John Burnside - In hellen Sommernächten (ab 01.09.2022)

  • Wahrscheinlich hat jeder von uns schon Erfahrungen dieser Art gehabt. Liv könnte an einer ausgeprägten Form der Apophänie "leiden".

    ich habe die Definition so verstanden, dass ein Mensch unter dem Zwang leidet, eigentlich banale und alltägliche Dinge mit einem versteckten Sinn aufzuladen. Ist das die berühmte schwarze Katze, die von links kommt? Oder dass ich nicht auf die Ritzen zwischen den Pflastersteinen treten darf?


    Macht das -ich kann im Moment nicht mithalten - der Unfall klingt leider noch nach - bin ziemlich angeschlagen.

    Oh je. Das ist schade. Du wirst mit der Verletzung auch nicht lesen können, denke ich! Gute Besserung!

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Abschnitt 6 S. 282 - S. 296 "ließ sein Geschenk da und ging"


    Ich halte das für einen wichtigen Absatz und möchte ihn daher nicht übergehen, auch wenn mir nicht alles klar ist.

    Allerdings frage ich mich, warum er weggegangen ist, ohne sich von der Mutter und den Freiern zu verabschieden. Keiner weiß, wo er geblieben ist, er ist "wie vom Erdboden verschwunden". Komisch ist aber auch, dass Liv bei der Teeparty nichts sagt. Sie weiß doch, wo er ist.

    Ryvold scheint mir der einzige "normale" in diesem Figurenkabinett zu sein. Ryvold verlässt die Teeparty und alles, was damit zusammenhängt, weil ihm "das Menschliche" wichtiger ist. Offenbar empfindet er das Klima in Livs Haus als ungesund und abgehoben, und dem will er sich entziehen.

    Aber er sorgt sich offensichtlich um Liv: sie habe ihr eigenes Leben, sagt er, nicht zum ersten Mal.


    Und wieder geht es, diesmal konkreter, um das Thema Illusionen. Er negiert die physische Existenz einer Huldra. Sie sei nur eine Vorstellung sei, also ein Dämon, der nur dadurch Macht habe, weil man das so will. Er benutzt das Wort "empfänglich" dafür.

    Die Huldra ist also eine Illusion, die nur derjenige sieht, der an sie glauben WILL.

    Das würde auch erklären, wieso Liv diese Halluzinationen hat.


    Abschnitt 7 S. 296 - S. 312 "Traum gewesen sei"


    In diesem Abschnitt geht s nämlich um genau das, was Ryvold angesprochen hat.

    Martin verschwindet im Meer, völlig "geräuschlos" (S. 301), und als Liv sich wieder der Gegenwart Maias versichern will, ist Maia ebenfalls verschwunden.


    Eine völlig irreale Szene. Es ist kein Grund erkennbar, wieso Martin mitten in der Nacht aufs Meer hinausfährt, wieso Maia am Ufer bleibt, wieso sie keine Hilfe sucht und so fort.


    Die Anwesenheit der Mutter und deren Gespräch mit Maia bezeugen aber, dass zumindest Maia anwesend war.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Ist das die berühmte schwarze Katze, die von links kommt? Oder dass ich nicht auf die Ritzen zwischen den Pflastersteinen treten darf?

    Nein, die schwarze Katze ist das nicht. Es geht darum kurze Erscheinungen, oft in der Natur,

    als Zeichen für das eigene Selbst zu verstehen. Das kann alles sein. Ein Windstoß, der Ruf

    eines Greifvogels, etc. Man sieht das alles als ein Omen für das eigene Handeln. Das muss

    nicht immer etwas Schlechtes sein.


    Und wieder geht es, diesmal konkreter, um das Thema Illusionen. Er negiert die physische Existenz einer Huldra. Sie sei nur eine Vorstellung sei, also ein Dämon, der nur dadurch Macht habe, weil man das so will. Er benutzt das Wort "empfänglich" dafür.

    Den Abschiedsbesuch von Ryvold fand ich sehr interessant. Die Erklärung für die Huldra als Bewahrerin der Illusionen, die nur die empfänglichen Menschen betrifft, hat mir sehr gut

    gefallen. Denn all die Ertrunkenen waren Menschen die etwas Abseits standen, sich nicht

    in das Normale einfügen konnten, Menschen die im Inneren verletzt auf der Suche nach

    einem Ideal sind. Diese Illusion aber zieht sie dann zur letzten Konsequenz.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

    :study: Matt Ruff - Lovecraft Country

  • Man sieht das alles als ein Omen für das eigene Handeln. Das muss

    nicht immer etwas Schlechtes sein.

    Ja, danke, jetzt habe ich das verstanden. Also keine Zwangsneurose wie die Sache mit den Plattenritzen.

    Erinnert mich bisschen an die römischen Auguren...

    Die Erklärung für die Huldra als Bewahrerin der Illusionen, die nur die empfänglichen Menschen betrifft, hat mir sehr gut

    gefallen.

    Mir auch! Sie deckt sich mit der Vorstellung eines Dämonen, tapiluk genannt (wenn ich mich richtig erinnere), bei den Inuit. Er existiert auch nur in der Vorstellung. und manifestiert sich auch nur dann, wenn man "empfänglich" ist.

    Eine Parallele zum christlichen Teufel.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • zu Abschnitt 7


    Eine völlig irreale Szene. Es ist kein Grund erkennbar, wieso Martin mitten in der Nacht aufs Meer hinausfährt, wieso Maia am Ufer bleibt, wieso sie keine Hilfe sucht und so fort.

    Da ist nichts mehr von fester Gestalt. Wie Burnside die Stimmung dieser Nacht beschreibt,

    die getaucht ist in einen Schimmer von Grau und Silber, ist schon faszinierend. Da ist keine

    rationale Einschätzung mehr möglich. Auch die Skala von Livs Gefühlen reicht von Verwunderung, zu Erkenntnis, zu Verwirrung, zu Angst und letztlich zu Panik. Burnside zieht

    den Leser da in eine Welt jenseits unserer Realität. Nichts ist mehr fassbar und das passt dann

    auch zum geräuschlosen Verschwinden Crosbies und letztlich auch zu Maia, die kurz auftaucht

    um sich dann auch im grau-silber aufzulösen.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

    :study: Matt Ruff - Lovecraft Country

  • Wie Burnside die Stimmung dieser Nacht beschreibt,

    die getaucht ist in einen Schimmer von Grau und Silber, ist schon faszinierend. Da ist keine

    rationale Einschätzung mehr möglich. Auch die Skala von Livs Gefühlen reicht von Verwunderung, zu Erkenntnis, zu Verwirrung, zu Angst und letztlich zu Panik. Burnside zieht

    den Leser da in eine Welt jenseits unserer Realität.

    Das war unglaublich wie Burnside diese Szene beschreibt :pray:

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


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  • Abschnitt 8

    von: It wasn`t a dream, though.

    bis: is something you can only find when you are alone.


    Liv hat zu kämpfen mit den Auswirkungen der Bilder die sie in dieser Nacht gesehen hat.

    Ihre Annahme, dass beide, Martin und Maia im Moment seines Verschwindens glücklich

    waren klingt so als wären beide einen Pakt eingegangen. In diesem Moment sieht Liv

    Glück und Schönheit bei Maia. Das beschreibt Burnside sehr eindringlich und dieses Bild

    erscheint wie eine Szene aus einer traumartigen Märchenwelt.

    Am Ende des Abschnitts sagt Liv etwas sehr schönes. Glück als etwas, dass, im Grunde nur

    einem selbst gehört, als etwas Unteilbares, dass nicht vermittelbar ist.

    Da bin ich ganz bei ihr.

    Zitat

    Happiness is a secret: it`s quiet and personal and beyond telling. It can`t be told

    and no matter what they say, it can`t be shared either.

    Hier noch einmal im letzten Satz des Abschnitts.

    Zitat

    ...they didn`t find it together, because happiness, like peace or the Holy Spirit,

    is something you can only find when you are alone.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


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  • Macht das -ich kann im Moment nicht mithalten - der Unfall klingt leider noch nach - bin ziemlich angeschlagen.

    Es tut mir leid, dass es immer noch nicht besser ist. Hoffentlich kannst Du die Festtage mit Deiner Familie trotzdem genießen. Alles Gute!

    Ja - irgendwie schon - aber sie ist sehr naturverbunden, liebt die Natur, auch die wilde - passt das zusammen?

    Liv sieht sich zehn Jahre später immer noch als Spionin Gottes, aber sie ist es nur noch im Sinne von "Beobachterin" oder "Zeugin". Sie bewirkt, dass Dinge geschehen, aber so, wie es der mexikanische Stamm tat, von dem sie erzählt. Seine Mitglieder hielten jede Nacht nach Sonnenuntergang Wache, weil sie glaubten, nur auf Grund ihrer Aufmerksamkeit ginge die Sonne wieder auf. Ich habe den Eindruck, Liv sieht sich als Hüterin der Ordnung, die aufpasst, dass alles seinen geregelten Gang geht und nichts sich verändert.

    Liv bzw. Lif bedeutet Abwehr,

    Ja, das passt. Abwehr von Veränderung, Abwehr von menschlichen Beziehungen, Abwehr von Liebe.

    Eine völlig irreale Szene. Es ist kein Grund erkennbar, wieso Martin mitten in der Nacht aufs Meer hinausfährt, wieso Maia am Ufer bleibt, wieso sie keine Hilfe sucht und so fort.

    Die Mutter sieht auch nichts. Hinterher stellt sich heraus, dass Crosby seine Rechnung bei Kyrre bezahlt, seine Sachen und sein Auto genommen und klammheimlich verschwunden ist.
    Vielleicht ist ihm Maia zu viel geworden und er ist fortgegangen, ohne sich von Liv zu verabschieden, weil er sich für sein feiges Benehmen schämt. Vielleicht hat er Angst vor Maia (oder vor Liv) bekommen und ist deswegen geflüchtet. Vielleicht hat er gemerkt, dass ihn die Atmosphäre der "hellen Sommernächte" zu sehr herunzerzieht - so etwas hat er ja Liv gegenüber schon mal angedeutet - und ist deswegen weggefahren. Jedenfalls ist er wie Ryvold einfach gegangen, ohne sich zu verabschieden. Merkwürdig!

    Ihre Annahme, dass beide, Martin und Maia im Moment seines Verschwindens glücklich

    waren klingt so als wären beide einen Pakt eingegangen. In diesem Moment sieht Liv

    Glück und Schönheit bei Maia.

    Ja, Liv beschreibt den Ausdruck von Glück in Martins Gesicht, bevor er im Meer verschwindet. Es ist nur ein Trugbild, aber es scheint doch wieder um Eros und Thanatos zu gehen, nach Sigmund Freud die Verschränkung des Lebens- und des Todestriebes, in der Kunst oft als Liebestod dargestellt. Der Moment des Todes als höchste Verwirklichung der Hingabe und der Liebe. Drückt diese Halluzination Livs Sehnsucht nach Liebe und gleichzeitig ihre Angst vor dem "Sichverlieren" an einen anderen Menschen aus? Oder ist sie einfach nur empfänglich für Crosbys depressive, ebenfalls sehr labile Natur, d.h. hat sie etwas gesehen, das hätte passieren können, wenn Crosby sich nicht davongestohlen hätte?

    :study: Zsuzsa Bánk - Die hellen Tage

    :study: Claire Keegan - Liebe im hohen Gras. Erzählungen

    :study: David Abulafia - Das Mittelmeer
















  • Ich verstehe dich ja richtig mofre , dass du nicht daran glaubst, dass Crosbie ertrunken ist. Das es nur ein Trugbild gewesen war, was Liv sich eingebildet hatte. Wie ordnest du dann ein, dass sich das Boot auf dem Wasser befunden hatte? Wer hatte es dann hinausgeschoben? Dieser Punkt irritiert mich nämlich.

    Wenn ich es noch richtig in Erinnerung habe, dann war die Abfolge so, dass Livs Mutter etwas später dazu kam. Sie konnte dann ja auch nichts sehen. Nur noch das Boot auf dem Wasser. Liv hatte sich auch schon manches eingebildet, ist eine sehr unzuverlässige Erzählerin, aber es könnte auch eine echte Beobachtung gewesen sein. Ausschließen lässt es sich ja nicht ganz.


    Die Logik sagt wiederum allerdings, dass irgendwer das Boot aufs Wasser geschoben hatte, eventuell Maia aus Spaß an der Freude. Und Crosbie tatsächlich vorher sang- und klanglos verschwunden ist. Sein Auto war ja schon vorher weg. Nur irgendwas zweifelt da innerlich bei mir. Man kann seinen Selbstmord auch entsprechend planen und einrichten.


    Für mich bleibt diese Szene immer noch geheimnisvoll und mysteriös. Wobei es nicht die Einzige bleiben wird. Aber dazu kommen wir ja noch.

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


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  • Für mich bleibt diese Szene immer noch geheimnisvoll und mysteriös.

    Für mich auch. Ich denke, diese Nacht entzieht sich einfach einer rationalen Erklärung.

    Für Livs Wahrnehmung war es eine magische Nacht und da passt das Rationale nicht hinein.

    Das würde dieser Szene den Zauber nehmen, oder wenn man so will, auch die Illusion, das

    Geheimnis das in diesem Fall nur für Liv ist.

    Logik und Vernunft kommt hier halt an ihre Grenzen. Nicht alles zwischen Himmel und Erde

    ist durch Rationalität zu durchdringen. Es bleibt ein Geheimnis, ein Zauber, und den möchte

    ich mir, wie Liv, bewahren.

    Nennt mich ruhig einen hoffnungslosen Romantiker....... :uups:

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


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  • Natürlich bleibt die Szene geheimnisvoll und mysteriös, egal, was geschehen ist. Sie soll ja rätselhaft wirken, wie alle anderen Vorkommnisse in diesem Roman auch. Aber ich merke schon, mit meinen rationalen Fragen und Erklärungsversuchen werde ich hier zum Stimmungstöter. Ich werde zu dieser Stelle auch nichts mehr schreiben, um Euch den Zauber nicht zu zerstören, zumal es auch müßig ist, da wir nur die unzuverlässige Erzählerin Liv haben, die Gedanken der anderen Personen nicht kennen und bis zum Schluss keinerlei Aufklärung erhalten. Ich möchte Euch nur darauf hinweisen, dass meine Theorie eines Trugbilds Martin Crosby das Leben rettet, während Ihr ihn in den Fluten versinken lasst. Ihr seid nicht hoffnungslose, Ihr seid schwarze Romantiker!

    Denn bei allem Geheimnis und Zauber geht es hier immerhin um einen jungen Mann, der Selbstmord begeht, und um einen älteren Mann, dem vielleicht noch Schlimmeres widerfährt.

    Um die Insel würde ich einen weiten Bogen machen, zumindest als Mann, Frauen passiert ja nichts.

    :study: Zsuzsa Bánk - Die hellen Tage

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  • dass meine Theorie eines Trugbilds Martin Crosby das Leben rettet, während Ihr ihn in den Fluten versinken lasst.

    Nein, ich lasse ihn auch nicht versinken. Auto weg, Gepäck weg, Rechnungen bezahlt - er ist einfach abgereist.

    Liv dagegen lässt ihn auf ihre eigene besondere Art "abreisen", und wie sich die Sache mit dem Boot verhält, die Farast anspricht, werden wir keine eindeutige Antwort bekommen.


    Liv spricht selber von den beiden Welten, die sich bei ihr vermengen, was sie als Privileg betrachtet. In Abschnitt 13, S. 370, spricht sie vom "Spalt im Universum", und durch diesen Spalt dränge die Anderwelt zu ihr ein. Dieser Spruch vom "Riss in der Welt" (o. ä.) wird oft Leonard Cohen zugesprochen, das stimmt aber nicht; das stammt aus einer schon älteren Abhandlung zur Fantasy-Literatur, aber fragt mich bitte nichts Genaueres.


    Ich habe das Buch beendet und würde gerne nur einige wenige Punkte ansprechen.


    Absatz 10 "Während der nächsten beiden Tage" bis S. 333 "...eilig im Schutz der Bäume"

    Gespräch mit Maia


    Ein schönes Bild, wie Maia mitten im kunstvollen Garten der Mutter auf einem Felsblock sitzt und sich sonnt - wie die gefährliche Loreley...


    Liv empfindet sie als ihre gegensätzliche Schwester; für mich ein Beleg für Livs Art, den Mythos der Huldra in Maia zu sehen. Maia spricht sie direkt auf ihre kalte Mutter an; hier hatte Kate Thompson schon erste Zweifel gesät. Wobei ich die Mutter nicht kalt finde, sondern besorgt um ihre labile Tochter, aber egal. Maia spricht Liv vor allem auf ihre eigene Kälte an, und zwar sehr direkt: "Hast du schon mal mit einem Mann gevögelt?" (S. 328). Livs Reaktion darauf ist deutlich: abwehrend, beunruhigt, fühlt sich angegriffen, fürchtet sich vor einer Berührung durch Maia.


    Ich schließe mich mofre an: Es geht um verdrängte Sexualität, aber ich würde noch weiter gehen: um verdrängte Wünsche nach Zweisamkeit, nach liebevollem Miteinander, nach Bindung, nach menschlicher Wärme und so fort. Die Mutter lebt ihr dieses Leben vor: diese merkwürdig unverbindliche, aber irgendwie auch aufgeheizte Teeparty, die Trennung von ihrem Vater.


    Absatz 14 S. 371 "Es ist neun Uhr..."

    Ich habe den Eindruck, Liv sieht sich als Hüterin der Ordnung, die aufpasst, dass alles seinen geregelten Gang geht und nichts sich verändert.

    Sie kartografiert ihre Umgebung und vergewissert sich dabei jedesmal aufs Neue dieser Umgebung. Zugleich will sie mit diesen Bildern (die ich als zwanghaft empfinden würde) deutlich machen, dass die sichtbare Welt, die sie abbildet, trügerisch ist und Unvertrautes, Gefährliches, Beänstigendes in sich bergen kann.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Hallo ihr Lieben,


    bevor ich abschließend noch etwa schreibe, muss ich mich jetzt erst einmal meinen nicht

    enden wollenden Erkältungsschüben und leider auch zunehmenden Kreislaufproblemen

    widmen. Nach den stillen Tagen geht es dann hoffentlich wieder besser.


    Ein frohes Fest euch allen

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

    :study: Matt Ruff - Lovecraft Country

  • Ihr Lieben ich werde mich auch erst nach den Feiertagen melden. Im Moment bekomme ich keinen vernünftigen Gedanken zum Abschluss zusammen, aber dafür eine Menge ums Plätzchenbacken und organisieren.


    Schöne Festtage wünsche ich euch allen, im Kreise eurer Lieben :santa:


    taliesin Da hast du ja eine äußerst hartnäckige Version erwischt. Gute Besserung wünsche ich Dir!

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  • Hallo ihr Lieben, da wäre ich wieder. Ein gutes neues Jahr wünsche ich euch, verbunden mit viel Gesundheit.

    Ich hoffe euch (in Richtung taliesin und serjena schau) geht es wieder besser!? Ich habe hier einen Dauererkrankten bekommen. Hoffentlich wird das wieder, denn dieser Dauerhusten bzw. Erkältung ist ja übelst und macht uns viele Sorgen.


    Ich möchte Euch nur darauf hinweisen, dass meine Theorie eines Trugbilds Martin Crosby das Leben rettet, während Ihr ihn in den Fluten versinken lasst. Ihr seid nicht hoffnungslose, Ihr seid schwarze Romantiker!

    :uups:


    Denn bei allem Geheimnis und Zauber geht es hier immerhin um einen jungen Mann, der Selbstmord begeht, und um einen älteren Mann, dem vielleicht noch Schlimmeres widerfährt.

    Diese Geschichte um Kyrre bzw. Maia würde ich noch gerne ansprechen. Denn die finde ich äußerst rätselhaft. Da würde mich wirklich auch eine rationale Erklärung interessieren.

    Ich habe sie mir auf zwei unterschiedliche Arten erklärt.


    Version a)

    Kyrre und Maia hauen von dieser Insel der Irren ab und lassen sich nie mehr blicken. Liv lebt ja ohnehin in ihrer eigenen Welt und bekäme eine derartige Flucht nicht wirklich mit.


    Version b)

    Maia hat Kyrre in der Luft zerrissen. Warum auch immer, wer blickt bei einer Huldra schon durch. Wäre dann die Version für das geheimnisvolle der Geschichte. :wink:


    Um die Insel würde ich einen weiten Bogen machen, zumindest als Mann, Frauen passiert ja nichts.

    Nüja, zumindest bleiben die Frauen am Leben. Etwas gaga sind die beiden ja schon in ihrer eigenen Welt. Da würde ich als Frau auch einen Bogen um die Insel machen.


    Liv spricht selber von den beiden Welten, die sich bei ihr vermengen, was sie als Privileg betrachtet. In Abschnitt 13, S. 370, spricht sie vom "Spalt im Universum", und durch diesen Spalt dränge die Anderwelt zu ihr ein. Dieser Spruch vom "Riss in der Welt" (o. ä.) wird oft Leonard Cohen zugesprochen, das stimmt aber nicht; das stammt aus einer schon älteren Abhandlung zur Fantasy-Literatur, aber fragt mich bitte nichts Genaueres.

    Falls dir da doch noch genaueres einfallen würde, wäre das spannend zu erfahren. Ich lese gerne den einen oder anderen Fantasy-Roman. Vor allem die älteren Ausgaben haben es mir angetan. Aus dem Grund würde mich natürlich eine Abhandlung sehr interessieren.


    Dieser "Riss in der Welt", dieser Blick in eine Anderswelt empfinde ich immer als interessant bei Burnside. Es ist immer wie ein Flackern in meinen Augen, so als würde man im Augenwinkel was vorbeihuschen sehen was man nicht einordnen kann. Für mich tritt das in diesem Buch mit am deutlichsten vor. Man kann ja wirklich alles rational erklären, da kann ich euch drawe und mofre wirklich sehr gut verstehen, denn der rationale Teil in mir sucht natürlich auch nach einer entsprechenden Erklärung.

    Aber es gäbe da noch eine weitere Erklärungsmöglichkeit, die wie von einer anderen Welt erscheint. Dieses geheimnisvolle, nicht erklärbare. Das zieht mich auch an.


    Sie kartografiert ihre Umgebung und vergewissert sich dabei jedesmal aufs Neue dieser Umgebung. Zugleich will sie mit diesen Bildern (die ich als zwanghaft empfinden würde) deutlich machen, dass die sichtbare Welt, die sie abbildet, trügerisch ist und Unvertrautes, Gefährliches, Beänstigendes in sich bergen kann.

    Zwanghaft trifft es echt gut. Sie muss sich ihrer Umwelt immer und immer wieder versichern. Mit ihren Bildern hat sie zwar ihre "Aufgabe" gefunden, aber letzten Endes bleibt ein bitterer Geschmack.


    Ich schließe mich mofre an: Es geht um verdrängte Sexualität, aber ich würde noch weiter gehen: um verdrängte Wünsche nach Zweisamkeit, nach liebevollem Miteinander, nach Bindung, nach menschlicher Wärme und so fort. Die Mutter lebt ihr dieses Leben vor: diese merkwürdig unverbindliche, aber irgendwie auch aufgeheizte Teeparty, die Trennung von ihrem Vater.

    Da kann ich mich euch beiden auch anschließen. Du hast das alles auf den Punkt gebracht, was mir bezüglich Mutter und Tochter durch den Kopf gegangen ist.



    "In hellen Sommernächten" gehört nach wie vor zu meinen Lieblingsbüchern von Burnside. Wobei ich auch meine Kritikpunkte habe, die ich Burnside zwar verzeihen kann, aber nicht verschweigen möchte. So hin und wieder zieht sich das eine oder andere dann doch schon beim Lesen und man wünscht sich ein wenig mehr Drive. Aber dann kommen diese wunderbaren Landschaftsschilderungen oder die Schilderungen der "Anderswelt", dieser Blick auf das magische und ich bin wieder hin und weg :drunken:


    Ich möchte mich ganz herzlich bei euch für diese schöne MLR bedanken! Ihr habt mir viele neue Blickwinkel auf mein Lieblingsbuch von Burnside gegeben und einiges zum überdenken bei mir angestoßen.

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  • Falls dir da doch noch genaueres einfallen würde, wäre das spannend zu erfahren. Ich lese gerne den einen oder anderen Fantasy-Roman. Vor allem die älteren Ausgaben haben es mir angetan. Aus dem Grund würde mich natürlich eine Abhandlung sehr interessieren.

    Liebe Farast, ich bin leider schon in dem Alter, in dem ich nur noch weiß, dass da mal was war, aber Genaues ist versunken - aber manchmal habe ich nachts grandiose Ideen, wo was steht und wo ich etwas gelesen habe - also ich denke dann an Dich und melde mich wieder.


    Wobei - dieser Riss in der Realität, verbunden mit dem kurzen Blick in eine andere Realität: ist das nicht der Kern jeder Religion bzw. jeder Spiritualität?


    Burnside lenkt unseren Blick in eine animistisch orientierte Anderswelt.


    wünscht sich ein wenig mehr Drive. Aber dann kommen diese wunderbaren Landschaftsschilderungen oder die Schilderungen der "Anderswelt", dieser Blick auf das magische und ich bin wieder hin und weg

    Genau. Ich kann mich nur wiederholen: Burnsides Stärke liegt ganz offensichtlich nicht im Romanhaften, sondern eher im Beschreibenden. Für mich ist er ein Lyriker, und auch wenn er einen Roman schreibt, bleibt er ein Lyriker.

    Und insofern nehme ich das (für mich) Unfertige dieses Romans einfach mal so hin. Und wenn ich es mir überlege: eine rationale Aufklärung am Schluss hätte zu dem Schwebenden, das der Roman hat, einfach nicht gepasst.

    Man kann das auch positiv sehen: wir dürfen selbst entscheiden, was mit Kyrre und Maia etc. geschehen ist.


    Ich hoffe, den Angeschlagenen geht es wieder besser...?

    :winken:

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).