Maja Lunde - Der Traum von einem Baum / Drømmen om et tre

  • Kurzmeinung

    Sarange
    Eher ruhiges, von ethisch-philosophischen Fragen getragenes Finale des Klima-Quartetts.
  • 2110, Longyearbyen, Spitzbergen. Der 18-jährige Tommy, seine 2 jüngeren Brüder und ein Schwesternpaar aus der Nachbarschaft – das sind die letzten Überlebenden in dem kleinen Ort. Schon lange wachsen dort keine Bäume mehr, Obst und Gemüse gedeiht nur im Gewächshaus. Die Großmutter hat Tommy alles beigebracht, was er über Pflanzen wissen muss und ihm zudem ein Geheimnis anvertraut: sie ist die Wächterin einer Saatgutkammer, deren Inhalt die Welt retten könnte. Doch dann rafft eine Krankheit fast den gesamten Ort dahin. Können die 5 Überlebenden allein dort zurechtkommen? Oder sollen sie das Saatgut gegen ein neues Leben eintauschen?


    Mit „Der Traum von einem Baum“ schließt Maja Lunde ihr im Jahr 2015 begonnenes Klimaquartett ab und führt einige lose Fäden wieder zusammen. So begegnen wir Tao aus Band 1 wieder, ebenso wie Lou aus Band 2 und 3. Erzählt wird dieses Mal jedoch in einem einzigen Handlungsstrang. Dabei kommt hauptsächlich Tommy zu Wort, während Tao uns Zugang zu Dingen gewährt, die außerhalb von Tommys Reichweite geschehen. Beide blicken zudem immer wieder in die Vergangenheit zurück.


    Für Tommy ist seine Familie das Wichtigste. Longyearbyen ist sein Zuhause, das er nicht verlassen möchte – egal, wie die Lebensbedingungen dort aussehen. Diese Meinung teilte auch sein Vater, was oft zum Streit mit der Großmutter führte. Sie ist eine ruhelose Seele, die ihr Leben lang umhergezogen ist. Diese Sehnsucht teilt auch Rakel, eine der 5 Überlebenden und sie ist es auch, die letztendlich dem chinesischen Forschungsteam Zugriff auf das Saatgut verspricht – im Gegenzug für ein neues Leben. Die Handlung eskaliert, als Tommy und sie über diese heimlich getroffene Entscheidung in Streit geraten.


    An den Vorgängerbänden mochte ich stets das jeweilige Umweltschutzthema. Hier stehen Bäume und die Saatgutkammer nur sehr lose im Mittelpunkt, vorrangig geht es hier um menschliche Schicksale. Dabei ist Tommy als Protagonist ungemein nervtötend und Tao eine eher unwichtige Rolle. Insgesamt habe ich mir vom großen Finale dieser Reihe einfach mehr erwartet – mehr Fakten, mehr Spannung, mehr Tiefe. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • An den Vorgängerbänden mochte ich stets das jeweilige Umweltschutzthema. Hier stehen Bäume und die Saatgutkammer nur sehr lose im Mittelpunkt, vorrangig geht es hier um menschliche Schicksale. Dabei ist Tommy als Protagonist ungemein nervtötend [...]


    Und das norwegische Original [...]


    ... auf dem passenderweise statt des Keimlings ein Junge abgebildet ist. :)


    Danke für die Rezi! Ich habe schon mit großem Interesse darauf gewartet, welches Umweltthema Lunde für den vierten Band ihres Klimaquartetts wählen würde. Gute Idee mit der Saatgutkammer in Longyearbyen - aber die ist in der Realität ja schon etwas besser gesichert als mit einer Wächterin. :lol: Bin gespannt auf die Umsetzung im Roman und werde ihn trotz deiner mittelmäßigen Bewertung auf jeden Fall auch lesen!

    :study: I. L. Callis - Doch das Messer sieht man nicht

    :study: Nadia Murad - Ich bin eure Stimme

    :musik: Asako Yuzuki - Butter (Re-???)

    :montag: Rita Mae Brown - Für eine Handvoll Mäuse (Mrs. Murphy Bd. 21)





  • Gute Idee mit der Saatgutkammer in Longyearbyen - aber die ist in der Realität ja schon etwas besser gesichert als mit einer Wächterin. :lol: Bin gespannt auf die Umsetzung im Roman und werde ihn trotz deiner mittelmäßigen Bewertung auf jeden Fall auch lesen!

    Ich bin sehr gespannt auf Deine Meinung. An sich ist das Thema der Saatgutkammer auch total interessant, aber für mich wurde einfach nicht so viel Hintergrundinformation vermittelt, wie in den Vorgängerbänden.


    Ich wünsche Dir trotzdem ein tolles Leseerlebnis!

  • Ich wünsche Dir trotzdem ein tolles Leseerlebnis!

    Danke! :winken: Meine Bewertungen von Lundes Klimaquartett-Büchern sind bisher, glaube ich, immer genau so gut oder besser ausgefallen als der Durchschnitt; daher bin ich ganz optimistisch. :lol:

    :study: I. L. Callis - Doch das Messer sieht man nicht

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  • Naraya, darf ich da mal nachfragen, aus Interesse:

    diese "Saatgutkammer" gibt es ja tatsächlich in Longyearbyen, zumindest habe ich das so in Erinnerung - wie hängt das mit der Roman-Großmutter zusammen?

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • diese "Saatgutkammer" gibt es ja tatsächlich in Longyearbyen, zumindest habe ich das so in Erinnerung - wie hängt das mit der Roman-Großmutter zusammen?

    Ja, die gibt es wirklich und die Autorin hatte auch die echte als Schauplatz im Kopf. Zu der Zeit, als der Roman spielt, sind aber schon lange keine Wissenschaftler mehr da, weil Spitzbergen durch den Klimawandel fast unbewohnbar ist. Da würde es gedanklich Sinn machen, dass die Großmutter als eine der Ältesten die Aufsicht über das Saatgut übernimmt. (Zum Zeitpunkt der Handlung hatten die Dorfbewohner mehrere Jahrzehnte keinen Kontakt zur Außenwelt, wenn ich das richtig verstehe.)

  • Zu der Zeit, als der Roman spielt, sind aber schon lange keine Wissenschaftler mehr da, weil Spitzbergen durch den Klimawandel fast unbewohnbar ist.

    Danke fürs Erklären, ich hab das im Kopf nicht zusammengekriegt, weil Du geschrieben hast, dass dort auf Spitzbergen schon lange keine Bäume mehr wachsen. Da wachsen nämlich auch heute keine Bäume - und wenn es um Klimawandel geht: dort wird es wärmer, Du kannst fast zuschauen, Spitzbergen müsste also durch den Klimawandel bewohnbarer werden.


    Mein Durcheinander ist noch nicht ganz weg, aber immerhin: das mit der Großmutter habe ich verstanden. :winken:

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Danke fürs Erklären, ich hab das im Kopf nicht zusammengekriegt, weil Du geschrieben hast, dass dort auf Spitzbergen schon lange keine Bäume mehr wachsen.

    Hm, so genau weiß ich da geografisch nicht Bescheid, aber im Buch gab es eine Szene, in der ein Baum angeschwemmt wurde und da kam das zur Sprache, vielleicht habe ich es aber auch falsch verstanden.


    Generell ist mir auch nicht klar geworden, wie alle vier Bände umwelttechnisch zusammenhängen, weil es immer nur um Symptome geht (Artensterben, Wassermangel etc.), aber nicht, was das genau auslöst. (Wobei mir die Bände 1 bis 3 nicht mehr gut im Gedächtnis geblieben sind.)

  • vielleicht habe ich es aber auch falsch verstanden.

    Glaube ich jetzt weniger bei Dir - es sieht so aus, als ob der Fehler bei der Autorin liegt.


    Ich habe mit dem Wasser-Band die Reihe für mich selber abgeschlossen, aber natürlich bin ich neugierig, wie die anderen Bände sind.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Glaube ich jetzt weniger bei Dir - es sieht so aus, als ob der Fehler bei der Autorin liegt.

    Ich habe es gestern nochmal nachgeschlagen. :loool: Als der Baum angeschwemmt wird, sagt die Großmutter "Ich habe lange keinen mehr gesehen". Das hatte ich als "lange keinen mehr hier gesehen" - es kann sich natürlich aber auch darauf beziehen, dass die Großmutter früher anderswo gelebt hat. Also doch eher meine Schuld. (Ich muss wohl mal nach Spitzbergen. :loool: )


    Zu der Sache mit dem Klima setze ich mal einen Spoiler, aber an sich ist es nicht so handlungsrelevant:


    Ich habe mit dem Wasser-Band die Reihe für mich selber abgeschlossen, aber natürlich bin ich neugierig, wie die anderen Bände sind.

    Hast Du denn nur das "Wasser" gelesen? Falls ja, das war bei mir der schlechteste in der Bewertung.

  • "Ich habe lange keinen mehr gesehen". Das hatte ich als "lange keinen mehr hier gesehen" -

    Das hätte ich aber auch so gelesen! Das liegt doch auf der Hand!

    Aber dass Du extra nachschlägst :pale: vielen Dank dafür.

    Ich muss wohl mal nach Spitzbergen.

    Ja, mach das. Ein ERLEBNIS!

    Hast Du denn nur das "Wasser" gelesen? Falls ja, das war bei mir der schlechteste in der Bewertung

    Ich habe das Bienen-Buch gelesen und war zufrieden, aber nicht himmelhoch begeistert. Muss ja auch nicht sein.

    Aber das Wasser-Buch hat mir wenig gefallen.

    In das Pflanzen-Buch schaue ich auf alle Fälle mal hinein, da treibt mich die Neugier, allein schon wegen Spitzbergen :) !

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Gute Idee mit der Saatgutkammer in Longyearbyen - aber die ist in der Realität ja schon etwas besser gesichert als mit einer Wächterin. :lol: Bin gespannt auf die Umsetzung im Roman und werde ihn trotz deiner mittelmäßigen Bewertung auf jeden Fall auch lesen!

    Ich bin sehr gespannt auf Deine Meinung. An sich ist das Thema der Saatgutkammer auch total interessant, aber für mich wurde einfach nicht so viel Hintergrundinformation vermittelt, wie in den Vorgängerbänden.


    Ich wünsche Dir trotzdem ein tolles Leseerlebnis!

    Ich habe den Roman heute zufrieden zugeklappt.


    Nicht zufrieden mit der Thematik rund ums Klima, Artensterben, mögliche Lebensformen auf diesem Planeten in hundert Jahren - diese dystopischen Aspekte fängt Maja Lunde auf eine für mich erschütternde Art und Weise ein und mir wird bei jedem ihrer Romane deutlicher, wie dringend es ist, etwas zu tun, sodass es zu den von ihr dargestellten oder ähnlichen Szenarien nie kommen möge. (Viel Optimismus habe ich da leider nicht, aber das heißt nicht, dass man nicht alle Kräfte mobilisieren sollte, um es vielleicht doch noch zu schaffen!) Insofern stört es mich nicht, wenn Lundes Darstellungen da manchmal schwammig bleiben oder logische Fragezeichen aufwerfen - ich lese ihre Beschreibungen der Welt in fünfzig oder hundert Jahren eher als Beispiele, als mögliche Varianten einer Welt, die meinen Enkel*innen und Urenkel*innen dräuen mag. :cry:


    Aber zufrieden bin ich mit dem Buch an sich. Lundes Romane funktionieren für mich einfach; ich sehe immer wieder, dass ich sie besser bewerte als der Durchschnitt hier, aber das mache ich ja nicht aus purer Nettigkeit. :lol:


    Da war zum Beispiel die Figur Tommy.

    Dabei ist Tommy als Protagonist ungemein nervtötend [...]

    So unterschiedlich sind die Wahrnehmungen: Ich habe ihn kein einziges Mal als nervtötend empfunden! Seine verzweifelte Fürsorge für die jüngeren Geschwister hat mich im Gegenteil sehr berührt und auch geschmerzt, denn es war ja nicht seine Aufgabe als Siebzehnjähriger, den Kindern Elternersatz, Lehrer, Ernährer, Freund und Vorbild zu sein - wie ihn das zugleich zerrieben und erfüllt hat, fand ich grandios dargestellt.


    An den Vorgängerbänden mochte ich stets das jeweilige Umweltschutzthema. Hier stehen Bäume und die Saatgutkammer nur sehr lose im Mittelpunkt, vorrangig geht es hier um menschliche Schicksale.

    Das stimmt, soweit es um Facts & Figures rund um die Saatgutkammer geht. Ich wusste schon vorher recht gut darüber Bescheid und habe mir den Rest ergoogelt. Viel spannender fand ich die im Roman konstruierte Differenzierung in die "große" (bezogen auf Ideen und Ideale rund um die übergeordnete Art und Weise des Weiterbestehens) und die "kleine" Liebe (bezogen auf die konkreten Mitmenschen um einen herum), die die Menschen auf Spitzbergen vorgenommen haben und die im Bezug auf die Rolle der Saatgutkammer im Laufe des Romans ins Bröckeln gerät - wie, möchte ich jetzt hier nicht weiter ausführen. Das fand ich schlüssig und sehr berührend.


    Der ruhige Duktus und die bis auf die kurzen Tao-Exkurse einsträngige Erzählweise haben mir gut getan; durch die Rückblenden und die ausführlichen Einsichten ins Innere von Tommy, teilweise Tao und Louise, manchmal auch Rakel ( :cry: ), blieb die Handlung für mich bewegt genug.


    Und diese Wildpferdherde in der mongolischen Steppe... :love: :love: :love:

    :study: I. L. Callis - Doch das Messer sieht man nicht

    :study: Nadia Murad - Ich bin eure Stimme

    :musik: Asako Yuzuki - Butter (Re-???)

    :montag: Rita Mae Brown - Für eine Handvoll Mäuse (Mrs. Murphy Bd. 21)





  • Aber zufrieden bin ich mit dem Buch an sich. Lundes Romane funktionieren für mich einfach; ich sehe immer wieder, dass ich sie besser bewerte als der Durchschnitt hier, aber das mache ich ja nicht aus purer Nettigkeit.

    Schön, dass es Dir so gut gefallen hat und immer wieder interessant, wie unterschiedlich doch die Wahrnehmung ist, zum Beispiel in Bezug auf Tommy.


    Ich habe anderswo eine Rezension gesehen, in der die Schreiberin meinte, sie sei vielleicht aus der Reihe "herausgewachsen" und das könnte ich mir bei mir tatsächlich auch vorstellen. Als die Reihe begann, war der Klimawandel noch nicht so präsent in den Medien. Danach kam ja Fridays for Future etc. Und inzwischen sind so viele schlimme Dinge passiert, zum Beispiel die Flut in Ahrweiler, dass mir persönlich "Der Traum von einem Baum" fast belanglos vorkommt.


    Und ich glaube, man muss das Quartett mehr als Einheit sehen, als unbedingt die einzelnen Bände.


    Nun geht ja auch endlich ihre Jahreszeitenreihe weiter, darauf freue ich mich auch sehr!

  • Ich habe anderswo eine Rezension gesehen, in der die Schreiberin meinte, sie sei vielleicht aus der Reihe "herausgewachsen" und das könnte ich mir bei mir tatsächlich auch vorstellen. Als die Reihe begann, war der Klimawandel noch nicht so präsent in den Medien. Danach kam ja Fridays for Future etc. Und inzwischen sind so viele schlimme Dinge passiert, zum Beispiel die Flut in Ahrweiler, dass mir persönlich "Der Traum von einem Baum" fast belanglos vorkommt.

    Ich denke, dass die Bücher von Lunde, die ja ein Verkaufserfolg waren und sind, durchaus auch mit dazu beigetragen haben, dass die Themen medial präsenter geworden sind. Man sieht, dass die Fiktion einen in der Realität einholt. :-?


    Und ich glaube, man muss das Quartett mehr als Einheit sehen, als unbedingt die einzelnen Bände.

    Das sehe ich auch so. Unabhängig vom konkreten Schwerpunkt hinsichtlich Klimawandel oder Schwund der Biodiversität, der jetzt mit dem Saatgutspeicher für Nutzpflanzen im letzten Band aufgegriffen wurde, fand ich die aufgeworfene Frage viel interessanter, wie man diese Probleme lösen kann - nur lokal in der eigenen kleinen Community (im Fall des Romans auf Spitzbergen), oder muss nicht doch vielmehr eine gemeinsame globale Strategie her? Aber wie soll das politisch zu organisieren sein, wenn eigentlich doch jede Gruppe ihre eigenen Interessen verfolgt, wie hier am Beispiel der Chines*innen gezeigt wurde? Schafft man es, die kleine Liebe (zur eigenen Familie und zum eigenen sozialen Umfeld) und die große Liebe (zur gesamten Welt) in Einklang zu bringen? Ob und wie das funktionieren soll, hat Lunde ja wohlweislich nicht beantwortet... Und aus dieser realen Herausforderung werden wir noch sehr lange nicht "herausgewachsen" sein... :-?

    :study: I. L. Callis - Doch das Messer sieht man nicht

    :study: Nadia Murad - Ich bin eure Stimme

    :musik: Asako Yuzuki - Butter (Re-???)

    :montag: Rita Mae Brown - Für eine Handvoll Mäuse (Mrs. Murphy Bd. 21)