Friedrich Dürrenmatt: Der Verdacht

  • Friedrich Dürrenmatt: Der Verdacht; Rowohlt Taschenbuch Verlag Reinbek bei Hamburg 1961; 121 Seiten; ISBN 3-499-10448-2

    Ernst Bärlach ist Kriminalkommissar bei der Polizei in Bern. Er begibt sich als Patient zu einem verbrecherischen Arzt und möchte dessen dunkle Vergangenheit aufdeckten.


    Der Roman gehört heute schon zu den Klassikern des deutschsprachigen Kriminalromans. Und das liegt nicht nur - beispielsweise - an dem Thema des Werkes: Nämlich die Verarbeitung der deutschen Vergangenheit in den dunklen Jahren des Dritten Reiches. Fritz Emmenberger, der Arzt, um den es hier letztendlich geht, war einer jener sadistischen Ärzte, die in den Konzentrationslagern gewütet haben. Er ist jetzt der Besitzer einer Privatklinik in der Schweiz. Schuld und Sühne, medizinische Ethik und (un)menschliches Handeln - dies könnte ein Interpretationsansatz sein.


    In der Sekundärliteratur sind noch weitere Interpretationsmöglichkeiten angedeutet: "Ein wiederkehrendes Motiv in Dürrenmatts Kriminalromanen ist das „unentdeckteDes Weiteren wirft der Roman eine noch sehr viel philosophischere Frage auf: Wer hindert die Menschen Böses zu tun, wenn sie an keine höhere Macht glauben und das Böse nicht aus Angst vor einer metaphysischen Instanz meiden? Verbrechen“: Handlungen, die bei Kenntnis sämtlicher Umstände unzweifelhaft verbrecherisch sind; die entsprechenden Fakten jedoch kommen der Justiz nicht zur Kenntnis," ist in dem Beitrag "Der Verdacht" in dem Weltnetzwörterbuch "Wikipedia" zu lesen, um nur ein Beispiel zu bringen.


    Atmosphärisch dicht und spannend geschrieben - so läßt sich der Roman auf jeden Fall beschreiben. Fängt man einmal an, ihn zu lesen, möchte man nicht mehr damit aufhören. Da stört es auch nicht, daß der klassische kriminalliterarische Dreisprung (Aufgabenstellung - Tätigkeit des Detektivs/Polizeikommissars - Lösung) nicht klassisch eingehalten wird. Mit dem Juden Gulliver gibt es einen Zeugen der Untaten Emmenbergers, der schon im Laufe der Handlung von den Verbrechen berichtet. Emmenberger wird am Ende auch nicht verhaftet, sondern durch die Hand Gullivers seinem Schöpfer zugeführt. Man darf die Lösung hier durchaus verraten, ohne der Spannung einen Abbruch zu tun.


    Dürrenmatt ist mit diesem Krimi jedenfalls auf dem Höhepunkt seines schriftstellerischen Schaffens angelangt, zumindest was sein kriminalliterarisches Werk anbelangt.