Karin Seemayer - Bergleuchten

  • Kurzmeinung

    Bartie
    gut recherchiert, sehr schön erzählt, lehrreich und unterhaltsam
  • Kurzmeinung

    Emili
    Eine solide, gut recherchierte, authentische Geschichte mit Längen.
  • Über die Autorin:

    Karin Seemayer wurde 1959 in Reutlingen geboren, lebte von 1960 bis 1993 in Frankfurt und seitdem im TaunusMit acht Jahren schrieb sie ihre ersten Tiergeschichten auf die Rückseite gebrauchter Telex-Rollen, die ihre Mutter aus dem Büro mitbrachte, da ihr der Papierverbrauch ihrer Tochter zu hoch war. Es folgten Wildwestgeschichten, dann Science-Fiction, und später, als Teenager, schrieb sie Liebesgeschichten.Anfang zwanzig packte sie das Fernweh. Sie machte eine Ausbildung zur Reiseverkehrskauffrau und war die nächsten Jahre beruflich und privat viel unterwegs.Viele ihrer Romanideen sind auf diesen Reisen entstanden.Die Umsetzung der Ideen musste jedoch warten, bis ihre drei Kinder erwachsen waren.


    Kurzbeschreibung:

    Göschenen, 1872: Helene begleitet ihren Vater oft auf seinen Fahrten über den gefährlichen Gotthardpass. Als ein Tunnel durch den Berg gebaut werden soll, fürchten die Fuhrhalter um ihre Existenz, die Bergarbeiter aus Italien sind Anfeindungen ausgesetzt. Auch wenn ihre Eltern dem Mineur Piero ein Zimmer auf ihrem Hof anbieten, weiß Helene, dass sie eine Verbindung zu dem temperamentvollen Italiener niemals billigen würden – und doch geht er ihr nicht mehr aus dem Kopf. Als es im Tunnel immer häufiger zu schweren Unfällen kommt, muss sie schon bald um Pieros Leben bangen.


    Meine Gedanken zu dem Roman:

    Die Geschichte dieses Romans spielt überwiegend in Göschenen, einem kleinen Dorf auf Schweizer Seite. Außerdem spielt Airolo, ein kleiner Ort auf der Gegenseite, eine Rolle, denn hier startet der Bau des Gotthard – Tunnels, worüber dieser Roman erzählt. Nicht alle Bewohner sind von der Idee, einen Tunnel zu bauen, überzeugt. Denn bei dem Bau werden viele italienische Arbeiter den Weg in die Ortschaft finden, und somit auch das gewohnte Leben, verändern, was nicht unbedingt gern gesehen wird, aber auch die Gefahren, die bei so einem Unternehmen entstehen, besorgen die Leute.


    Einer der Hauptcharaktere des Romans Franz Herger ist Fuhrmann. Er ist zwiegespalten, was den Bau betrifft, denn einerseits fürchtet er, dass die Zukunft ihn seiner Arbeit beraubt, und andererseits eröffnen sich mit dem Bau neue Aufgaben für ihn, denn die Baumaterialien müssen transportiert werden. Seine Tochter Helene, ist eine fleißige junge Frau, die ihrem Vater hilft. Der zweite Strang der Geschichte beschäftigt sich mit Helene und Piero, in den sie verliebt ist.


    Dieser historischer Roman ist von der Autorin ausgezeichnet recherchiert und mit Fakten und Details über den Bau des Tunnels sehr informativ. Die Liebesgeschichte steht nicht von Anfang an im Vordergrund, und ist gut an die historischen Geschehnisse angelehnt. Die umfangreichen Recherchen muss man wirklich loben, doch für mich hat diese Fülle an Details, Informationen, ausführlichen Beschreibungen, die zum Bauingenieurwesen gehören, störend auf den Spannungsaufbau ausgewirkt. Es war zu viel an Details, die in einem Sachbuch interessant wären. Die Liebesgeschichte, die Geschichte der Menschen des Ortes bliebt dadurch eher skizziert als tief ausgearbeitet. Nur einzelne Momente wirkten sehr authentisch und haben mich beim Lesen erfreut. Einiges jedoch hätte man kürzen können, damit der Roman straffer und somit kompakter und fesselnder wäre.


    Ich habe diesen Roman als Hörbuch in einer ungekürzten Fassung genießen dürfen. Vorgelesen von Sophie Hutter, die Dialekt hervorragend wiedergeben konnte, und somit auch die Atmosphäre der Geschichte authentisch darstellte. Das Hörbuch dauert über 12 Stunden. Trotz der ausgesprochen guten Arbeit der Sprecherin, wurde ich mit ihrer Stimme nicht warm, was natürlich den Genuss minderte.


    Neutrale Bewertung: Für die Leser, die einen sehr gut recherchierten Roman schätzen, sehr zu empfehlen. Gut vermittelte historischen Fakten abgerundet durch eine Liebesgeschichte.Nicht nur informativ, sondern auch glaubhaft. 4,5 Sterne.


    Mein persönliches Empfinden: Ich fand, dass der Roman einigen Längen aufweist, und wenn man die Geschichte straffer erzählt hätte, hätte die fesselnder gewirkt.Von mir gibt es 3,5 Sterne.

    2024: Bücher: 100/Seiten: 43 976

    2023: Bücher: 189/Seiten: 73 404

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    Mein Blog: Zauberwelt des Lesens
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    "Das Nicht-Wahrnehmen von Etwas beweist nicht dessen Nicht-Existenz "

    Dalai Lama

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    Lese gerade:

    Adrian, Lara - Hüterin der Ewigkeit

  • Für die Leser, die einen sehr gut recherchierten Roman schätzen, sehr zu empfehlen. Gut vermittelte historischen Fakten abgerundet durch eine Liebesgeschichte.Nicht nur informativ, sondern auch glaubhaft. 4,5 Sterne.

    Tadaa, liebe Emili, ein Gläschen ist fällig, genau so sehe ich das auch! :anstossen:


    Mein Hör-Eindruck:


    Der Bau des Gotthardtunnels war im ausgehenden 19. Jahrhundert eine aufsehenerregende Meisterleistung der Ingenieurskunst. Der Tunnel war konzipiert als doppelgleisiger Eisenbahntunnel, damals der längste Eisenbahntunnel der Welt, und nach wie vor verbindet er Göschenen in der Schweiz mit dem norditalienischen Airolo.


    Karin Seemayer widmet sich diesem eigentlich eher spröden Thema und reichert es mit verschiedenen anderen Themenkomplexen an, sodass eine lebendige Geschichte entsteht. In erster Linie ist das eine Liebesgeschichte, die nach allerhand dramatischen Hindernissen und Ereignissen das erwartete Happy-End findet.


    Daneben erfährt der Leser Interessantes über die Sozialstruktur des Dorfes Göschenen und dessen Veränderung durch die gewaltige Baumaßnahme und den damit verbundenen Zuzug von Arbeitern, die wegen ihrer Fremdheit misstrauisch beäugt wurden. Der Tunnelbau sorgt für innerdörfliche Verwerfungen v. a. bei der Gruppe der Fuhrwerker, die um ihr Überleben fürchten. Nicht jeder wagt den Sprung in die neue Zeit des Industrie-Zeitalters, und nicht jeder kann die veränderte Situation als Chance begreifen. Hier gelingen der Autorin sehr anschauliche Bilder, wenn sie z. B. die gefährliche Fahrt über den Gotthard-Pass mit seinen Haarnadelkehren und halsbrecherischen Brücken beschreibt und damit die Notwendigkeit eines Tunnelbaus verdeutlicht. Auch die Beschreibungen von Natur und Wetter sind eindringlich und lassen im Kopf des Lesers deutliche Bilder entstehen. Sie zeigen auch, dass die Autorin weiß, wovon sie spricht und diese Gegend ganz offensichtlich bereist hat.


    Insgesamt besticht der Roman durch eine akribisch-genaue Recherche, sei es zur Einrichtung der Baustelle, den teils unmenschlichen Arbeitsbedingungen, zum Einsatz des neuen Sprengstoffs Dynamit und so fort. Die Autorin hat aber nicht den Ehrgeiz, ihr gesammeltes Wissen auszubreiten, sondern sie wählt aus. Damit hält sie den Roman in einer guten Balance und vermeidet eine Überfrachtung mit Sach-Informationen.


    Überhaupt zeigt die Art und Weise, wie Sachinformationen vermittelt werden, großes erzählerisches Geschick. Hier gibt es keine Belehrungen des Lesers seitens einer Figur, keine hölzernen und damit unrealistischen Dialoge oder ähnliches. Stattdessen wird historisches und technisches Wissen immer über die Handlung transportiert und geschmeidig mit der Handlung verwoben.


    Ich habe den Roman als Hörbuch gehört, eingelesen von Sophie Hutter. Sophie Hutters Vorlesen macht das Zuhören zu einem Vergnügen. Bei diesem Roman kommt ihr zugute, dass sie Schweizerin ist. Daher liest sie die Dialoge mit dem besonderen Schweizer Zungenschlag, und so wirken die Dialoge sehr lebendig und authentisch, und die Figuren gewinnen zusätzliche Plastizität. Sehr gelungen!


    Fazit: Ein sehr gut recherchierter und lebendig erzählter Roman über ein grandioses Bauwerk. Mir persönlich war die Liebesgeschichte etwas zu sehr herz-schmerzig, aber das ist Geschmackssache.


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb:

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Tadaa, liebe Emili, ein Gläschen ist fällig, genau so sehe ich das auch! :anstossen:

    :anstossen: Prost, liebe Drawe. Wenn es so ist, darf ich dir vielleicht meine letzte Rezension von "Vertrauensübung" ans Herz legen. Ich glaube, da werden wir auch anstoßen können. :friends:

    2024: Bücher: 100/Seiten: 43 976

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  • Wenn es so ist, darf ich dir vielleicht meine letzte Rezension von "Vertrauensübung" ans Herz legen.

    Gut, dass Du darauf hinweist. Eigentlich schaue ich bei den Rezensionen immer durch, ob mich etwas anspricht, aber bei der Fülle kann man schon etwas übersehen.

    ich habe mir das Hörbuch aufnotiert, danke für den Hinweis!


    P.S. Ich habe es bei netgalley gesehen und eine Anfrage geschickt. Mal abwarten!

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Geschichte, die zu Herzen geht - von Sophie Hutter gelesen


    Der historische Roman „Bergleuchten“ erzählt die Geschichte des Gotthardtunnels, deren Bau im Jahre 1872 begann. Die Bauarbeiten wurden unter schwersten Bedingungen durchgeführt; lediglich mit Hilfe der Bohrmaschinen gruben die Mineure zuerst das Loch im Gotthardberg aus, kämpften ständig mit diversen technischen Schwierigkeiten. Dann kamen die Krankheiten, medizinische Versorgung war unzureichend, viele Arbeiter starben. Auch der Lohn für diese schwere Arbeit war miserabel.


    Kein Wunder, dass es schließlich zum Arbeiterstreik kam. Dieses Ereignis wurde ausführlich in dem Roman beschrieben, denn auch Piero war daran beteiligt.


    Parallel zu der Baugeschichte erzählt Karin Seemayer über die Liebe zwischen Helene und Piero. Diese Beziehung wurde weder von Helenes Eltern noch von der Dorfgemeinschaft gebilligt. Letztendlich mussten die beiden einen hohen Preis für ihre Gefühle bezahlen.


    Sehr interessant stellt die Autorin das Leben in dem zuerst kleinen Bergdorf dar; erzählt über den arbeitsreichen Alltag der Familien, über die Rolle der Frau in der Familie, über die damals geltenden Gesetze, die vor allem die Rechte der Frau sehr einschränkten. Wunderschön beschreibt sie die Natur und die stolzen unnahbaren Berge, die mit ihrer Schönheit bezaubern.


    Bei dieser Lektüre habe ich das EBook gelesen und gleichzeitig dem Hörbuch gelauscht. Das Hörbuch, bei dem Aufbau Audio Verlag erschienen ist, wurde wunderbar von der Schweizer Schauspielerin Sophie Hutter vorgelesen. Mit ihrer klaren, empathischen Stimme ließ sie mich in die spannende Geschichte eintauchen. So zog vor meinem inneren Auge die wunderschöne, majestätische Bergwelt durch, sowie die duftenden Bergwiesen mit vielfältigen Pflanzen, die auch als Heilmittel damals dienten. Ich konnte die Gefühle der Menschen hautnah nachempfinden und den Geräuschen der schweren Arbeit im Tunnel zuhören.


    Die tragische Liebesgeschichte der Protagonisten und auch die schwerem Frauenschicksale in der damaligen Zeit haben mich sehr berührt; es sind die Vorkommnisse, die unwillkürlich auf die Tränendrüse drücken.


    FAZIT: eine lehrreiche, lesenswerte Geschichte! Ein unterhaltsames Hörbuch, dem ich gerne gelauscht habe. Beide Ausgaben des Buches sind absolut empfehlenswert!

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