Georges Simenon - Maigret und der Gehängte von Saint-Pholien

  • Niemand bemerkte etwas. Niemand ahnte auch nur, dass sich im Wartesaal des kleinen Bahnhofs, wo bloss sechs Reisende teilnahmslos im Kunst von Kaffee, Bier und Limonade warteten, ein Drama abspielte.
    Aus einer Eingebung heraus heftet sich Kommissar Maigret während einer kurzen Dienstreise nach Brüssel an die Fersen eines schäbig gekleideten Mannes, den er in einem kleinen Cafe Tausendfracscheine zählen sah. Für den Kommissar wird daraus zunächst eine lange Reise und dann ein quälendes Schuldgefühl.......


    Der dritte Band der Maigret Reihe. Der Kommissar gerät in Gewissensnöte. Wieder eine komplexe, nicht alltägliche Ermittlung - mit der unnachahmlichen Ruhe Maigrets geführt. Die Handlung ist mal wieder fesselnd. Simenon versteht es die Beschreibungen von Orten und Menschen auf den Punkt zu bringen. Je mehr Simenons ich lese, desto begeisterter bin ich von den Krimis und dem Autor.

  • Der Autor:
    Georges Simenon (1903-1989) war ein belgischer Schriftsteller, der vor allem durch seine 75 Kriminalromane und 28 Erzählungen um Kommissar Maigret bekannt wurde. "Maigret und der Gehängte von Saint-Pholien" wurde 1931 veröffentlicht und ist der dritte Roman in der vom Diogenes-Verlag 2008 neu aufgelegten Krimireihe.


    Allgemeines:
    Erschienen 2008 bei Diogenes Zürich, ursprünglich 1931 bei Fayard
    174 Seiten, unterteilt in 11 Kapitel
    Erwähnenswert ist auch die sehr schöne Stadtkarte von Paris, die im Einband verarbeitet und in allen Romanen der Diogenes-Reihe von 2008 enthalten ist. (Im vorliegenden Fall allerdings kaum von Wert, da der grösste Teil der Geschichte in Bremen, Lüttich und Reims spielt)


    Der Inhalt:
    Während einer Dienstreise in Belgien bemerkt Kommissar Maigret in einem Bahnhofsbistro einen jungen Mann, der zwar wie ein arbeitsloser Landstreicher aussieht, aber ein Bündel Tausend-Franc-Scheine bei sich trägt. Mehr aus Neugier als aus Dienstbeflissenheit beginnt der Kommissar den Mann per Bahn bis zu verfolgen. Maigrets Gespür für Rätsel ist geweckt und aus einer Laune heraus, schafft er es, seinen Koffer mit dem des jungen Mannes zu vertauschen. In Bremen angekommen, sucht der ahnungslos Verfolgte ein Hotel. Dort stellt er fest, dass er nicht mehr im Besitz seines Koffers ist und erschiesst sich so plötzlich, dass Maigret nicht mehr eingreifen kann. Verständlicherweise fühlt sich der Kommissar mit schuldig am Tod des Mannes und beginnt dessen Herkunft und Motivation zu ermitteln - nicht ganz einfach, da der Tote nur einen gefälschten Pass und einen Koffer alter Wäsche bei sich hatte...


    Meine Meinung:
    Ich habe nach ein paar Jahren "Abstinenz" kürzlich wieder angefangen die Maigret-Romane zu lesen - in der Reihenfolge des Diogenes-Verlages. Nach einem relativ schwachen Start mit "Pietr, der Lette" und einem deutlich besseren "Mr Gallet" ist dieser dritte Band eine weitere Steigerung auf bereits hohem Niveau. Auf 174 Seiten habe ich mich bestens unterhalten gefühlt und die Spannung blieb bis zum Ende erhalten. Zum Einen versteht es Simenon die Menschen, ihre Beweggründe, die Umgebung und Lokalkolorit dem Leser zu vermitteln, ohne dass daraus langatmige Beschreibungen werden. Zum Anderen sind gerade in dieser Geschichte Schuld, Gewissensbisse und Sühne hervorragend verwoben. Nicht nur Maigret leidet unter den Folgen seines Streiches, er trifft im Laufe seiner Ermittlungen weitere Verdächtige, die "Leichen im Keller" haben und daher ein unglückliches Leben führen.


    Gemäss George Simenons autobiographischem Roman "Die Verbrechen meiner Freunde" hat er in dieser Maigret-Erzählung Jugenderlebnisse mit verarbeitet:



    Fazit:
    Sicherlich einer der besten Fälle mit Kommissar Maigret!