Nele Neuhaus - Monster

  • Kurzmeinung

    drawe
    Krimi mit spektakulärer Ausweitung, bleibt aber unverbindlich
  • Kurzmeinung

    Pasghetti
    Nele Neuhaus enttäuscht mal wieder nicht. Der Wahnsinn!

  • Klappentext (amazon):


    Hinter einem Marienaltar im Feld bei Schwalbach wird die Leiche eines jungen Mädchens gefunden. Der Körper ist mit einer Eisschicht überzogen, nachts hatten Temperaturen um die -10° C geherrscht. Die 16-jährige Larissa Jansen wurde erdrosselt. Pia Sander und Oliver von Bodenstein nehmen die Ermittlungen auf.


    Durch eine DNA-Analyse gerät Farwad M. unter Mordverdacht, ein abgelehnter afghanischer Asylbewerber, der erst kürzlich zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde. Doch er konnte untertauchen, als er nach einer Haftbeschwerde aus der Untersuchungshaft entlassen wurde. Die Öffentlichkeit ist empört. Unbekannte werfen Molotow-Cocktails auf Flüchtlingswohnheime, die Bewohner sind in Todesangst.


    Dann wird auf einer Landstraße im Hintertaunus ein Mann von einem Auto erfasst und getötet. Sein Körper ist übersät mit Bisswunden, sein Gesicht ist entstellt. Aufgrund von Fingerabdrücken kann der Mann identifiziert werden; er hatte fahrlässig eine schwangere Frau getötet und wurde gerade erst aus der Haft entlassen. Wovor ist er geflohen und wer hat ihn so zugerichtet?


    Pia und Bodenstein stoßen auf immer mehr rätselhafte Todes- und Vermisstenfälle. Doch jede Spur führt in eine Sackgasse...



    Mein Hör-Eindruck:

    Der Krimi beginnt ganz klassisch mit einem Mordfall: eine 16jährige wird erdrosselt aufgefunden. Ein afghanischer Asylbewerber gerät unter Verdacht, er wird entführt – und nun weitet sich der Fall aus. Die Autorin hat sich offensichtlich inspirieren lassen von tatsächlichen Ereignissen der jüngeren Vergangenheit, z. B. der Mordserie der NSU. Bei der Ausweitung des ursprünglichen Mordfalles zündet sie ein Feuerwerk an Themen, die überwiegend hochaktuell sind: Migrationsprobleme und Flüchtlingspolitik, Übergriffe auf Asylunterkünfte, Missbrauch, Überlastung der Gerichte, Geiselnahme, Lynchjustiz, Missbrauch, Zwangsverheiratungen in türkischen Familien, Rassismus, Korruption in Polizeikreisen und im BND etc.


    Diesen brisanten Themen mengt sie allgemein menschliche Themen bei und verknüpft alles souverän zu einem dichten Krimi-Gewebe. Eine weitere Ergänzung besteht in den Liebesfreuden und -leiden der beiden Hauptermittler, die die Leser der Serie sicher erwarten.


    Nele Neuhaus ist eine Erzählerin, die ihre Leser routiniert durch die Wirren der Erzählung führt. Ständige Wiederholungen und Zusammenfassungen sollen vermutlich das Verständnis des Lesers sichern; mir waren sie allmählich lästig, trotz der gekürzten Hörbuchfassung. Der ursprüngliche Mordfall gerät bei der Fülle an Verwicklungen und Mordfällen ab und an ins Hintertreffen. Durch die enorme und überaus spektakuläre Ausweitung des Falls treten viele Personen auf, die oft nur oberflächlich skizziert werden können.


    Sehr schade fand ich, dass Nele Neuhaus die brisant aktuellen Themen immer wieder ins Unverbindliche manövriert. So wird z. B. die Klage eines Richters über die Probleme bei Jugendstrafverfahren nicht als Problem des Systems vermittelt, sondern als rein persönliches Problem dieses Richters dargestellt. Hier hätte ich mir etwas mehr Biss bzw. Haltung gewünscht, aber Nele Neuhaus mutet ihren Lesern keine Irritationen zu.


    Ein Vorzug: der Krimi ist auch für Nicht-Leser der Reihe problemlos zu lesen.

    Und Julia Nachtmann als Vorleserin lässt einen über manche Unebenheiten hinwegsehen.

    Daher


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Danke für diese Zusammenfassung, drawe, kurz und knapp, sehr treffend in der Wortwahl. :thumleft:

    Durch die enorme und überaus spektakuläre Ausweitung des Falls treten viele Personen auf, die oft nur oberflächlich skizziert werden können.

    Das klingt nach Nele Neuhaus wie man sie kennt. Die Fülle an Personen, die sie auf Kosten einer intensiveren charakterlichen Ausarbeitung einsetzt, hätte es in den Krimis, die ich gehört habe, auch nicht unbedingt gebraucht. Davon abgesehen, mag ich ihren Stil gern.

    Sehr schade fand ich, dass Nele Neuhaus die brisant aktuellen Themen immer wieder ins Unverbindliche manövriert. So wird z. B. die Klage eines Richters über die Probleme bei Jugendstrafverfahren nicht als Problem des Systems vermittelt, sondern als rein persönliches Problem dieses Richters dargestellt.

    Gut, dass du das angesprochen hast. Solche Darstellungen sind tatsächlich ein Ärgernis und das werde ich mir ersparen.

    Liebe Grüße von Lorraine :)


    "Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen." (Karl Kraus) :study:

  • Liebe Lorraine , danke für Deine positive Rückmeldung, das freut mich immer.


    Davon abgesehen, mag ich ihren Stil gern.

    Das geht mir auch so. Sie kann einfach erzählen. Die Handlung schnürlt sich ab, man geht als Leser mit.

    Solche Darstellungen sind tatsächlich ein Ärgernis und das werde ich mir ersparen.

    Ich kann schon verstehen, wieso sie dies und anderes als rein persönliche Probleme erzählt. Sie will ihre Leser nicht beunruhigen, wenn sie auf einmal kritische Töne anschlägt.

    Und ich finde eben, dass das eine gute Chance gewesen wäre, einen Missstand als systembedingt darzustellen.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • danke für Deine positive Rückmeldung, das freut mich immer.

    Sehr gerne!

    Leider fehlt das Diskutieren bzw. Kommentieren (zumindest im Rezensionsbereich) doch ein wenig.

    Und ich finde eben, dass das eine gute Chance gewesen wäre, einen Missstand als systembedingt darzustellen.

    Ja, unbedingt.

    Allerdings könnte ich mir vorstellen, dass persönliche Befindlichkeiten von vielen Lesern/Hörern spannender empfunden werden als eine systemkritische Darstellung. Vielleicht war das auch eine Überlegung der Autorin? :-k

    Irgendwie bin ich jetzt neugierig geworden ... und ich werde mir das Hörbuch bei Gelegenheit womöglich doch zu Gemüte führen.

    Liebe Grüße von Lorraine :)


    "Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen." (Karl Kraus) :study:

  • Allerdings könnte ich mir vorstellen, dass persönliche Befindlichkeiten von vielen Lesern/Hörern spannender empfunden werden als eine systemkritische Darstellung. Vielleicht war das auch eine Überlegung der Autorin?

    Möglich, ja! Aber man hätte beides durchaus miteinander verbinden können.

    Es gibt viele Romane, z. B. die von Claire Keegan, von Richard Wagamese und vielen anderen, die ein persönliches Schicksal erzählen und trotzdem dem Leser deutlich machen, dass die Ursachen in einem System liegen.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • und trotzdem dem Leser deutlich machen, dass die Ursachen in einem System liegen.

    Das wäre natürlich wünschenswert, aber ich denke, dass Krimiautoren wieder ein anderes Publikum ansprechen und andere Prioritäten setzen wollen als die von dir genannten Autoren.

    Liebe Grüße von Lorraine :)


    "Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen." (Karl Kraus) :study:

  • ass Krimiautoren wieder ein anderes Publikum ansprechen und andere Prioritäten setzen wollen als die von dir genannten Autoren.

    Ja, da magst Du Recht haben. Ich lese gerne Krimis, und da muss ich mal drauf achten.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).