Nicole Seifert - "Einige Herren sagten etwas dazu"

  • Bereits mit ihrem ersten Sachbuch „Frauen Literatur“ ist es Nicole Seifert gelungen, gleichzeitig zu informieren, wachzurütteln und den Puls vor Wut auf 200 zu bringen. In ihrem neuen Werk „‘Einige Herren sagten etwas dazu‘“ trifft all das wieder zu und die Wut steigt ins Unermessliche. Seifert erzählt von den Autorinnen der Gruppe 47 und zeigt auf, dass eben nicht nur Schriftstellerinnen wie Ilse Aichinger oder Ingeborg Bachmann vor der Gruppe gelesen haben. Insgesamt porträtiert sie 17 Frauen, die zwischen 1947 und 1967 ihre Texte auf den Tagungen der Gruppe vorgetragen haben.


    Schnell wird deutlich, dass Autorinnen in der Gruppe 47 einen schweren Stand hatten. Sie dienten als Lustobjekte, ihr Aussehen wurde ebenso kommentiert und diskutiert, wie ihr Verhalten und ihre Texte traten völlig in den Hintergrund. Zudem schienen die anwesenden Herren eher verschnupft zu reagieren, wenn eine Frau mehr Talent zeigte, als sie es selbst vielleicht besaßen und verteilten harsche, bodenlose Kritik. Nicht weniger negativ verhielt sich die Presse, liest man bspw. die teilweise unverschämten Nachrufe auf Autorinnen der Gruppe 47.


    Generell schien der männliche Kern der Gruppe einem starren Denken verhaftet, was vielleicht auch erklärt, warum keine Exildichter*innen zu den Treffen eingeladen wurden. Eine Auseinandersetzung mit dem Dritten Reich war nicht erwünscht – was in einer demütigenden Szene endete, als der jüdische Dichter Paul Celan vor der Gruppe las. Doch zurück zu den Frauen: Sie kamen aus unterschiedlichen Lebenssituationen, viele von ihnen waren jedoch Akademikerinnen. Manche waren zudem Mütter, wie Ingeborg Drewitz, und mussten die Teilnahme im Vorfeld straff organisieren – undenkbar, dass der eigene Ehemann die Kinder hütet. Manche von Ihnen, wie Gisela Elsner, wurden von der Gruppe 47 und ihrem Verlag in eine Rolle gedrängt, die sie nicht erfüllen wollten und rebellierten.


    In einem letzten Kapitel zieht Nicole Seifert schließlich ein Fazit und dieses hätte, für mich persönlich, gerne noch etwas länger sein dürfen. Wieder ist ihr jedoch ein Werk gelungen, das den Blick verändert – danke dafür! :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Mir fiel es noch nie so schwer, ein Buch zu beenden. Nicht, weil es schlecht geschrieben wäre oder nicht interessant genug. Ganz im Gegenteil. Aber so geballt zu lesen, wie Frauen herabgewürdigt werden, sie nur nach Äußerlichkeiten beurteilt werden und nicht nach ihren Werken. Was müssen viele der Männer dieser Gruppe für Angsthasen gewesen sein.

    Dies ist nicht das erste Buch dieser Art, das ich gelesen habe. Ich erinnere an "Zensiert, verschwiegen, vergessen" von Ines Geipel und "Ich finde es unanständig, vorsichtig zu leben" von Iris Schürmann-Mock. Nach diesen Leseerfahrungen möchte ich mich fast den Ärzten anschließen: "Männer sind Schweine". Und ich habe immer weniger Lust, das Buch eines Autoren in die Hand zu nehmen.

    Denn ich, ohne Bücher, bin nicht ich. - Christa Wolf


    2022 - 64

    2023 - 84 von 80 - geschafft :)