Bill Bryson - Streifzüge durchs Abendland

  • 314 Seiten
    Euro: 8.-


    Normalerweise setzt sich Bill Bryson nur mit einem einzelnen Kulturkreis in seinen Büchern auseinander, wobei er durch seine Beobachtungen und seinen Witz oft überzeugen kann. Der vorliegende Band ist da etwas anders, da sich Bill hier durch verschiedene europäische Länder bewegt, wobei er auf Grund von Zufällen in seinem Reiseverlauf oder durch plötzliche Einfälle gelegentlich sehr interessante Sprünge macht.


    Die Idee für die Reise geht auf einen vergleichbaren Trip zurück, den Bill in seiner Jugendzeit mit einem Altersgenossen gemacht hat, der Alles in Allem ein nicht besonders angenehmer Zeitgenosse gewesen zu sein scheint. Zunächst um Systematik bemüht begibt sich Bill als Erstes nach Hammerfest um die nördlichste menschliche Siedlung in Europa zu besuchen und das Nordlicht zu genießen. Nach einigen weiteren reisen durch den skandinavischen Raum beschließt er dann schließlich – relativ frustriert von Kälte und Dunkelheit – sich zunächst im mitteleuropäischen Raum umzusehen, wobei die für einen Angelsachsen üblichen Klagen über unhöfliche Kellner in Paris wieder einmal wiederholt werden. Auch kann er zum Beispiel mit dem Centre Pompidou nicht sonderlich viel anfangen. Brüssel und Belgien können ihn auch nicht besonders begeistern, wohingegen ihm Aachen und der dortige Dom in wahre Begeisterungsstürme ausbrechen lassen. Für mich unverständlich war seine eher negative Sicht von Köln und des Kölner Doms, was aber vielleicht eher an mir liegen dürfte. Er sollte den besuch vielleicht mal auf Altweiber wiederholen.


    In Amsterdam amüsiert er sich über die Hippies und die Prostituierten scheinen im Vergleich zu seiner Jugend an Attraktivität verloren zu haben, dafür geht er hier aber die üblichen Sehenswürdigkeiten ab. Nach einem weiteren Abstecher nach Norden zieht es ihn schließlich nach Italien, wo er ziemlich viel Zeit verbringt und sich im Großen und Ganzen am wohlsten zu fühlen scheint. Die Schweiz und Liechtenstein gefallen ihm nicht besonders, aber die Leserinnen und Leser bekommen hier ein paar ungewohnte Einblicke in die schweizerische Mentalität. Innsbruck beschreibt er bei seiner Ankunft in Österreich als die wohl typischste europäische Stadt, aber sein Zug durch Österreich ist auch eher kritisch, was wohl auch mit unangenehmen Erfahrungen auf seinem ersten Europatrip zu tun haben dürfte. Andererseits lässt er sich auch sehr über aktuelle antisemitische Tendenzen in Österreich zum Zeitpunkt des Schreibens dieses Buches aus und hat auch Einiges über Kurt Waldheim zu sagen.


    Abgerundet wird der Trip durch einen Besuch von Sofia und schließlich Istanbul, das er ganz schrecklich findet. Insgesamt wird Bill in diesem buch den verschiedenen regionalen Besonderheiten der von ihm besuchten Städte nicht gerecht – wie man am Vergleich Hamburg und Köln sieht – und er ist für einen Reiseautoren eigentlich zu wenig experimentierfreudig in Bezug aufs Essen. Hier neigen seine Vorurteile geradezu ins Lächerliche. Auch ist sein Verhalten als Gast in einigen Hotels manchmal nur als unangenehm und teilweise als kriminell zu sehen, so dass er sich mit diesem Buch eine Menge Sympathiepunkte verscherzt, die er in anderen Büchern zuvor gewonnen hat.

  • Hallo K.-G. Beck-Ewe!


    Endlich mal jemand, der auch Bill Bryson liest. Deiner Meinung zu den "Streifzügen durchs Abendland" kann ich mich nur anschließen, im Vergleich zu seinen übrigen Büchern war es wirklich enttäuschend, gerade weil ich seine Bewertung der jeweiligen Orte fast nie nachvollziehen konnte.


    LG schnakchen

  • Ich habe das Buch vor ein paar Wochen auf englisch gelesen (siehe unten).
    Zuvor hatte ich schon von ein paar Leuten gehört, dass Brysons "Humor" in diesem Buch, im Gegensatz zu seinen anderen Büchern, weder witzig noch originell sei und fand dies beim Lesen dann leider auch bestätigt. Bisher hielt ich Bryson für einen wirklich netten Kerl, denn so kam er in seinen anderen Büchern immer rüber, aber nach dieser Lektüre bin ich mir nicht mehr so sicher, dass er nicht doch einfach nur ein weiterer weltfremder Amerikaner ist, der nicht über amerikanische Vorurteile gegenüber den Europäern hinwegkommt.
    Besonders seine Kommentare zu den ärmlichen Verhältnissen in einigen osteuropäischen Ländern und seine schon fast wie ein "Hilfe, holt mich hier raus!" anmutende Haltung dort fand ich äußerst unpassend und zum Teil auch beleidigend. Man muss bedenken, dass das Buch Anfang der 90er erschienen ist, damals war gerade erst die Mauer gefallen und es war nun wirklich nicht verwunderlich, dass die Ostblockstaaten noch nicht zu dem geworden waren, was sie heute sind. Natürlich konnte Bryson damals nicht wissen, dass auch dort einmal der Aufschwung herrschen und alles um einiges moderner werden würde, aber ein bisschen mehr Respekt gegenüber anderen Ländern und anderen Sitten hätte ich von einem Reiseautor eigentlich schon erwartet. Ich kann mich K.G. nur anschließen, Bryson hat sich mit diesem Buch einiges an Sympathie bei mir verspielt. :thumbdown: