Klappentext
Olivia Prior ist in einem Waisenhaus aufgewachsen. Ihren Vater hat sie nie getroffen, und die Stimme ihrer Mutter hat sie schon längst vergessen. Geblieben ist ihr nur das Tagebuch ihrer Mutter. Es ist voller Rätsel und seltsamer Zeichnungen, die sie eines Tages zu enträtseln hofft. Ihr Leben in dem Heim ist alles andere als einfach, denn sie kann nicht sprechen und kommuniziert mit Hilfe einer alten Schiefertafel. Außerdem sieht sie die Geister der Toten, die ewig stumm das Treiben der Lebenden beobachten. Angst vor ihnen hat sie nicht, schon weil sich Olivia selbst fühlt wie lebendig begraben. Doch alles ändert sich, als ein Brief ihres Onkels in der Schule eintrifft, der sie einlädt, zum Stammsitz ihrer Familie zu kommen. Für Olivia ist es eine einmalige Chance, mehr über das Schicksal ihrer Eltern herauszufinden. Doch sie ahnt: Der Preis, den sie dafür zu zahlen hat, wird hoch sein …
Meine Meinung
Olivia Prior verbringt ihre Tage in der Merilance School for Independent Girls seit sie denken kann. Mit 2 Jahren wurde sie auf den Stufen des Eingangs gefunden, ohne Hinweis - und ohne Stimme, denn sie kann nicht sprechen. Dieser Umstand lässt sie bei den anderen Mädchen als Außenseiterin dastehen und als Opfer für Spott und Hänseleien. Allerdings ist Olivia ein außergewöhnlich taffes Mädchen, das sich dadurch nicht unterkriegen lässt und sich durchaus zu wehren weiß.
Außerdem kann sie etwas sehen, dass anderen verborgen bleibt: Tote, bzw. deren Geister, die sie selbst als "Ghule" bezeichnet. Sie hat keine Angst vor ihnen, da sie weiß, dass sie sie nicht berühren können - und dennoch ist ihr klar, dass etwas an ihr anders ist.
Ich hab mich sofort mit Olivia verbunden gefühlt. Die Einsamkeit, die sie in ihrer kleinen, ummauerten Welt empfindet, war auf jeder Seite spürbar und ihr ständiger Kampf, sich dagegen zu behaupten und sich von dem Gefühl des Alleinseins nicht unterkriegen zu lassen, ist ständig präsent!
Die Autorin schafft es wunderbar, eine Atmosphäre zu schaffen, die genau die Stimmungen ausdrückt, in der die Figuren sich befinden. Hier ist es eine triste, traurige und gedämpfte Ausstrahlung, die durch die stimmungsvolle Schreibweise noch mehr zum tragen kommt.
Ihrer Mutter, die seit jeher ein Geheimnis ist, eine Leerstelle, ein Umriss - die Ränder gerade klar genug, um ihre Abwesenheit kenntlich zu machen.
Zitat
Das Tagebuch ihrer Mutter ist das einzige, das Olivia geblieben ist, doch aus den Einträgen wird sie nie richtig schlau. Nur dass sie sich fernhalten soll von "Gallant", wer oder was auch immer das ist. Bis schließlich ein Brief eintrifft, der sie aus den grauen Mauern der Schule befreit und sie an einen Ort schickt, der Hoffnung und Ängste zugleich schürt.
Das Familiengeheimnis, das Olivia zu ergründen sucht, ist düster und unheilvoll. Die Geschichte lebt von ihrer Hoffnung auf ein Zuhause, auf einen Ort, an dem sie sich willkommen fühlt - einem tapferen Mädchen, dass ihre Neugier und ihre Unbeugsamkeit nicht bezwingen lässt. Und von den dunklen Schatten der Vergangenheit, die sie schließlich auf gefährliche Pfade schicken, die nicht nur ihr Leben bedrohen.
Auch wenn man vielleicht das Gefühl hat, dass nichts großartiges passiert, war ich völlig gefesselt von dem eindringlichen und intensiven Stil und dem Wunsch, dem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Alles wirkt so anschaulich und mysteriös und weckt den Wunsch, Olivia beizustehen. Auch die Nebenfiguren hab ich sehr ins Herz geschlossen, und die unheimliche Atmosphäre gespürt, als die grauenvolle Wahrheit immer näher rückt.
Im letzten Drittel wird es dann auch richtig spannend und führt uns zu einem berührenden Ende.
Besonders schön waren auch die Bilder, eine Art Tintenkleckse, in denen man erst durch längeres Betrachten entdeckt, was darin steckt. In der Ebook-Ausgabe wahrscheinlich leider nicht so ausdrucksstark wie sicher in der normalen Ausgabe. Vor allem einige Auszüge aus dem Tagebuch von Olivias Mutter in der Mitte Buches zusammen mit den Bildern und Texten, die leider so klein waren, dass ich sie nicht lesen konnte. Das fand ich schon sehr schade. Ich weiß natürlich nicht, ob es an meinem alten Kindle liegt, dass man das nicht vergrößern konnte - ein bisschen ärgerlich war es aber schon.
Das Cover spiegelt übrigens im wahrsten Sinne des Wortes schon sehr schön wieder, auf was wir uns hier einstellen dürfen, auch wenn der zusätzliche Untertitel im deutschen absolut überflüssig ist. Ich weiß nicht, wozu das immer nötig ist...
Auf jeden Fall hab ich mich sofort in Olivia und ihrer Welt gefühlt und die einfühlsamen Beschreibungen genossen, die jede Situation so lebendig und eindrucksvoll geschildert haben. Eine ruhige und unaufgeregte Geschichte, die mich völlig in den Bann gezogen hat.
Mein Fazit: 5 Sterne