das achte Buch endet im Herbst – Diphtherie griff um sich und auch der Bürgerkrieg ist kurz nach Nancy Flucht ausgebrochen.
    Im neunten Buch – 25 Jahre später – kehrt Nancy im Frühling zurück und vieles hat sich geändert. Hier führt sich Willa Cather überraschend als „Ich-Erzählerin“ ein. Laut Nachwort greift Cather bei diesem Roman auf ihre eigene Familiengeschichte zurück.
    Sicher ist die Wahl der Jahreszeiten symbolhaft.


    Eingeflochten sind auch immer wieder die Lebensgeschichten verschiedener Personen, wie z.B. die von Jezebel oder Till; sowie anschauliche Landschaftsbeschreibungen. Das Leben auf der Farm wird beleuchtet, was recht informativ ist.
    Mag sein, dass die Sklaven insgesamt zu „brav“ gezeichnet wurden, immer loyal zu ihrer „Herrschaft“ - aber insgesamt offenbart der Roman anschaulich ein Stück amerikanische Vergangenheit, auch wenn die Geschichte ein wenig zu oberflächlich bleibt


    Ich jedenfalls habe den Fortgang der Geschichte interessiert verfolgt und gebe dem Roman 3 Sternchen.

  • Conor, vielen Dank für deine gelungene Rezension! :thumleft:


    Das Buch hört sich sehr interessant an und ich setze es direkt auf meine Wunschliste. :wink:


    Ich habe bislang noch keine Bücher der Autorin gelesen, aber auch "Meine Antonia" klingt sehr interessant. Ich denke, die Bücher dieser Autorin könnten ganz nach meinem Geschmack sein.


    :flower:

    "Hab Vertrauen in den, der dich wirft, denn er liebt dich und wird vollkommen unerwartet auch der Fänger sein."
    Hape Kerkeling


    "Jemanden zu lieben bedeutet, ihn freizulassen. Denn wer liebt, kehrt zurück."
    Bettina Belitz - Scherbenmond


    http://www.lektorat-sprachgefuehl.de

  • Mittlerweile habe ich das Buch auch gelesen.


    Der Einstieg hat mir recht gut gefallen. Die Autorin hat einen sehr angenehmen Schreibstil und vor allem ihre Landschaftsbeschreibungen konnten mich begeistern. Auch die Charaktere waren ganz interessant gezeichnet.


    Aber leider hat mir gar nicht gefallen, wie das Buch aufgebaut ist. Es ist für mich kein richtiger Roman, sondern das Buch beinhaltet viel mehr Geschichten in Geschichten. Jedes Kapitel wird einer bestimmten Person gewidmet und dort wird Rückschau betrieben in Ereignisse aus dem Leben dieser Person. Irgendjemandem fällt immer eine neue Anekdote ein und so wird eher die Vergangenheit betrachtet, als die eigentliche Handlung der Gegenwart voranzutreiben. Damit konnte ich nichts anfangen.


    Deshalb kann ich das Buch leider nur mit 2 :bewertung1von5: :bewertung1von5: bewerten.


    :flower:

    "Hab Vertrauen in den, der dich wirft, denn er liebt dich und wird vollkommen unerwartet auch der Fänger sein."
    Hape Kerkeling


    "Jemanden zu lieben bedeutet, ihn freizulassen. Denn wer liebt, kehrt zurück."
    Bettina Belitz - Scherbenmond


    http://www.lektorat-sprachgefuehl.de

  • Nach Sapphira Colberts Tod fragten sich alle, die sie kannten, ob es ein Fehler gewesen war, dass sie aus Loundoun County hierher gezogen und mit ihrem Mann die Mühle in Back Creek/Virginia übernommen hatte. Sapphira wirkte stets eine Spur zu fein für das abgelegene Bergtal. Die Mühle mit den umliegenden Ländereinen hatte Sapphira geerbt, ihr Mann Henry arbeitete sich in den ungewohnten Beruf erstaunlich gut ein und genoss hohes Ansehen im Ort. Wie es in jener Zeit üblich war, verfügte Henry über Mühle und Farm, obwohl das Vermögen und einige Sklaven Sapphira mit in die Ehe gebracht hatte. Sapphira war sehr wohl in der Lage, einen landwirtschaftlichen Betrieb zu führen, beschränkte sich nach ihrer Heirat jedoch darauf, den Haushalt zu führen und die Sklaven im Haus zur Arbeit anzuleiten. Kutscher, Gärtner, Mühlenarbeiter, Hausmädchen gehören zum Haushalt der Colberts.


    Wer bei den Colberts rein juristisch gesehen welche Entscheidungen zu treffen hat, wird zur schicksalsträchtigen Frage, als es im Jahr 1856 einen Konflikt um die Mulattin Nancy gibt. Sapphira will Nancy verkaufen und hält die Gründe dafür lange verborgen. Die Sklaven gehören zwar Sapphira, aber Henry als Landbesitzer müsste im Fall eines Verkaufs den Kaufvertrag unterschreiben. Aus religiöser Überzeugung ist Henry Gegner der Sklaverei. Er ist sich jedoch auch des Problems bewusst, dass Sklaven seit Generationen nur Anweisungen ausgeführt haben und sich nun kaum von einem Tag auf den anderen selbst um Arbeit und Unterkunft kümmern können. Henry will auf keinen Fall einen seiner Leute verkaufen, deren Familien seit Generationen für seine Familie gearbeitet haben. Er persönlich will auf niemanden verzichten, mit dem er zusammenarbeitet und an den er gewöhnt ist. Sapphira spielt im Konflikt nicht mit offenen Karten, wie beim Blick auf die unterschiedlichen Ansichten zum Fall Nancy deutlich wird. Forciert wird die komplizierte Situation durch die damalige Ansicht, dass schwarze Frauen, die vom Besitzer oder einem anderen Weißen missbraucht werden, die Verantwortung für eine wahrscheinliche Schwangerschaft selbst zu tragen hatten. Die - abhängige - Sklavin trug moralisch die Schuld; der Täter konnte unbeirrt weitermachen. Als dritte Partei im Konflikt tritt die verwitwete Tochter Rachel der Colberts auf, die mit zwei kleinen Töchtern wieder auf dem Besitz ihrer Eltern lebt.


    Nach einem Zeitsprung von 25 Jahren tritt die Autorin selbst in ihren Roman und erzählt die Geschichte zu Ende, so als hätte sie sie als kleines Mädchen in der Küche ihrer Eltern vom Hauspersonal erfahren. Die Figur der Rachel, die im Roman stets Mrs. Blake genannt wird, soll stark an Willa Cathers Großmutter angelehnt sein.


    Fazit

    Willa Cather erzählt für die damalige Zeit alltägliche Ereignisse, die alles andere als banal sind. Cather hat sich in einer Rede sehr kritisch zum amerikanischen Roman geäußert, in dem es immer nur darum ginge, wer am Ende wen bekommt. Dagegen stellt sie den russischen Roman, in dem das Land lauter spräche als die Menschen. Cather erzählt ruhig, fast distanziert, mit großer Liebe zu Details, die ein äußerst lebendiges Bild jener Zeit entstehen lassen und in denen die Landschaft eine entscheidende Rolle spielt. Man kann Cather als Schöpferin starker Frauenfiguren sehen; ich finde die Figur des Henry Colbert und des Hauspersonals ebenso gut gelungen. „Sapphira und das Sklavenmädchen“ hat als Klassiker nichts an Aktualität verloren. Das Buch erzielt seine Wirkung durch die Nähe der Autorin zu Zeitzeuginnen der Epoche vor dem amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865). Zwischen der mündlichen Überlieferung, die in Cathers Schreiben einfließt und dem Versuch zeitgenössischer Autoren, Lesern von heute die Atmosphäre jener Zeit zu vermitteln, liegen Welten.


    Zitat

    Wir hatten drei Küchentische: einen, um das Brot zu kneten, einen anderen, um Kuchen und Pastetenteig zu machen, und einen dritten mit einer Zinkplatte, um Geflügel und Kaninchen zu zerlegen und Truthähne zu füllen. In den hohen Wandschränken wurden Zucker, Gewürze und Lebensmittel aller Art untergebracht; unsere Farmwagen holten große Vorräte davon aus Winchester. Hinter den Türen eines ganz besonderen Eckschränkchens bewahrte man Krüge mit Kognakfrüchten auf, und Glaskrüge enthielten Ingwer und in Whiskey getränkte Orangenschalen. Eingemachtes Gemüse und Früchte, die nicht in Alkohol konserviert waren, standen in einem kalten Keller: Ein richtiger Bach floß durch ihn hindurch!“ (Seite 237)


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

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    :musik: --


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Willa Cather - Sapphira und das Sklavenmädchen“ zu „Willa Cather - Sapphira und das Sklavenmädchen / Sapphira And The Slave Girl“ geändert.
  • Virginia Mitte des 19. Jahrhunderts: Sapphira und Henry Colbert leben auf der abgeschiedenen Mühlfarm, auf die Sapphira ihrem Ehemann als junge Braut gefolgt ist. Die Eheschließung hat für einiges Kopfschütteln gesorgt, hätte Sapphira doch eine viel bessere Partie machen können. Doch Jahrzehnte später ist sie immer noch dort und gar nicht unglücklich, auch wenn sie gesundheitlich starke Einschränkungen hinnehmen muss und Henry seit einiger Zeit fast nur noch in der Mühle übernachtet.


    Das einst gute Verhältnis zwischen Sapphira und ihrer schwarzen Zofe Nancy ist ebenfalls abgekühlt, denn sie glaubt nicht, dass die junge Frau Henry in der Mühle lediglich bei Hausarbeiten zur Hand geht - ohne dass sie dafür einen echten Beweis hätte.


    Nancy hingegen wundert sich, warum ihre Herrin plötzlich so kühl zu ihr ist, doch als Sklavin weiß sie auch, dass sie besser nichts hinterfragen sollte.


    Willa Cather zeichnet hier ein ruhig dahinfließendes Porträt von Zeit, Land und Leuten, das sich vor allem in der ersten Hälfte hauptsächlich dem Alltagsleben widmet. Die Titelfigur ist nicht unbedingt eine Sympathieträgerin, Sapphira wirkt oft launisch und ist stark im althergebrachten Denken verhaftet. Sie behandelt die Schar von Sklaven, die die Arbeit in Haus, Hof und Mühle verrichten, zwar anständig, aber es käme ihr nie in den Sinn, sie als etwas anderes als Menschen zweiter Klasse zu sehen oder gar ihre Befreiung zu befürworten.


    Ganz anders ihre Tochter Rachel, eine junge Witwe mit zwei kleinen Töchtern, die eine glühende Gegnerin der Sklaverei ist und es im Zweifelsfall auch auf einen Bruch mit ihrer Mutter ankommen lässt.


    Als Stimmungsbild seiner Zeit ist das Buch gelungen, es hat mich aber erst nach der Hälfte wirklich zu packen vermocht, als ein bisschen mehr Handlung in Schwung kam und sich dramatischere Entwicklungen abzeichneten. Zu Beginn hatte ich etwas Probleme mit den relativ zahlreichen Figuren und vielen Sprüngen, auch wenn einige Szenen unter anderem auf einem Sklavenschiff durchaus eindrucksvoll waren.


    Was für ein 1940 entstandenes Buch gar nicht verwunderlich ist (und vermutlich von Cather wertfrei gemeint war), heutigen Leser*innen aber einfach unangenehm ins Auge sticht, war der rege Gebrauch der N-Wörter. Und was in dieser deutschen Übersetzung kolossal nervt: die falschen Schreibweisen von "Miß" und "Mistreß".


    "Meine Antonia" von Willa Cather hat mir um Längen besser gefallen, aber dieses Buch hat mich nach ein wenig Langeweile am Anfang zum Ende hin noch positiv überraschen können.