Friedrich Dürrenmatt: Der Verdacht; Jutta Steinbach Verlag; 3 MC 255 Minuten; ISBN: 3-88698-014-6
Die Diagnose ist eindeutig: Kommissar Bärlach von der Berner
Kantonspolizei hat Krebs. Dies wird ihm während eines
Krankenhausaufenthalts mitgeteilt. Als Bärlach noch im Krankenhaus
liegt, schöpft er den Verdacht, daß ein angesehener Züricher Arzt eine
berüchtigte Rolle während des Dritten Reiches spielte. War der
Mediziner ein Arzt, der in den Konzentrationslagern Operationen ohne
Narkose durchführte? Vom Krankenbett aus verfolgt er unbeirrt die Spur.
Der Jutta Steinbach Verlag veröffentlichte das Hörbuch. Die ungekürzte
Lesung umfaßt 3 CDs. Gerhard Dongus liest. Dongus wurde 1937 in
Stuttgart geboren. Er studierte Schauspiel an der Schauspielschule in
Stuttgart, arbeitete an mehreren Bühnen und ab 1967 auch für den
Süddeutschen Rundfunk und Südwestrundfunk als Sprecher für Hörspiel und
Literatur.
Die Kriegsverbrechen der deutschen Ärzte im 2. Weltkrieg in den
Konzentrationslagern - sie sind eigentlich ein schwieriges Thema für
einen Kriminalroman. Wie soll man damit umgehen? Wie soll man es
literarisch verarbeiten? Zumal noch als Schweizer? Was auf den ersten
Blick als unmöglich erscheint, gelingt Dürrenmatt grandios. Dürrenmatt
verwandelt das Thema "Kriegsverbrechen" in einen hervorragenden Krimi.
An ein Krankenbett gefesselt hat der Kommissar nur die Möglichkeit,
Zeugenaussagen zu nutzen und seinen Verstand zu benutzen. Keine brutale
Action, kein schnöseliges Mittelmaß tritt hier an den Leser heran;
reine Philosophie und Psychologie sind hier gefragt. So entstehen hier
eine dichte Atmosphäre und eine subtile Spannung, die den Hörer in den
Bann schlägt.
Doch diesen Stoff als Lesung zu verhunzen ist sicherlich ein Fehler.
Ein paar Elemente des Hörspiels hätten die Produktion bestimmt
aufgewertet. Es hätte nur wenige Zugeständnisse bedurft, das Buch in
eine gelungene Hörspielproduktion umzuwandeln. Verschiedene Sprecher,
leichte sprachliche Anpassungen und eventuell ein paar
Hintergrundgeräusche seien hier als Beispiele genannt. Und schon wäre
es dem Hörer einfacher, die 255 Minuten Länge auch durchzuhalten. Hier
verpaßte der Verlag leichtfertig eine Chance, ein gutes Hörbuch
abzuliefern.