Abbas Khider – Palast der Miserablen

  • Kurzmeinung

    Hypocritia
    ein Heranwachsen in Bagdad in Form einer unliterarischen und flachen Erlebniserzählung
  • Klappentext/Verlagstext

    Shams Hussein ist ein normaler Junge mit ganz normalen Träumen. In der Hoffnung auf ein friedlicheres Leben ziehen seine Eltern mit ihm und seiner Schwester aus dem Süden des Irak nach Bagdad. Doch aus dem Streben nach einer besseren Zukunft wird in dem von Saddam Hussein beherrschten Land schnell ein Leben in existenzieller Not. Die Familie wohnt neben einem riesigen Müllberg, Shams arbeitet als Plastiktütenverkäufer, als Busfahrergehilfe, als Lastenträger. Und er liebt Bücher. In einer Zeit jedoch, in der ein falsches Wort den Tod bedeuten kann, begibt er sich damit in eine Welt, deren Gefahren er nicht kommen sieht. Ein persönlicher, höchst lebendiger Roman voll unvergesslicher Figuren.


    Der Autor

    Abbas Khider wurde 1973 in Bagdad geboren. Mit 19 Jahren wurde er wegen seiner politischen Aktivitäten verhaftet. Nach der Entlassung floh er 1996 aus dem Irak und hielt sich als „illegaler Flüchtling“ in verschiedenen Ländern auf. Seit 2000 lebt er in Deutschland und studierte Literatur und Philosophie in München und Potsdam. 2008 erschien sein Debütroman „Der falsche Inder“, es folgten die Romane „Die Orangen des Präsidenten“ (2011) und „Brief in die Auberginenrepublik“ (2013). Er erhielt verschiedene Auszeichnungen, und war im Jahr 2017 Mainzer Stadtschreiber. Abbas Khider lebt zurzeit in Berlin.


    Inhalt

    Solange der 12-jährige Shams sich erinnern konnte, war im Irak irgendwo in der Ferne Krieg gewesen. Sein Vater hatte Glück, er leistete Dienst auf einem winzigen Militärposten in der Nähe und kam regelmäßig nach Hause. Shams und seine Schwester wachsen in einfachsten Verhältnissen auf, ohne Strom und fließendes Wasser. Jungen werden von der 1. Klasse an als Pioniere an der Waffe ausgebildet. In der Familie und im Dorf gab Großvater Marzoq den Ton an, der als Stammesältester keinen Widerspruch duldete. 1990 wird Kuwait durch den Irak erobert und 2003 führt der Irakkrieg/der Dritte Golfkrieg zur Bombardierung Bagdads und zum Sturz Saddam Husseins. Nun scheint der Krieg plötzlich ganz in der Nähe auf der Straße nach Kuwait stattzufinden. Die Generation von Shams Vater widerspricht dem Patriarchen zum ersten Mal; denn seine Vorstellungen von männlicher Ehre lassen sich mit dem Leben der Gegenwart nicht mehr vereinbaren.


    In einem zweiten Handlungsstrang in kürzeren Abschnitten findet sich ein Häftling unerwartet allein in einer Zelle, während in der Stadt Bombenangriffe zu hören sind. Subjektiv scheint es ihm besser zu gehen als zuvor in einer Sechs-Mann-Zelle – aber der Gefangene muss damit rechnen, dass er in seinem Verlies vergessen wird, während draußen die Stadt in Trümmer fällt.


    Shams Vater kehrt sichtlich vom Krieg gezeichnet zurück und will nie wieder eine Waffe in die Hand nehmen. Obwohl durch die Plünderung Kuwaits ein kurzes Wirtschaftswunder bis in Shams Dorf zu verzeichnen ist, beschließen die Eltern, nach Bagdad zu ziehen. Man ahnt als Leser, dass sie dem Willkür-Regime nicht entgehen werden, in dem man unweigerlich auf der falschen Seite steht. Nahe einer Müllkippe bauen sie eine einfache Blechhütte – und werden damit zu denen „aus dem Blechviertel“. Die Mutter Zahraa putzt wie früher in einer Moschee, der Vater arbeitet als Träger im Bazar und Shams muss als zweiter Mann im Haus mitverdienen. Da die Siedlung offiziell nicht existiert, benutzt er eine fremde Anschrift, um in einem anderen Viertel zur Schule gehen zu können. Weil Shams seit früher Kindheit arbeitet und nicht regelmäßig zur Schule geht, wird er früh erwachsen, seine formale Schulbildung endet ebenso früh. In der beginnenden Pubertät sieht er seine heranwachsende Schwester Qamer plötzlich mit anderen Augen. Beide Kinder hungern nach Bildung und entdecken die Welt gebrauchter Bücher. Shams findet sich in einem unlösbaren Konflikt: aus finanziellen Gründen muss er arbeiten, ohne Schulabschluss wird er jedoch zwangsläufig zum Militär eingezogen werden. Weil er arbeitet, fehlt er zu oft in der Schule. Obwohl er als kleiner Händler längst wie ein Berufstätiger lebt, muss er den Schulabschluss unbedingt schaffen, wenn er je seinen Träumen und denen seines Vater folgen will. Der Vater wünscht sich für seine Kinder Freiheit, auch wenn er keine Vorstellung hat, wie sie ohne Geld zu erreichen sein wird. Während Bagdad sich im Krieg befindet, lernt Shams eine Gruppe kunst- und literaturbegeisterter junger Leute kennen, die sich regelmäßig zu einem privaten Salon trifft. So wie Shams als Kind aus zweiter Hand gehört hat, was Erwachsene für Kinderohren geeignet fanden, bekommt er in der Gruppe erzählt, was in der Welt außerhalb des Irak passiert. Informationen selbst zu beurteilen, hat er nie gelernt.


    Fazit

    Abbas Khider ist ein begabter Erzähler; seine Beschreibung von Shams Kindheit auf dem Dorf hat mich sofort gefesselt. Spannung entsteht durch das Rätseln, was den Gefangenen in seine Zelle gebracht hat und ob er die Angriffe auf Bagdad überleben wird. Durch die eingeschränkte Sicht des jungen Icherzählers nimmt die Faszination allerdings bald ab; denn außer der sichtbaren körperlichen Reife scheint er sich nicht weiterzuentwickeln. Hatte er bisher den Eltern gehorcht und mitverdient, soll er plötzlich in schweren Zeiten selbst wirtschaftliche Entscheidungen treffen und Nachrichten aus dem Ausland einordnen können. Khiders Heranwachsender bleibt jedoch darauf angewiesen, dass andere ihm die Welt erklären, im Grunde immer noch der Junge, der auf dem Markt auf einer Decke die Waren anbietet, die seine Tippgeber für lohnend halten. Sein Motiv, unbedingt zu studieren und selbst zu schreiben, konnte mich aus dem Verharren in seiner Rolle heraus nicht überzeugen und auch den einzelnen Mitgliedern des Literaturzirkels fehlte es an Persönlichkeit. Shams passive Persönlichkeit mag absolut authentisch für Kriegs- und Krisenzeiten sein, um von der Handlung gefesselt zu werden, vermisse ich jedoch einen Reifungsprozess.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Naylor - Die Stimme der Kraken

    :musik: --


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Klappentext:

    Shams Hussein ist ein normaler Junge mit ganz normalen Träumen. In der Hoffnung auf ein friedlicheres Leben ziehen seine Eltern mit ihm und seiner Schwester aus dem Süden des Irak nach Bagdad. Doch aus dem Streben nach einer besseren Zukunft wird in dem von Saddam Hussein beherrschten Land schnell ein Leben in existenzieller Not. Die Familie wohnt neben einem riesigen Müllberg, Shams arbeitet als Plastiktütenverkäufer, als Busfahrergehilfe, als Lastenträger. Und er liebt Bücher. In einer Zeit jedoch, in der ein falsches Wort den Tod bedeuten kann, begibt er sich damit in eine Welt, deren Gefahren er nicht kommen sieht. Ein persönlicher, höchst lebendiger Roman voll unvergesslicher Figuren.


    Autor:

    Abbas Khider wurde 1973 in Bagdad geboren. Mit 19 Jahren wurde er wegen seiner politischen Aktivitäten verhaftet. Nach der Entlassung floh er 1996 aus dem Irak und hielt sich als „illegaler Flüchtling“ in verschiedenen Ländern auf. Seit 2000 lebt er in Deutschland und studierte Literatur und Philosophie in München und Potsdam. 2008 erschien sein Debütroman Der falsche Inder, es folgten die Romane Die Orangen des Präsidenten (2011) und Brief in die Auberginenrepublik (2013). Er erhielt verschiedene Auszeichnungen, zuletzt wurde er mit dem Nelly-Sachs-Preis, dem Hilde-Domin-Preis und dem Adelbert-von-Chamisso-Preis geehrt. Außerdem war er im Jahre 2017 Mainzer Stadtschreiber. Abbas Khider lebt zurzeit in Berlin. Bei Hanser erschienen von ihm Ohrfeige (Roman, 2016) und Deutsch für alle (Das endgültige Lehrbuch, 2019).


    Allgemeines:

    Erscheinungsdatum: 17. Februar 2020

    Seitenanzahl: 320

    Verlag: Carl Hanser Verlag


    Eigene Meinung:

    Das Buch fing sehr gut an. Es wird aus der Sicht des Jungen der Familie erzählt, der zu Beginn noch ziemlich jung ist. Er beschreibt das Leben in seiner Familie sehr anschaulich, auch wenn er selber noch nicht versteht, was dahintersteckt, hat es mich als Leser gefangen genommen.

    Daher war ich auch sehr angetan von diesem Roman. Doch je weiter das Buch voranschreitet, in so mehr Nebensächlichkeiten verliert sich der Autor. Gerne hätte ich mehr über das Leben als Flüchtling in Bagdad gelesen und die Abschnitte, in denen das Leben dort beschrieben wird, genau die haben es mir angetan, konnten mich fesseln und berühren, wenn man darüber nachdenkt, dass vieles für uns undenkbar ist.

    Doch der Autor hat noch einen weiteren Erzählstrang eingebaut, der Spannung erzeugen soll, das bei mir aber nicht geschafft hat. Ab der Mitte habe ich überlegt das Buch nur noch zu überfliegen. Ich mag nicht über Analfisteln, Sexgedanken und komische Mafiageschichten lesen. Irgendwie passte das für mich nicht in dieses Buch. Ich fand die Geschichte mit der Schwester irgendwie zu unrealistisch und unpassend für das Szenario.

    Leider kamen auch die Bücher am Ende etwas zu kurz, wurde eher zur Nebensache. Es wird zwar häufiger erwähnt, aber konnte mich dann nicht mehr überzeugen.

    Vom Schluss war ich geradezu enttäuscht. Nicht falsch verstehen, ich liebe Enden, die man nicht erwartet und die vielleicht auch nicht alle Fragen klären, aber das endete hier so abrupt und merkwürdig, dass ich ziemlich unzufrieden zurückgelassen wurde.

    Aber vielleicht wollte der Autor damit etwas Bestimmtes sagen und ich bin nur zu doof es zu verstehen….


    Fazit: Tolle Beschreibungen des Lebens in einer Welt, die wir uns hier kaum denken können. Dennoch verliert sich der Autor in meinen Augen in unsinnige Handlungsabschnitte, was mich dann nicht packen konnte. Schade! :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Abbas Khiders Roman „Palast der Miserablen“ besteht aus zwei verschiedenen Erzählsträngen, die jeweils aus der Sicht von Shams (Ich-Form) erzählt werden.


    Der Hauptstrang erzählt das Leben des 12-jährigen Irakers Shams und seiner Familie, die in einem kleinen Dorf im südlichen Irak leben. Das von Saddam Hussein beherrschte Land ist von Kriegen und Aufständen gezeichnet. In der Hoffnung auf ein besseres Leben, zieht die Familie nach Bagdad. Doch ihre Träume erfüllen sich nicht. Sie landen im berüchtigten Blechviertel. Die Familie versucht das Beste aus ihrer Situation zu machen.
    In der Parallelhandlung geht es um den erwachsenen Shams, der schon seit längerem im Gefängnis sitzt. Erst gegen Ende des Buches erfährt man, wie es dazu gekommen ist.


    Um ehrlich zu sein, ich habe mir von dem Buch doch ein wenig mehr versprochen.
    Keine Frage, der Einblick in das Leben der irakischen Bevölkerung unter Saddam Hussein ist interessant und bewegend. Allerdings hätte ich mir an manchen Stellen mehr Beschreibungen bzw. etwas mehr Tiefgang gewünscht. So plätschert die Handlung dahin – tagebuchartig reiht sich ein Ereignis an das nächste. Man wartet auf etwas mehr Spannung, auf den Wow-Effekt. Fehlanzeige!


    Alle Personen bleiben seltsam blass. Auch hier fehlte mir die gewisse Tiefe, um mit ihnen mitleiden oder mitfiebern zu können. Vor allem Shams entwickelt nicht im Laufe der Geschichte nicht weiter, bleibt auf seinem kindlichen Niveau stehen.


    Die Geschichte kommt einfach nicht richtig in Schwung, was u.a. auch an dem simplen Erzählstil des Autors liegt.


    Das Ende des Buches hat mich dann ein wenig ratlos zurückgelassen: und jetzt?


    Trotz des interessanten Themas hat mich der Roman leider nicht richtig gepackt.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    :study:

    Stand: 12.01.2022

    1 Bücher / 352 Seiten

    Challenges

    Bingo 1/100 (Bingo: 0)
    Reihen-Bezwinger Challenge (Reihen beendet, bzw vorläufig beendet -x / Reihen offen/in Arbeit - 1

    ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

    2021: 28 Bücher / 13182 Seiten ___ 2020: 45 Bücher / 17675 Seiten ___ 2019: 78 Bücher / 27102 Seiten


  • Shams, ein irakischer Junge, wächst in Armut und unter Kriegsbedrohung auf. So gut er kann, versucht er seiner Familie zu helfen. Mit seiner Schwester ist er ein Herz und eine Seele. Dank seiner Wissbegierigkeit schafft er es nach dem Umzug der Familie aus einer irakischen Provinz nach Bagdad,das Abitur zu machen und fängt sogar an zu studieren. Seine Liebe zur Literatur wird ihm aber zum Verhängnis. So landet er im Gefängnis, wo er am Rande des Todes ist.

    Das Buch ist so geschrieben, dass ein Leser aktuelle Erlebnisse von Shams in Gefängnis verfolgt, aber auch ausführlich in seine Vergangenheit blicken kann.

    Mich hat das Buch tief berührt. Ich habe das Lesen "Palast der Miserablen" bis zur letzten Zeile genossen. Es gibt viel neues, was man über den Irak erfahren kann.

  • Leben im Irak des Saddam Hussein

    Der junge Shams Hussein lebt mit seiner Familie im Süden Iraks. Da sie hoffen, in der Hauptstadt ein besseres Leben führen zu können, zieht die Familie um. In Bagdad angekommen, schlagen sie sich mehr schlecht als recht durch. Zunächst können sie noch bei einem entfernten Verwandten wohnen, doch dann bleibt ihnen nichts anderes übrig, als in die sogenannte Blechstadt, ein Slum neben einem riesigen Müllberg, umzuziehen. Wie fast alle Bewohner der Blechstadt suchen Shams und sein Vater Gegenstände aus dem Müll, die sie verkaufen können.


    Trotz der ärmlichen Verhältnisse entdeckt Shams bald die Liebe zum Lesen. Durch einen Cousin wird er in den „Palast der Miserablen“, einen Zirkel von literaturbegeisterten Gleichgesinnten, eingeführt. Allerdings werden dort auch systemkritische Schriften diskutiert, was im Irak des Saddam Hussein ein gefährliches Unterfangen ist.


    Shams schlägt sich als Wasserverkäufer und Busfahrergehilfe durch und lernt gleichzeitig für seinen Schulabschluss. Nur wenn er den schafft, bleibt ihm ein Leben als Soldat erspart. Als er die Möglichkeit bekommt, Lesebegeisterte wie ihn selbst mit verbotenen Büchern aus dem Ausland zu beliefern, greift er zu. Ein folgenschwerer Fehler, wie sich herausstellt...


    „Palast der Miserablen“ gibt Einblicke in ein von einem Diktator beherrschtes Land, in dem es aufgrund des von den USA verhängten Handelsembargos an allem fehlt. Wer kann, flieht außer Landes.


    Ich habe „Palast der Miserablen“ als Hörbuch gehört, hervorragend gelesen von Torsten Flassig. Man erfährt viel über das Leben in einem totalitären Staat, in dem es Tag für Tag ums nackte Überleben geht. Der Autor Abbas Khider weiß, wovon er spricht: er war selbst als junger Mann im Irak inhaftiert und es ist ihm gelungen zu fliehen. Ein bewegendes und empfehlenswertes (Hör-)Buch. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Abbas Khider erzählt die Geschichte eines Irakers, eines ganzen Dorfes, eines ganzen Landes. Für mich sind die Grenzen verschwommen, da der Ich-Erzähler so intensiv und lebendig erzählt, dass ich mich oft gefragt habe, wie viel von dem Autor selbst in ihm steckt. Viele Emotionen wurden in mir wachgerüttelt. Über den Großvater des Ich-Erzählers konnte ich schmunzeln, andere Szenen haben mich schockiert, erschreckt und auch ein wenig abgestoßen. Der Autor schreibt direkt, verschönert nichts, schmückt nichts aus, dichtet nichts hinzu. Es ist fast ein Tatsachenbericht, eine Biographie. Und für mich war sie vor allem ein Einblick in ein Land und in eine Zeit, über das und über die ich noch nicht allzu viel wusste.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    "Hab Vertrauen in den, der dich wirft, denn er liebt dich und wird vollkommen unerwartet auch der Fänger sein."
    Hape Kerkeling


    "Jemanden zu lieben bedeutet, ihn freizulassen. Denn wer liebt, kehrt zurück."
    Bettina Belitz - Scherbenmond


    http://www.lektorat-sprachgefuehl.de