Joseph Roth - Stationschef Fallmerayer

  • Die Novelle «Stationschef Fallmerayer» erschien erstmals 1933 im Amsterdamer Exilverlag Allert de Lange.


    Der Autor:
    Joseph Roth, 1894 in Brody (Ost-Galizien) geboren, entstammt einem bürgerlichen Elternhaus galizischer Juden, studierte Literaturwissenschaften in Wien und Lemberg und nahm am Ersten Weltkrieg als Soldat teil. Ab 1918 arbeitete er als Journalist in Wien, dann Berlin, 1923-1932 war er Korrespondent der renommierten Frankfurter Zeitung. Am 30. Jan 1933, dem Tag von Hitlers Machtergreifung, verliess Roth Deutschland und emigrierte nach Paris. Dort starb er im Mai 1939 im Alter von nur 45 Jahren.
    In seinen beiden wohl bekanntesten Werken "Radetzkymarsch" und "Kapuzinergruft" schildert Roth den Untergang der österreichischen k.u.k. Monarchie als Sinnbild für eine verloren gegangene Heimat.


    Inhalt:
    Fallmerayer ist Stationschef eines kleinen unbedeutenden Bahnhofs auf der Strecke nach Italien. Sein Leben ist ruhig, mit Frau und Kindern kam er nie weiter als bis nach Bozen, und sein Leben verläuft in vorhersehbaren Bahnen... bis es Anfang 1914 zu einem Zugunglück nahe seinem Bahnhof kommt. Er eilt zur Hilfe, kümmert sich besonders aufopferungsvoll um eine russische Gräfin und lädt sie für ihre rasche Rekonvaleszenz zu seiner Familie nach Hause ein. Als die Dame nach ein paar Tage gen Italien zu ihrem Gatten aufbricht, fällt Fallmerayer wieder in seinem Alltagstrott, träumt aber nun vom mondänen Leben mit der Gräfin. Wie praktisch, dass kurz darauf der Krieg ausbricht und Fallmerayer sich freiwillig als Soldat melden kann, um Abenteuer zu erleben. Und natürlich zieht es ihn nach Russland, hin zur Gräfin…


    Meinung:
    Es kam mir bereits sonderbar vor, dass die adlige Dame nach dem Zugunglück so einfach für ein paar Tage in die gute Stube des Stationsvorstehers mitgeht. Gab es damals keine Krankenhäuser oder Erholungsheime, zumal sich die Dame eigentlich «nur» von ihrem Schock erholen muss, aber körperlich unversehrt ist? Und dass der Parfumgeruch den Familienmensch so sehr vernebelt, dass er Wochen später seine Familie, sein geregeltes Leben verlässt um ein unbestimmtes Abenteuer in der Ferne zu erleben? Und dann macht der brave Mann beim Militär steile Karriere, lernt aus Liebe Russisch und wird auch noch bei der ersehnten Gräfin stationiert? Ein Traum wird wahr… Wenigstens hört die Geschichte hier nicht auf, aber die weitere Entwicklung und das Ende ist mir ebenso unverständlich wie die Zufälle und Motive des Protagonisten. Eine sonderbare Liebesgeschichte hatte sich Joseph Roth da ausgedacht. Vermutlich aus Geldnot rasch etwas niedergeschrieben, aber selbst für Fans des Autors ohne Belang.

  • aber selbst für Fans des Autors ohne Belang.

    Das trifft auf mich nicht zu.... Ich kann Deine Kritikpunkte alle nachvollziehen.

    Trotzdem: Mir hat diese Geschichte gut gefallen. Eine verrückte Geschichte, ein coup de foudre, eine Obsession, wegen der ein Mensch sein Leben von Grund auf umkrempelt - und der am Schluss wieder ins Vergessen sinkt.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).