Anne Tyler - Im Krieg und in der Liebe / The Amateur Marriage

  • Kurzmeinung

    Emili
    Für mich zu alltäglich, habe was anderes erwartet. Aber gekonnt erzählt
  • Pauline und Michael - zwei Menschen, die unterschiedlicher nicht sein können. Sie, die quirlige, lebenslustige Frau, die vor Energie überzuschäumen droht - er, der nüchterne, seine Gefühle hinter dem Berg haltende Mann. Gegensätze eben, die sich zu Beginn des Buches sprichwörtlich anziehen. Beide lernen sich 1941 zur Zeit des Angriffs auf Pearl Harbor kennen - Michael zieht in den Krieg, wird verwundet und kommt zurück. Beide heiraten, gründen eine Familie.
    Anne Tyler zeichnete mit diesem Roman eine Beziehungsgeschichte, wie sie hinter vielen Türen spielen könnte. Sie begleitet Pauline und Michael durch die Höhen und Tiefen ihrer Ehe, wobei man als Leser den Eindruck erhält, dass diese Ehe vorrangig aus Tiefen zu bestehen scheint. Das Gegebene wird hingenommen, selbst der Verlust der Tochter, welche spurlos verschwindet, bringt sie einander nicht näher. Vorwürfe sind an der Tagesordnung, Konflikte scheinen aus dem Nichts zu entstehen. Keiner kämpft für den Erhalt der Ehe. Der Alltag in vielen Beziehungen.
    Als Leser steht man zwischen beiden, kann sowohl den einen, als auch den anderen verstehen - möchte wachrütteln.


    Die Normalität ist es, die dieses Buch lesenwert macht :thumright: .

  • Tweetywoman, das trifft es auf den Punkt! Ich habe das Buch auch vor einiger Zeit gelesen und sehe es wie du: Die Normalität macht das Buch lesenswert.


    Das Buch ist immer gerade noch spannend genug, um mich als Leser nicht zu langweilen. Ich habe das Buch mit :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: bewertet.


    :flower:

    "Hab Vertrauen in den, der dich wirft, denn er liebt dich und wird vollkommen unerwartet auch der Fänger sein."
    Hape Kerkeling


    "Jemanden zu lieben bedeutet, ihn freizulassen. Denn wer liebt, kehrt zurück."
    Bettina Belitz - Scherbenmond


    http://www.lektorat-sprachgefuehl.de

  • Mich hat das Buch sehr beeindruckt und auch sehr zum Grübeln gebracht.
    Es gab einige Punkte die, wenn auch nicht so ausgeprägt, sicherlich in vielen Ehen vorkommen.
    Seit diesem Buch achte ich bewusste auf den Umgang mit meinem Mann und hinterfrage
    manche Sachen genauer.

    :study: "Arkadien brennt" von Kai Meyer



    Gelesene Bücher 2010: 55
    Gelesene Bücher 2011: 5



  • Nach den vielen positiven Meinungen zu dem Buch bin ich wohl mit etwas zu hohen
    Erwartungen an das Buch gegangen. Insgesamt fand ich die Geschichte der Familie unterhaltsam
    und nett geschrieben. Aber als "Highlight" würde ich das Buch für mich nicht bezeichnen.

  • Klappentext (Amazon.de)
    Es beginnt an einem Montagnachmittag im Kriegsjahr 1941: Ein Mädchen im roten Mantel betritt den Lebensmittelladen von Michaels Mutter, und um Michael ist es geschehen. Unter den aufmerksamen Blicken der Nachbarschaft werden er und Pauline ein Paar. Doch was als große Liebe anfängt, muss keineswegs als gute Ehe enden – die lebhafte Pauline, die spontan und mit vollem Risiko durch die Welt stürmt, und der ruhige, überlegte Michael, der für den Laden und seine Familie lebt, haben ganz unterschiedliche Wünsche und Träume. Dennoch heiraten sie, bekommen drei Kinder – und kämpfen unaufhörlich gegeneinander um das, was ihnen jeweils wichtig ist. Ihre Kinder Lindy, George und Karen leiden, jedes auf seine Weise, unter den ständigen Auseinandersetzungen der Eltern, sie ducken sich, schweigen und suchen früh eigene Wege ins Leben. Am dreißigsten Hochzeitstag endlich entdeckt Michael, dass er und Pauline sich kaum an schöne gemeinsame Stunden erinnern können – und er verlässt diese unglückliche Ehe. Aber kann er auch die Liebe seines Lebens hinter sich lassen?


    Als Highlight würde ich das Buch auch nicht bezeichnen. Es hat mich eher auf stille Art angesprochen.
    Wie Tweetywoman schon schrieb: "Die Normalität macht es lesenwert"!
    Mir hat sehr gut gefallen, dass recht objektiv geschrieben wurde und die Perspektiven und Charaktereigenschaften von beiden beschrieben wurden. Auch dass die gesamte Familie durch so viele Jahre begleitet wurde hat mir gefallen, auch wenn die Zeitsprünge recht gewöhnungsbedürftig waren.
    Ich fand es lesenwert und vergebe vier Sterne.
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Das Paradies habe ich mir immer als eine Art Bibliothek vorgestellt.
    (Jorge Luis Borges)

  • Gestern habe ich das Buch beendet und ich brauchte jetzt erstmal emotionale Distanz zur erzählten Geschichte, um meine Rezension nicht von meinen ureigenen Gefühlen verfälschen zu lassen. Über den Inhalt muss ich nun kein Wort mehr verlieren, darüber wurde alles wichtige gesagt.


    Die Normalität ist es, die dieses Buch lesenwert macht

    Ich glaube, das ist bei allen Büchern von Anne Tyler so, zumindest trifft es auf die von mir gelesenen zu. Und diese - in diesem Fall sehr grausame - Normalität erzählt sie mit einer solchen Perfektion, dass ihre Bücher absolut lesenswert sind. Allerdings hat mir aus persönlichen Gründen diese Perfektion in dieser Geschichte auch zu schaffen gemacht. Daher der eine Tag Distanz, bis ich jetzt ruhig meine Kommentare abgeben kann. Denn anfangs wäre meine Bewertung niedriger ausgefallen, aus rein gefühlstechnischen Gründen - aber diese Gründe haben mit mir zu tun, nicht mit der Geschichte und wie sie aufgebaut ist. Heute kann ich ganz klar zur Höchstwertung stehen und sagen: ein Highlight :D Aber ich habe etliches natürlich anders wahrgenommen als andere Leser.


    Man leidet mit allen Beteiligten, freut sich aber auch mit ihnen über ihre Triumphe.

    Da ging es mir anders - hatte ich vielleicht in den ersten Ehejahren noch etwas Mitleid mit Michael und Pauline, so ist das ziemlich komplett in der Versenkung verschwunden und machte einer unheimlichen Wut Platz. Da sind zwei angeblich erwachsene Menschen, die es über Jahrzehnte nicht schaffen, auf Dauer auch nur annähernd zivilisiert miteinander umzugehen und das schlussendlich auf dem Rücken der Kinder austragen? Denn die können sich nicht entziehen und bekommen alles voll mit und ab. Nein, mein Mitleid war recht schnell aufgebraucht für die beiden. Leid taten mir nur die Kinder, besonders die beiden Jüngeren. Und die Triumphe der Erwachsenen waren doch auch häufig nur Streit-Triumphe einer über den anderen.

    Die erwachsenen Protagonisten waren damit zwei von der Art, die mir zutiefst unsympathisch wurden, mit jeder erzählten Geschichte mehr. Denn auch der ruhige Michael zieht sich auf Kosten der Kinder nur zurück, auch wenn er vielfach als der Leidtragende dargestellt scheint.

    Trotz allem bewahrt man eine gewisse Distanz zu den Vorgängen, auch wenn die wechselnde Erzählperspektive in jedem Kapitel dem Leser wertvollen Einblick in die Gedanken der jeweiligen Person bietet.

    Das konnte ich überhaupt nicht, meine Distanz war schnell dahin - auch das hat natürlich persönliche Gründe, aber damit ändert sich ja alles beim Lesen. Wenn ich mich als Kind in die Geschichte übertragen müsste, so wäre ich Karen, sie war meine Identifikationsfigur in diesem Roman. Und sie und ihr Verhalten - als Kind wie als Erwachsene - konnte ich auch sehr gut verstehen und nachvollziehen.


    Die Autorin nimmt für keinen Partei und gerade diese Neutralität ist wohl auch die Stärke des Romans.

    Diese Aussage kann ich unterschreiben. Ich finde es schon verblüffend, wie die Autorin die Neutralität behalten kann und das ist für mich auch einer der herausragenden Aspekte ihrer Romane.


    Trotzdem hielt die Familie zusammen auch nach der Scheidung der Eltern.

    Ich weiß, dass Wirbelwind mir nicht mehr antworten kann, aber ich muss es trotzdem loswerden: hält die Familie wirklich zusammen? Oder funktionieren Michael und George nicht einfach nur auf Knopfdruck weiter, weil sonst die alltags-untaugliche Pauline ihnen wieder eine Szene liefert? Persönlich empfinde ich es nämlich so und nicht anders.


    Das Ende mit seinen Andeutungen ist für mich völlig in Ordnung, denn es ist schlüssig und passt. Auch wenn ich mit meinen Empfindungen der Protagonisten evtl. sehr anders liege als die anderen Leser, so spreche ich ihnen ihre Gefühle nicht ab. Aber ihr daraus resultierendes Verhalten sehe ich halt so gar nicht positiv.

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • Es war sehr interessant, eure Meinungen zu diesem Roman zu lesen, schön, dass es so viele dazu gibt :).


    Mir hat es ebenfalls sehr beeindruckt.

    Was dieses Buch für mich so besonders gemacht hat, ist der Verzicht auf die großen Dramen des Lebens, die sonst meist im Mittelpunkt von Familienromanen stehen. Auch in dieser Familie gibt es sie, aber sie werden weitgehend am Rand, oft rückblickend erwähnt. Die eigentlich bzw. vermeintlich unbedeutenden Dramen im Alltag "ganz normaler Menschen"spielen hier die Hauptrolle. Manchmal ist mir schier die Spucke weggeblieben, wie wenig sich Michael und Pauline manchmal beherrschen konnten, welche Verletzungen sie sich zugefügt haben in ihren erbitterten Streits. Jeder auf seine Weise unerbittlich, wobei ich den Eindruck hatte, dass Pauline "danach" relativ rasch vergessen und zum Alltag übergehen konnte, während sich bei Michael der Frust und das Unglücklichsein zu einem stetig höheren Berg aufgetürmt hat, der ihn schließlich dermaßen erdrückte, dass er bei einem vergleichsweise nichtigen Anlass endgültig das Schlachtfeld verlassen hat.


    Aber neben diesen, auch für mich als Leserin, schmerzvollen Szenen gab es eine ganze Reihe von leisen, berührenden Momenten, wie z.B. S. 185, ganz am Ende des 5. Kapitels, als sich der kleine Pagan neben Michael setzt "...und die beiden saßen da und schauten in den Himmel". Ich habe mich oft gefragt, was die Kinder wohl denken, wie sie das Ehedrama ihrer Eltern empfinden, damit umgehen, ob und wie sie es verarbeiten. Das steht weitgehend zwischen den Zeilen. Zweifellos werden sie davon geprägt, aber wie genau, das steht weitgehend zwischen den Zeilen und bleibt ein bisschen dem Einfühlen bzw. Interpretieren des Lesers überlassen.

    Zitat von Fezzig

    Die Autorin nimmt für keinen Partei und gerade diese Neutralität ist wohl auch die Stärke des Romans.

    Ja, das denke ich auch. Die wechselnden Perspektiven machen einen Teil der Faszination aus, denn obwohl die Autorin in größeren zeitlichen Abständen "nur" Schlaglichter auf das Leben ihrer Protagonisten wirft, war ich durchgehend gefesselt und habe nichts vermisst.

  • Der Roman ist vom alltäglichen, vom banalen geprägt. Anfangs dachte ich sogar, ich müsste das Buch abbrechen, denn es war mir zu langweilig, zu eintönig, zu wenig an der Thematik für einen Roman. Es lohnte sich nicht darüber zu erzählen... Ich wartete ganze Zeit darauf, dass es was passieren müsste, damit Bewegung, Leben und Gefühl mal endlich in der Geschichte aufkommen, denn für mich war es zu trocken, zu sachlich und zu banal.


    Sie lieben sich, sie hassen sich, können nicht miteinander, streiten sich ewig... Da dachte ich mir lasst euch doch scheiden, und gut ist es. Ich musste von meinem Gefühl und meiner Neugier her diese Geschichte nicht miterleben.


    Zum Glück habe ich durchgehalten, es kam Bewegung in das Geschehen. Die Protagonisten waren immer noch nicht ganz glücklich, nicht ganz zufrieden, aber die haben wenigstens was getan, um den Zustand zu ändern. Das konnte ich dann schon besser lesen.


    Dazu muss ich sagen, dass der Roman sehr schön erzählt worden ist, und das von Anfang an, wenn ich mit der Handlung nicht zurecht kam, heißt es nicht, dass die Geschichte schlecht erzählt worden ist. Nein, das nicht... Die Autorin ist eine gute Erzählerin, und nachdem ich mich in die Story eingefunden habe, hat mich auch das Geschehen mehr interessiert. Doch das Ende war wieder nicht nach meinem Geschmack...


    Wie eine Kerze, die nach und nach abbrennt und einfach erlischt, so fühlte sich das Ende an. Ohne einen nennenswerten Abschluss, also wir waren wieder bei Banalitäten und Nichtigkeiten.


    Ich bin froh, die Geschichte gelesen zu haben, ich wollte schon lange ein Buch von Anne Tyler kennenlernen, aber hundertprozentig zufrieden bin ich nicht. Mit meiner Meinung zu diesem Roman stehe ich wohl allein da. Denn das Buch hat überraschend nur gute Bewertungen erhalten, was ich nicht ganz nachvollziehen kann. Denn für mich ist es wahrlich kein Highlight. Aber nun ja, wie gesagt ich bin froh ein Werk von Tyler gelesen zu haben. Möglich, dass ich bei Gelegenheit noch ein weiteres Buch von der Autorin lese.

    2024: Bücher: 99/Seiten: 43 438

    2023: Bücher: 189/Seiten: 73 404

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    Mein Blog: Zauberwelt des Lesens
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    Macdonald, Helen/Blaché, Sin - Prophet