Andreas Franz/Daniel Holbe - Todesruf

  • Kurzmeinung

    Jasminh86
    Ein chaotischer Julia Durant-Krimi, der etwas mehr Spannung vertragen hätte!
  • 🌟Ein chaotischer Julia Durant-Krimi, der etwas mehr Spannung vertragen hätte!🌟





    Weihnachten in Frankfurt. Eine junge Frau verlässt an Heiligabend spät ihre Familie, um ihrer Arbeit nachzugehen. In dieser Nacht zahlen die Freier erfahrungsgemäß besonders gut. Am nächsten Tag findet man ihre Leiche. Sie war im dritten Monat schwanger. Julia Durant und ihr Chef und zukünftiger Ehemann Claus sind zutiefst berührt. Das Schicksal der jungen Frau trifft Julia hart, die eigentlich mit Hochzeitsplanungen beschäftigt ist. Nach ein paar Tagen meldet sich Peter Brandt, Julias Kollege aus Offenbach: Auch hier wurde eine Tote gefunden, ein Callgirl mit betuchter Kundschaft. Gibt es einen Zusammenhang zwischen den beiden Morden? Die zwei Frauen waren nur scheinbar auf eigene Rechnung tätig, in Wahrheit stand hinter beiden jemand, der abkassierte. Zwei Reviere, zwei Clans? Handelt es sich womöglich um eine Fehde unter Zuhältern?




    In ,,Todesruf“ von Andreas Franz aus der Feder von Daniel Holbe ermittelt die Frankfurter und Deutschlands bekannteste Krimi-Kommissarin Julia Durant über Weihnachten und Neujahr bereits zum 22. Mal und hat mich erneut in menschliche Abgründe schauen lassen, die ich diesmal nicht als zu heftig empfand. Dieser Fall, der die taffe Kommissarin wieder vor neue Herausforderungen stellt, ist am 1. August 2022 mit 464 Seiten im Droemer Knaur-Verlag erschienen. Obwohl ich ein großer Fan der Durant-Reihe bin und alle vorherigen Werke gelesen habe, kam ich mit dieser Handlung diesmal teilweise nur schleppend voran. Der Fall ist spannend, keine Frage. Jedoch wurde dieser oftmals in den Hintergrund gedrängt, um dem Privatleben von Durant Platz zu machen. Dies finde ich normalerweise überhaupt nicht schlimm und private Details gehören einfach dazu, um die Kommissarin authentisch und lebendig wirken zu lassen, doch in diesem Krimi haben mir diese deutlich zu viel Platz eingenommen. Ihre Beziehung zu ihrem Chef und Verlobten Claus Hochgräbe nimmt sehr viel Raum ein, von Geheimnissen bis hin zu überraschenden Offenbarungen seinerseits war einiges dabei.

    Dabei konnte ich deutlich die Gefühlswelt und die Zweifel von Julia Durant erkennen, die sich nach und nach in ihr sammeln. Sie kommt, wie auch in ihren vorherigen Fällen, sehr authentisch und lebendig rüber. Wenn man die Reihe von Anfang an begleitet, dann erlebt man ihre Entwicklung super mit und wundert sich über einige ihrer Entwicklungen. Als ehemalige Gauloises-Kettenraucherin habe ich hier in manchen Situationen gespürt, wie gerne die jetzige Nichtraucherin ihr Verlangen gestillt hätte. Der Schreibstil ist flüssig, authentisch und detailliert, was ich an den Andreas Franz/Daniel Holbe-Krimis sehr schätze. Bekannte Kollegen, die ihre ergänzenden Rollen spielen, fehlen auch in diesem Band nicht.

    Doch dieser Krimi war mir ein Hauch zu chaotisch, da zu viele Figuren vorkommen und so immer wieder kurze Nebenhandlungen auftauchen, die für mich keinen Sinn ergeben haben. Ein regelmäßiges, sprunghaftes Hin und Her hat dafür gesorgt, dass ich in diesem Band nicht allzu sehr in den Bann gezogen wurde und was für ein stockendes Tempo gesorgt hat. Die Ermittlungen entwickeln sich trotzdem regelmäßig weiter, sodass wechselnde Hypothesen über die hier begangenen Verbrechen und ein paar Zwischenfälle für Abwechslung sorgen. Der Täter ist bis zur Auflösung nicht fassbar, langsam und geordnet finden alle Puzzleteile schließlich doch noch ihren Platz, sodass sich der chaotische Nebel um die Mordserie lichtet. Die einzelnen Kapitel haben eine angenehme Länge, die aus jeweils einem Tag bestehen und dann nochmal in einzelne Zeitabschnitte unterteilt sind. Dies und der regelmäßige Perspektivenwechsel sind typisch für die Julia Durant-Krimis.

    Julia Durant ist mir mit der Zeit sehr ans Herz gewachsen, ihre menschliche Art sorgt für viel Tiefe und ihre Kaltschnäuzigkeit ist einmalig, was diese Ermittlerin so besonders ausmacht. Bis auf Claus Hochgräbe fand ich die restlichen Charaktere jedoch eher blass. Natürlich finden Verwirrungen und Wendungen statt, die mich zum Miträtseln animiert und überrascht haben. Das Ende habe ich definitiv nicht vorausgesehen, welches mich daher umso mehr überrascht hat. Neben Julia Durant schildern mehrere Charaktere, eingenommen der Täter, aus ihrer Sicht, was für Abwechslung gesorgt hat. So konnte ich mich besser in dessen Gedanken einbringen. Trotzdem trat das Ermittlerteam häufig auf der Stelle, sodass die Spannung darunter zu leiden hatte.

    Bildlich konnte ich der Handlung gut folgen und auf die begangenen Verbrechen wurde nicht groß eingegangen, die auf mich deshalb keinen großen Schockeffekt hatten. Obwohl ich immer mitten im Geschehen war, hat mich die Geschichte nicht atemlos zurückgelassen. Ich bin es aus den Vorgängerbänden gewohnt, dass mir die Ermittler die dunklen und abscheulichen Geheimnisse der Täter offenbaren, was hier nicht der Fall war. Denn die Gründe des Täters wurden mir diesmal einfach nur kurz vor Ende zu schnell durchgegangen. ,,Todesruf“ ist kein schlechter Durant-Krimi, doch war er für mich persönlich diesmal zu zäh, weshalb er von mir dreieinhalb Sterne bekommt. Mehr gewohnte Spannung hätte dem Inhalt nicht geschadet und ich bin gespannt, wann Julia Durant zum 23. Mal auf Verbrecherjagd geht.
    🌟🌟🌟,5