Ella Zeiss - Der Hunger nach Leben

  • Kurzmeinung

    Emili
    Ein solider historischer Roman. Hunger, Not, Denunziation, Enteignung sind die Themen der Geschichte. Eindringlich!
  • Wir begleiten den elfjährigen Noah, der 1929 in einer deutschen Siedlung in der Ukraine lebt. Hilflos muss er mitansehen, wie sein Vater fälschlicherweise als Volksverräter verurteilt wird, seine Familie alles verliert und sie kaum über die Runden kommen. Doch er erkennt, dass er keine Chance hat sich zu wehren. Daher versucht er jahrelang durch Betteln seine Familie am Leben zu erhalten. Bei seinen Streifzügen lernt er Jakobine kennen. Sie ist das Einzige, was ihn in der schweren Zeit erfreut. Jahre später hat sich seine Lebenssituation gebessert und er träumt von einer schönen Zukunft, vielleicht sogar mit Jakobine an seiner Seite, doch das Leben meint es erneut nicht gut mit ihm.


    Der erste Band der „Wege des Schicksals“-Dilogie von Ella Zeiss führt den Leser in die Zeit vor dem zweiten Weltkrieg und beruht auf Aufzeichnungen eines Zeitzeugen. In den 30er Jahren war das Leben für die Deutschen in der Ukraine sehr hart. Sie standen ständig unter Beobachtung. Bei einem falschen Wort konnten sie eingesperrt werden, ihre Feste wurden verboten, genauso wie jegliche Ausübung von Religion und wer als Volksverräter abgestempelt wurde, bekam kaum etwas zu essen oder wurde einfach weggesperrt. Eindringlich schildert Ella Zeiss, wie grausam das Leben zu manchen Menschen war. Besonders durch die Augen des kleinen Noahs erscheinen die Ereignisse noch schlimmer, denn er kann nicht verstehen, warum sein Vater, der nichts Falsches getan hat, einfach der Familie entrissen wird, warum Weihnachten gestrichen wird und wieso seiner Familie niemand mehr hilft und sie droht zu verhungern.


    Die Geschichte ist definitiv keine leichte Kost, denn die Menschen in diesem Roman leiden viel und lang und es ist grausam zu wissen, dass dieses Leid menschengemacht ist und der damaligen Realität entspricht und es wahrscheinlich genügend Orte auf der Welt gibt, in denen es immer noch der aktuellen Situation entspricht. Die Geschehnisse werden nicht reißerisch dargestellt, aber gerade durch die klare Kinderperspektive sind sie noch anschaulicher, bewegender und erschütternder. Ich muss zugeben, dass ich am Ende tatsächlich überlegt habe, ob ich dem Buch nur vier Sterne geben soll, weil es mich irgendwie traurig und fast schon deprimiert zurückgelassen hat. Ich habe mich dann jedoch dagegen entschieden, denn manche trifft das Leben leider so hart und anhand des Klappentextes wusste ich ja grob, worauf ich mich einließ.


    Fazit: Eine sehr bewegende Geschichte über den elfjährigen Noah, den das Schicksal immer wieder hart trifft, der aber nie die Hoffnung verliert und immer weiterkämpft. Grausam, ergreifend und eindrucksvoll.


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Über die Autorin: / Amazon

    Ella Zeiss wurde 1980 in Alma-Ata / Kasachstan geboren. Im Alter von zehn Jahren zog sie als Aussiedlerin mit ihren Eltern und Großeltern in die Bundesrepublik Deutschland. Nach dem Abitur studierte sie BWL und internationales Management an der Universität Münster und der Copenhagen Business School und arbeitete anschließend mehrere Jahre in der freien Wirtschaft. Jetzt wohnt sie in der Nähe von Köln und widmet sich hauptberuflich dem Schreiben. Mit ihrer authentischen Familiensaga »Tage des Sturms« gewann Ella Zeiss den Kindle Storyteller Award 2018.


    Kurzbeschreibung: / Amazon

    Ukraine 1930: Fassungslos muss der elfjährige Noah zusehen, wie sein Vater als Volksverräter verleumdet und verurteilt wird. Die Familie verliert alles, was sie je besaß. Von nun an versucht Noah alles, um seine Mutter und seine Geschwister vor dem Verhungern zu bewahren. Als er auf einem seiner Streifzüge Jakobine kennenlernt, wird sie sein Lichtblick in der harten Zeit. Auch wenn die Not groß ist, gibt er nie auf.

    Zehn Jahre später hat Noah sich endlich eine sichere Zukunft erarbeitet und den Mut gefunden, um Jakobines Hand anzuhalten, da zwingt ihn das Schicksal erneut auf einen anderen Weg …


    Meine Gedanken zu dem Roman:

    Mit großer Freude habe ich den Roman von Ella Zeiss gelesen. Dabei handelt es sich um eine tragische Geschichte einer deutschen Familie in der Ukraine, doch der Handlungsort könnte ein beliebiger in Sowjetunion sein. Geschichtlich greif der Roman die 30er Jahre auf, wo die Sowjets an der Macht gewannen und eine allgemeine politische Umstrukturierung des Landes durchführten. In dieser Zeit geht es vermehrt um die Verfolgung sogenannten Volksfeinden. Dabei wurden die Hintergründe nicht groß ermittelt, die Menschen wurden auf härteste bestraft. Dazu reichte schon eine Denunzierung eines Nachbars. Politische Situation sah folgend aus: Die Menschen sollten keine eigene Meinung haben, und wenn doch, dann dürften die diese nicht bedenkenlos aussprechen. Die Menschen wurden zum Denunzieren ermutigt, und da war es ein Leichtes eine unsympathische Person an die Regierung zu liefern, mit verheerenden Folgen. Enteignung aller Leute stand auf dem Programm. Die Reichen dieser Welt jedoch blieben verschont. Die Religion wurde verboten und Gläubige wurden verfolgt. Hunger, Elend und Not herrschten im Land.


    Die Familie von Noah hat extrem gelitten. Als der Vater als Volksfeind denunziert worden ist, ging es mit der Familie bergab. Kein Geld, keine Arbeit, kein Eigentum, kein Haus, keine freundliche Hilfe... Die Familie blieb buchstäblich ohne nichts. Der Hauptcharakter des Romans Noah war zu dem Zeitpunkt ein zehnjähriger Junge, der eine Bürde auf sich nahm, sich um die Familie zu kümmern. Schlimme, schwere und traurige Jahren standen der Familie bevor, als der Vater zu zehn Jahren Gefängnis und zehn Jahren Arbeitslager verurteilt wurde. Der Roman erzhält über das Leben von Noah und seiner Familie von Kindheit an bis ins Erwachsenenalter.


    Die Handlung des Romans erlebt der Leser mit den Augen eines auktorialen Erzählers, der sich auf die Sicht des Hauptcharakters konzentriert. Noahs kindlichen Erlebnisse sind erschreckend und ganz sicher keine leichte Kost. Dennoch ist es sehr spannend zu erleben, wie Noah sich entwickelt, welchen Weg er einschlägt, welche Ereignisse prägen sein Leben und das Leben seiner Familie. Der Roman ist weder pathetisch noch aufdringlich. Die Geschichte wird mit der gewissen Ruhe erzählt, was die Wirkung der Handlung um so stärker und emotionaler macht. Es ist kein Roman, der leicht ist, dafür aber absolut gut gelungen in seiner Traurigkeit, Ausweglosigkeit, und wahrheitsgemäßem Berichten. Dieses Buch geht zum Herzen. Man kann als Leser kaum glauben, wie böswillig und hinterhältig die Menschen sein können, doch man muss es glauben, denn es gibt zahlreiche Berichte über diese historische Zeit. Und die sind traurig. Sehr fesselnd und eindrucksvoll erzählt. Von mir gibt es 4,5 Sterne und eine Empfehlung.

    2024: Bücher: 100/Seiten: 43 976

    2023: Bücher: 189/Seiten: 73 404

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    Mein Blog: Zauberwelt des Lesens
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    "Das Nicht-Wahrnehmen von Etwas beweist nicht dessen Nicht-Existenz "

    Dalai Lama

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    Lese gerade:

    Adrian, Lara - Hüterin der Ewigkeit

  • Dieser Roman ist gerade für 1.99 als Ebook zu haben

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    Adrian, Lara - Hüterin der Ewigkeit

  • Wahnsinnig interessant und wahnsinnig traurig zugleich, sodass man schon aus Neugierde lesen mag. Da sieht man es aber wieder: Kein Thriller/Horror-Roman der Welt ist so schlimm wie das, was sich die Menschen im wahren Leben antun können

    Nur indem wir uns selbst prüfen, erreichen wir Meisterschaft über uns selbst. Nur so können wir mehr werden als wir sind.

    Matthew Stokoe (high life)

  • Kein Thriller/Horror-Roman der Welt ist so schlimm wie das, was sich die Menschen im wahren Leben antun können

    Eben. Und das gibt die Autorin sehr realitätsnah wieder. :)

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  • In diesem historischen Roman wird die Geschichte von Noah erzählt, der als Sohn einer ukrainischen Bauernfamilie mit den Folgen von Willkür, Not und Unterdrückung in der Zeit der Zwangskollektivierung der Landwirtschaft zu kämpfen hat.


    Wir erfahren, wie ihm in den 1930-iger Jahren schon im Kindesalter die Verantwortung zukam, das Überleben seiner Familie (Mutter und drei jüngere Geschwister) zu sichern.

    Der Autorin gelingt es dabei auf überzeugende Weise, das Erleben von hilfloser Wut, Verzweiflung, aber auch unbändigem Überlebenswillen aus der Binnenperspektive eines Kindes bzw. Jugendlichen nachvollziehbar zu machen. Dass dem Jungen dabei fast übermenschliche Kräfte zugeschrieben werden, ist angesichts der Dramatik der Ereignisse akzeptabel.


    Die Stärke des Romanes liegt darin, die Schikanen der Mächtigen (Parteifunktionäre und deren Zuarbeiter) und deren zermürbende Auswirkungen auf die vermeintlichen Klassenfeiende in das konkrete Alltagsleben einer Familie zu übertragen. So spiegeln sich Ungerechtigkeit und Machtmissbrauch nicht in abstrakten Strukturen, sondern im täglichen Hunger und in quälender Not der beschriebenen Familie.

    Schwächen zeigt der sehr persönliche und emotionale Erzählstil der Autorin dort, wo man als Leser/in etwas weitergehende zeitgeschichtliche Hintergrundinformationen erwartet. Es wird – über die örtlichen Unterdrückungsstrukturen hinaus – kein historischer Rahmen bzw. Überbau angeboten, der zur Einordung der Geschehnisse in die politischen Entwicklungen dieser Zeit dienen könnte.

    Zwar erfährt man von dem ideologischen Kampf gegen die “Kulaken” (die vermeintlich reichen Privatbauern), die ideologischen Hintergründe, die Größenordnung und die zeitgeschichtliche Bedeutung dieser Ereignisse werden im Text nicht wirklich deutlich.


    So bleibt dieser Roman eine beeindruckende und anrührende Einzelfall-Schilderung. Mit nur begrenztem Aufwand hätte er darüber hinaus noch deutlich mehr vermitteln können.

    Schade!


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