Javier Marias - Mein Herz so weiß / Corazon tan blanco

  • Ein Zeitfresser mit vermeidbaren Längen!

    Marias baut in diesem Werk einen überspannten Spannungsbogen auf: >> Ich wollte es nicht wissen, aber ich habe erfahren, daß eines der Mädchen, als es kein Mädchen mehr war, kurz nach der Rückkehr von der Hochzeitsreise das Badezimmer betrat, sich vor den Spiegel stellte, die Bluse aufknöpfte, den Büstenhalter auszog und mit der Mündung der Pistole ihres eigenen Vaters, der sich mit einem Teil der Familie und drei Gästen im Eßzimmer befand, ihr Herz suchte. << Der Leser ist nach diesem ersten Satz elektrisiert, und erwartet viel. Aber es kommt nichts …


    Denn danach verflüchtigt sich der Autor ins Dolmetscher Geschäft, ins Kunstmilieu, man findet interessante Gedanken über Freundschaften, übers Schweigen und Geheimnisse wahren, über Skrupellosigkeit; aber einen roten Faden findet man nicht.
    Und so fordert der Roman eine hohe Konzentration vom Leser ab, erfüllt aber andererseits dessen Lust nicht.


    Das Leitmotiv: >> „Meine Hände sind blutig, wie die deinen; doch ich schäme mich, dass mein Herz so weiß ist.“ << kommt dabei auf der ganzen Strecke zu kurz.


    Der Schluss des Werks liefert zwar einen in sich kompletten und geschlossenen Ausgang, das Gerüst ist gut konstruiert, hinterlässt aber keine befriedigende Sättigung, die der Autor zuvor verspricht.


    Für mich ist dieser Roman dadurch ein Zeitfresser, der vermieden hätte werden können. Wenn ich das Buch nicht gelesen hätte, würde ich nichts vermissen.

  • Danke, Buchkrümel, für deine Rezi. :winken:
    So wirklich mitreden, kann ich in diesem Fall wohl nicht, ich habe das Buch zwei mal angefangen, und zwei mal abgebrochen.
    Bei diesem Buch konnte ich nicht einmal meine persönliche Regel: mindestens 1/3 des Buches zu lesen, nicht einhalten.
    Es ging einfach nicht. :cry: Das ich ein Buch gar nicht lesen kann, kommt schon sehr selten vor.
    Wobei meiner Freundin hat "Mein Herz so weiß" ausgesprochen gut gefallen.

    2024: Bücher: 100/Seiten: 43 976

    2023: Bücher: 189/Seiten: 73 404

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    Lese gerade:

    Adrian, Lara - Hüterin der Ewigkeit


  • Marias baut in diesem Werk einen überspannten Spannungsbogen auf: >> Ich wollte es nicht wissen, aber ich habe erfahren, daß eines der Mädchen, als es kein Mädchen mehr war, kurz nach der Rückkehr von der Hochzeitsreise das Badezimmer betrat, sich vor den Spiegel stellte, die Bluse aufknöpfte, den Büstenhalter auszog und mit der Mündung der Pistole ihres eigenen Vaters, der sich mit einem Teil der Familie und drei Gästen im Eßzimmer befand, ihr Herz suchte. << Der Leser ist nach diesem ersten Satz elektrisiert, und erwartet viel. Aber es kommt nichts …


    Das finde ich nun wirklich kurios, denn nachdem ich schon mit Interesse das Gespräch über das Buch in der "Ich-lese-gerade-"Rubrik verfolgt habe, fiel mir dort schon auf, dass ich mich nur noch an den Eingangssatz des Buches erinnern kann.
    Und tatsächlich ist es wie Du schreibst, der Spannungsbogen des Buches sowie meine eigene Aufmerksamkeitsspanne nahmen nach dem ersten Satz rapide ab und ich weiß wirklich nichts mehr über den Inhalt, was bei mir nicht oft vorkommt.
    Ich dachte damals, dass das Buch evtl. meinen bescheidenen Intellekt übersteigt, bin nun aber erleichtert, dass es anderen mit der Lektüre ähnlich erging.


    Ich habe das Buch von meiner Schwiegermutter geschenkt bekommen, die es sehr gut fand. Warum weiß ich allerdings nicht mehr.

  • Ich habe das Buch kurz nach seinem Erscheinen vor zwölf Jahren gelesen und es als relativ schwierig und sehr intellektuell in Erinnerung. Aus meinen Aufzeichnungen sehe ich aber, dass ich es damals mit der Note 2 bewertet habe. Irgendwas Faszinierendes scheint es für mich doch gehabt zu haben.
    Über den Inhalt kann man nicht allzu viel sagen, ohne etwas zu verraten, weil der rätselhafte Selbstmord, mit dem er beginnt, erst im Laufe der Geschichte aufgeklärt wird. Ich finde aber schon, dass das Macbeth-Motiv den Dreh- und Angelpunkt des Romans bildet. Denn es geht um die Macht der Sprache, was sie bewirkt, ja, was schon ein unbedachtes Wort anrichten kann, um Schuld und Unschuld, aber auch um das Motiv selbst, das nur auf andere Verhältnisse übertragen und auf verschiedenen Ebenen (als geschehen, möglich und bloß gedacht) durchgespielt wird.



    Ein damit zusammenhängendes und ebenfalls zentrales Thema ist die Beziehung zwischen Mann und Frau, das Misstrauen, das sich einschleicht, die Angst vor Verrat, die eigene Bereitschaft zum Verrat. Der Roman bietet schon etliche interessante Gedanken, Lesegenuss pur ist er aber nicht (jedenfalls nicht für mich).


    Gruß mofre

    :study: Zsuzsa Bánk - Die hellen Tage

    :study: Claire Keegan - Liebe im hohen Gras. Erzählungen

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  • Wie ist denn die Sprache?


    Es klingt nach einem schwer zu lesenden Buch, das wohl schon seine Qualitäten hat, aber das nicht so nebenbei gelesen werden kann, sondern intensive Auseinandersetzung braucht. Ist dem so?

  • @ Athiloris, Marias kann natürlich mit der Sprache umgehen, der Roman dreht sich ja auch sehr stark um die Sprache. Mir erschien sie allerdings als wenig sinnlich. Sie spürt den Dingen, Beziehungen und Phänomenen eher auf intellektuelle, analytische Weise nach.


    Gruß mofre

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  • das Muster vom Autor entsprach nicht meinem.


    Das spielt sicher auch eine Rolle. Misstrauen, Unehrlichkeit und Betrug zum Beispiel gibt es mehr oder weniger in jeder Beziehung, aber sie machen nicht das Wesen einer Beziehung aus, jedenfalls für mich nicht. Menschen, die von Natur aus oder aufgrund von Erfahrung misstrauisch sind, werden das anders sehen.



    Gruß mofre

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    Einmal editiert, zuletzt von mofre ()


  • Kannst du mal nachfragen warum? Das würde mich wirklich interessieren.
    Und danke Emuna :D


    Buchkrümel
    Ist zwar schon länger her, aber wir sprachen natürlich über das Buch.
    Wir haben zwar unterschiedlichen Lesegeschmack, doch, dass die Meinungen so extrem auseinander gehen, kommt eher seltener vor.
    Sie fand die Entwicklung des Romans spannend von der ersten Seite an, ich nicht. Ich wollte gar nicht wissen was kommt,
    ich fand es irgendwie uninteressant. Der Schreibstil des Autors hat ihr ausgesprochen gut gefallen, was ich nicht nachvollziehen konnte.
    Ich empfand es als Gedanken, Gedanken, Gedanken, denen ich nicht wirklich folgen konnte und wahrscheinlich, auch wollte.
    Ich glaube das war es auch.
    Richtig erklären kann ich es mir nicht, ich hatte wohl einfach keine Lust auf das Buch.
    Übrigens zweiten Versuch unternahm ich nur aus dem Grund, dass es ihr so gut gefallen hat,
    und wir wollten es natürlich verstehen, woran es lag. :wink:
    Hat aber leider nichts gebracht. Ich habe das Buch auch zum zweiten Mal weggelegt.
    LG

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  • Mir hat das Buch sehr, sehr gut gefallen!


    Hatte Anfangs Schwierigkeiten damit, aber nachdem ich mich dafür öffnen konnte, mich auf die verschachtelten Sätze eingelassen, quasi also mich nicht mehr dagegen gewehrt habe, fand ich es richtig genial und freute mich schon über die nächste Klippe in Form von Sätzen die eine halbe Taschenbuchausgabeseite locker erreichen. :-)
    Ich mag zwei Dinge sehr:


    1.) Das Stilmittel den Leser komplett in ein Gedankenkonstrukt zu vertiefen um dann mit den letzten Sätzen doch genau das Gegenteil zu postulieren, oder zumindest den zuvor mühsamst aufgebauten Gedanken stark zu relativieren. Das regt mich sehr zum selber-Denken an, weil ich generell dazu tendiere einer aufgestellten These erstmal kritisch gegenüber zu stehen, d.h. ich bekomme meine Argumente mit den letzen Worten mitgeliefert. :)


    2.) Die angesprochenen Themen finde ich äußerst interessant, denn es geht um menschliche Beziehungen im allgemeinen und Liebesbeziehungen im speziellen
    * Läßt die Liebe nach, wenn man plötzlich zusammen wohnt?
    * Wollen wir wirklich alles von unserem Partner wissen? Sollte nicht vielmehr jeder noch seine eigenen, kleinen Geheimnisse haben?
    * Verraten wir unsere ehemaligen Partner nicht, wenn wir jedes Details aus der Vergangenheit ausplaudern (Thema "das Bett lockert die Zunge")


    und noch vieles, vieles mehr was mir beim Thema Beziehung sowieso auch selber im Kopf rumspukt. :)


    LG
    Prof.P

    "So schön Liebesgeschichten auch sind, immer bringen sie Probleme mit sich,
    und zwar eine Menge Probleme. Wenn hingegen eine Liebesgeschichte perfekt ist,
    gibt es nur ein Problem, ein einziges: dass sie nämlich erlogen ist."
    Albert Sánchez Pinol - Pandora im Kongo

  • Ich habe das Buch Anfang des Jahres gelesen. Im Normalfall bin ich ein recht schneller Leser, doch dieses Buch hat mir Monate abverlangt. Ich hatte wirklich Angst es das nächste Mal aufzuschlagen und wieder sofort einen Satz zu sehen, der über 20 Zeilen geht.
    Mein negativer Eindruck lag jedoch nicht nur an der Schreibweise. Es ist ja ok, wenn man viele philosophische Elemente in sein Buch einbauen will. Ich komme auch damit klar, wenn diese Ergüsse über 5,6,7.. Seiten gehen, aber hier wurde immer wieder über das gleiche Thema geschrieben. Sowas in der Art wie "das Gesagte bedeutet genauso viel wie das Nichtgesagte, denn etwas ist nur wahr, wenn es nicht ausgesprochen wurde und somit wird das Wahre unwahr, indem man es ausspricht....". Es wurde auch über andere Theman geschrieben, die ja alle schon angesprochen wurden. Vieles regte auch wirklich zum Nachdenken an, jedoch hatte ich mich auf eine Spannende Geschichte über dunkle Familiengeheimnisse gefreut, wie es einem der Klappentext schmackhaft machte.
    Ich habe mich wirklich nur durchgequält. Ich bin froh, dass ich es getan habe. Aber nur, weil jetzt jedes Buch nur besser sein kann und ich stolz auf mich bin, dass ich es geschafft habe :) .

    "Jeder Fehler erscheint unglaublich dumm, wenn andere ihn begehen." (Lichtenberg)

  • Oh je, an dem Buch hatte ich mich auch mal versucht. Ich glaube, ich habe es nach 30 Seiten in die Ecke geworfen... :-,

  • Schade, dass ihr an der Form hängenbleibt.


    Der Inhalt regt doch sehr zum selber Nachdenken an, oder?


    Ich spüre gerade den Wunsch es nochmal zu lesen. :-)

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  • Schade, dass ihr an der Form hängenbleibt.
    Der Inhalt regt doch sehr zum selber Nachdenken an, oder?


    Das hat doch nichts mit der Form zu tun, wenn mir ein Buch auch inhaltlich nicht zusagt. Und was einem nachdenklich stimmt, das ist doch sehr individuell, hat nichts mit Oberflächlichkeit zu tun oder gar Verstehen. Schließlich kommt es sogar darauf an, zu welchen Zeitpunkt man ein Buch liest, manchmal können nur 2 Wochen schon den großen Unterschied machen. Also mir würde auch heute die Thematik und die Form nicht zusagen. Und auf einen erhobenen Zeigefinger reagiere ich eh allergisch :P

  • Buchkrümel,
    das war eine Frage, keine Kritik. :-)


    Finde das Thema einfach superspannend... existenziell... Und toll dass es Romane gibt, die sich damit beschäftigen, egal wie. :-)


    Von Oberflächlichkeit hab ich doch gar nichts gesagt... hast du da ein "issue"? ;-) *fg*

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