Ruth Ozeki - Geschichte für einen Augenblick / A Tale for the Time Being

  • Kurzmeinung

    drawe
    Interessante Einblicke in japanisches Denken, aber die Autorin macht -zig Fässer auf und kriegt den Deckel nicht drauf.
  • Kurzmeinung

    Sarange
    Interessante Thematik, aber Abbruch, weil die vielen Fußnoten im schlecht formatierten eBook den Lesefluss zerstörten.
  • Klappentext:


    »Hallo! Ich heiße Nao, und ich bin ein Zeitwesen. Weißt du, was ein Zeitwesen ist? Wenn du einen Moment hast, erzähl ich es dir.« So beginnt das Tagebuch des japanischen Teenagers Nao, das eines Tages am Strand einer kanadischen Pazifikinsel angespült wird. Nao schreibt von Einsamkeit und Mobbing, vom depressiven Vater, von ihrer schillernden Urgroßmutter Jiko und den Geheimnissen des Zen. Die Autorin Ruth, die das Tagebuch gefunden hat, ist bald wie gebannt von Naos Notizen und beginnt zugleich um ihr Leben zu fürchten – hat Nao letztlich Selbstmord begangen? Ist sie im Tsunami gestorben? Die Suche nach Antworten gerät für Ruth zu einer magischen Reise durch die Gegenwart, die am Ende auch den Blick auf ihr eigenes Leben verwandelt.



    Mein Lese-Eindruck:


    Ruth, eine Schriftstellerin, die auf einer kleinen Insel von British Columbia lebt, findet am Strand ein ganz besonderes Treibgut: ein Päckchen mit einer Uhr, mit Briefen und dem Tagebuch der jungen Japanerin Nao.


    Aus diesen Zutaten lebt der Roman, der auf der einen Seite das Tagebuch Naos wiedergibt und auf der anderen Seite, in der Rahmenhandlung, die Reaktion der Schriftstellerin auf dieses Tagebuch erzählt. Die autofiktionalen Bezüge der Rahmenhandlung sind unübersehbar. Da auch Ruth japanische Wurzeln hat, sieht sie viele Parallelen zur Welt Naos und findet einen starken emotionalen Zugang zu dem Schicksal Naos. Nao wiederum verbindet ihre Lebensbeschreibung mit der Biografie ihrer Urgroßmutter, einer politischen Aktivistin und buddhistischen Nonne.


    Die Autorin spannt damit einen sehr breiten Bogen, in dem vieles Platz finden muss. Das Platzen der Dotcom-Blase und der soziale Abstieg der Familie, das japanische Schulwesen, der Zen-Buddhismus und seine Meditationstechniken, Geisterglaube, der Tsunami von 2011, Meeresströmungen, Vermüllung der Meere, der II. Weltkrieg, grausame Übergriffe der japanischen Armee im chinesisch-japanischen Krieg, Kamikaze, der Drill in der Kaiserlich-japanischen Armee, Mythen der indigenen Bewohner von British Columbia, die für Europäer ungewohnte Betrachtung des Selbstmords, Cyber-Mobbing, Wiederaufforstungsbestrebungen, das Problem invasiver Arten, Gewissen und Digitalisierung – das ist nur eine unvollständige Auflistung der Themen, die die Autorin anschlägt und die sie in einem Anhang teilweise näher erläutert. Unbestritten: das Buch ist lehrreich, und der Blick in den japanischen Alltag und vor allem das japanische Denken ist faszinierend.


    Sehr originell ist auch die Art und Weise, wie die Autorin die beiden Rahmenhandlungen miteinander verknüpft. Ruth erkennt nämlich, dass sie das Leben des Tagebuchschreiberin beeinflussen kann, und zwar durch einen Traum. Durch diesen Traum wird ihre Welt mit der Welt Naos verbunden, über die zeitlichen Unterschiede hinweg. Diese Einflussnahme ist rational nicht erklärbar – aber da das Haustier Schrödinger heißt, wird der Leser auch kurz in die Quantentheorie eingeführt.


    Diese Überfülle an Themen führt dazu, dass der Leser gelegentlich den roten Faden verliert. Eine straffere Erzählweise und der rigorose Verzicht auf einige Themen hätten dem Buch gut getan und zudem noch hinreichend Stoff für weitere Bücher geboten.


    Die vielen japanischen Einfügungen mögen zwar die Authentizität stärken, aber sind sie notwendig? Beispiel: „Nanka kusai yo!“ heißt schlicht „Hier stinkt etwas“, ist also kein japanisches Idiom. Diese häufigen Einsprengsel zwingen den Leser zu den Fußnoten und hemmen unnötig den Lesefluss.


    Fazit:

    Trotz dieser Schwächen eine Lese-Empfehlung: der Roman ist ein lohnenswerter Ausflug in die japanische Gedankenwelt.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • drawe

    Hat den Titel des Themas von „Ruth Ozeki - Geschichte für einen Augenblick“ zu „Ruth Ozeki - Geschichte für einen Augenblick / A Tale for the Time Being“ geändert.
  • Trotz dieser Schwächen eine Lese-Empfehlung: der Roman ist ein lohnenswerter Ausflug in die japanische Gedankenwelt.

    klingt richtig gut, danke für die Rezi :friends:

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • klingt richtig gut, danke für die Rezi

    Danke!

    Inzwischen kenne ich Deinen Lesegeschmack so einigermaßen, und daher würde ich Dir das Buch nicht empfehlen. Ich würde Dir eher zu den Büchern von Michiko Flasar raten.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Ich habe das Buch vor einigen Monaten begonnen und dann entnervt abgebrochen, weil ich (insbesondere beim schlecht formatierten eBook ohne funktionierende Rückspringfunktion) der ständigen Fußnotenspringerei überdrüssig wurde. Zumal, wie schon erwähnt, oft nicht ersichtlich war, warum ein bestimmter Satz jetzt unbedingt auf Japanisch im Text stehen musste. Es gab auch noch ein paar mehr Sachen, die mich irritiert haben. Andere Themen wie den Nordpazifischen Müllstrudel und was da so an ortsfremden Arten an Nordamerikas Küsten angelandet wird, fand ich spannend. Falls meine Bücherei das Buch irgendwann physisch anschaffen sollte, würde ich ihm vielleicht nochmal eine Chance geben.

    :study: I. L. Callis - Doch das Messer sieht man nicht

    :study: Nadia Murad - Ich bin eure Stimme

    :musik: Asako Yuzuki - Butter (Re-???)

    :montag: Rita Mae Brown - Für eine Handvoll Mäuse (Mrs. Murphy Bd. 21)





  • ständigen Fußnotenspringerei überdrüssig

    Das verstehe ich! Ich habe auch das ebook gelesen und hatte das Problem nicht.

    Dafür hatte ich ein Problem mit den vielen Themen, die nur angerissen werden.

    Mein größtes Problem war eigentlich die Sache, dass man per Traum in der Jetzt-Zeit das Verhalten eines Menschen in der Vergangenheit ändern kann und damit die Geschichte umschreiben kann.

    Für solche Sachen bin ich zu pragmatisch, da bin ich der falsche Leser.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Ich habe auch das ebook gelesen und hatte das Problem nicht.

    Wann hast du es denn erworben / heruntergeladen? Vielleicht wurde das Formatierungsproblem ja inzwischen behoben. Mein Leseversuch war im Juni. :winken:

    :study: I. L. Callis - Doch das Messer sieht man nicht

    :study: Nadia Murad - Ich bin eure Stimme

    :musik: Asako Yuzuki - Butter (Re-???)

    :montag: Rita Mae Brown - Für eine Handvoll Mäuse (Mrs. Murphy Bd. 21)





  • Wann hast du es denn erworben / heruntergeladen?

    Im August!

    Aha. Vielleicht hatte der Verlag dann tatsächlich inzwischen die Fußnoten-Formatierungen korrigiert. Bei mir funktionierte es gar nicht und auch nicht auf dem deutlich neueren Tolino meiner Tochter, es lag also nicht an meinem Gerät.

    :study: I. L. Callis - Doch das Messer sieht man nicht

    :study: Nadia Murad - Ich bin eure Stimme

    :musik: Asako Yuzuki - Butter (Re-???)

    :montag: Rita Mae Brown - Für eine Handvoll Mäuse (Mrs. Murphy Bd. 21)