Sibylle Berg - GRM

  • Kurzmeinung

    Fezzig
    Right Book, right time. Ich weiß nicht, ob es mich zu jeder Zeit gepackt hätte. Sehr hart und schonungs- / hoffnungslos.
  • Kurzmeinung

    Hypocritia
    Ansammlung von gesellschaftl. (Rand)erscheinungen der Aktualität m. unstimmigen Extrapolationen - zu lang(weilig)
  • Ich muss auch sagen, dass es mich irgendwann richtig genervt hat, so dass ich erst etwas anderes zwischenschieben musste

    Kann ich verstehen - ich hatte auch das Bedürfnis nach etwas Positivem.

    Auf der anderen Seite entwickelt der Roman einen starken Sog, finde ich. Dabei wird alles immer schlimmer, das hat mich

    auch verblüfft, dass da noch Steigerungen denkbar sind. Bis hin



    Jubel wegen des Grundeinkommens

    … was sich aber als Bumerang entpuppt.

    Diese Stelle hat mich auch wieder nachdenklich gemacht. Ist es vielleicht jetzt auch so, dass wir manche Sachen freudig begrüßen, die sich dann als menschenverachtend herausstellen? Weil wir nicht weiter drüber nachdenken? Ich weiß es nicht.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Auf der anderen Seite entwickelt der Roman einen starken Sog, finde ich. Dabei wird alles immer schlimmer, das hat mich

    auch verblüfft,

    Das stimmt, ich erwische mich auch immer wieder dabei, weiter lesen zu wollen :mrgreen:

    Ist es vielleicht jetzt auch so, dass wir manche Sachen freudig begrüßen, die sich dann als menschenverachtend herausstellen? Weil wir nicht weiter drüber nachdenken? Ich weiß es nicht.

    Ich bin mir nicht sicher, ist es nicht eher so, dass im Grunde ALLE Dinge zum Negativen ausgelegt werden können? Fast jede Erfindung wurde irgednwann zur Waffe. Entweder kommt die Einsicht etwas später oder der gute Glaube ist zu Beginn stärker...

  • Ich fand es ja jetzt sehr interessant...

    Die Kinder sind jetzt in ihrer Fabrikhalle angekommen, wo sie sich jetzt auf die Abarbeitung ihrer Liste vorbereiten.

    Da ist dann die Stelle in denen ihre Kindheit einer "normalen" Kindheit gegenüber gestellt wird. Das ist wie alles andere wieder ganz extrem...

    Eine normale Kindheit wird hier überdrastisch dargestellt, Es wird Mozart gespielt, Wein getrunken, Kind wird von vorne bis hinten betüdelt.

    Da sind die Kinder ganz froh, dass sie gelernt haben zu überleben.


    Das fand ich sehr befremdlich, denn hier werden wieder krasse Gegensätze voreinandergestellt...

  • Es ist ja alles schlecht und nichts wird besser usw.

    Auf einen Lichtblick braucht man wohl nicht zu hoffen. Da kann ich gut verstehen, wenn man zwischendrin was Positives lesen will.:)

    Konsequent zu Ende gedacht!

    Jetzt habe ich den Spoiler geöffnet, obwohl ich noch nicht so weit bin - egal.

    Aber dass Sibylle Berg konsequent den Gedanken weiterspinnt, habe ich auch schon überlegt.:) Momentan bin ich bei Abdullah und seiner Zelle - furchtbare Vorstellung.:shock:

  • Aber dass Sibylle Berg konsequent den Gedanken weiterspinnt, habe ich auch schon überlegt

    Diese Konsequenz finde ich sehr beeindruckend; die zeigt sie ja auch in den anderen Bereichen, die sie "abhakt". Das ist nicht abwertend gemeint, sondern ich meine damit die Gründlichkeit, mit der sie sich einen Bereich nach dem anderen vornimmt und die Auswirkungen dort aufzeigt.


    Und da gelingen ihr immer wieder menschlich sehr anrührende Szenen, finde ich. Z. B.


    Damit ruft sie Empathie beim Leser hervor. Und dieses Nebeneinander von technokratischer Menschenverachtung einerseits und - wie soll ich es nennen - menschlicher Konditionierung? nicht erfüllbaren Lebensmöglichkeiten??? andererseits finde ich beklemmend.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • onaniert zu Prince-Charles-Fotos

    Natürlich war dieser Satz dazu gedacht, die Leser zu amüsieren. Hätte sie jemanden anderen vom Schlage George Clooney gewählt, hätte man drüber lesen können. Aber die Idee ist so pervers, dass sie einfach gut ist. Und das andere, was eigentlich wichtiger wäre, überdeckt.


    In Bergs Sprache habe ich mich ziemlich schnell eingefunden; was mich verwirrt, ist Dons Alter: "... Don war klein, selbst für eine fast Sieben- oder Achtjährige." (S. 13 Mitte) Sie macht den Eindruck einer Jugendlichen. Was denn - Kind oder Jugendliche? :-k


    Ich habe das hier noch gefunden. Die Frau ist schon sehr speziell.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Was denn - Kind oder Jugendliche?

    Das hatte mich auch irritiert. Diese erwachsenen Kinder.


    Danke für den link. Die beiden Herren unterbrechen sie ja ständig... Morgen habe ich mehr Zeit und schau mir das zu Ende an.


    Ich hatte mich über Brainfuck informiert; eigentlich habe ich das Wort für ein Schimpfwort gehalten.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Brainfuck

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Das hatte mich auch irritiert.

    Gut zu hören. Dann habe ich nichts falsch verstanden.


    Es gibt nur eine Erklärung: Berg will uns Leser verwirren, damit von Anfang an klar ist - in diesem Buch ist alles anders. Wir können uns nicht mehr auf unser Wissen und unsere Erfahrungen verlassen, sondern müssen quer denken.


    Wenn ich Wikipedias Definition richtig einordne, ist das Wort "GRM" selbst schon eine Art Brainfuck. :scratch:

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  • Wenn ich Wikipedias Definition richtig einordne, ist das Wort "GRM" selbst schon eine Art Brainfuck

    Ich habe das Wort "GRM" eher als Abkürzung für "Grime" gelesen.:-k Grime (engl./Schmutz) bezeichnet lt. dem link einen in Großbritannien enstandenen Musikstil. Der Buchtrailer ist ja auch entsprechend aufgebaut.

  • Conor , das habe ich auch, aber das eine schließt ja das andere nicht aus. Doppeldeutigkeit mag ich sowieso.


    Nach 50+ Seiten fälle ich das erste Urteil: Ordinäres Gemotze, enthemmte Flegelsprache und hemmungslose Rundumschläge - aber so schrecklich wahr und großartig.

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  • Musikstil.

    … der den Punk ablöste und deutlich sozialkritisch orientiert ist.

    So jedenfalls Sybille Berg in dem Interview.

    Wobei ich wieder auf dem Schlauch stehe: Wieso hören alle Grime, wenn der doch so sozialkritisch ist? Im Buch hat er doch eher die Aufgabe, alle irgendwie gleichzuschalten und gleichzeitig zu verblöden?

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


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  • drawe - wenn ich mich recht entsinne, hören nur Kinder wie z.B. Don Grime, Musik als Lebensgefühl.:-k

    Marie - im Grunde dachte ich mir schon, dass du es ebenfalls so gelesen hast. Ich selbst habe gar nicht an Doppeldeutigkeit gedacht.


    Das Buch habe ich mittlerweile beendet.

  • Ob ich gelesen habe, weil ich nicht schlafen konnte, oder nicht schlafen konnte, weil ich dieses Buch las, weiß ich nicht.

    Was es fast unerträglich macht: Die Nähe zwischen tatsächlicher Wirklichkeit und den dystopischen Vorstellungen. Was ist real? Was könnte morgen schon real sein? Wo verläuft die Grenze (so es denn eine gibt)?


    So wie es Autor(inn)en gibt, die die Handlungen ihrer Bücher mit rosa Zuckerguss überziehen, rührt Berg eine graue Masse an und übergießt ihre Figuren und den Plot damit. Ist das eine ehrlicher und wahrer als das andere?


    Dazu passt das. Ich hätte vielleicht gestern statt Poirot auf One RTL einschalten sollen.

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  • wenn ich mich recht entsinne, hören nur Kinder wie z.B. Don Grime, Musik als Lebensgefühl

    Dann habe ich etwas Falsches gespeichert: ich hatte die Vorstellung, dass alle Grime hören, dass er über Lautsprecher auf Plätze übertragen wird.

    Es kann aber durchaus sein, dass ich da Fiktion und Fakt verwechsele: in Yorkshire, genauer in Leeds, habe ich voller Staunen die Überwachung eines Platzes mit Kameras und Lautsprechern erlebt.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


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  • Ich werde einfach nicht warm mit diesem Buch. Natürlich verstehe ich die Intention der Autorin, und auch den Sinn hinter der Sprache, der Brutalität und der Sinnlosigkeit, mit der sich die Protagonisten konfrontiert sehen. Aber ich habe beim Lesen den Eindruck, dass es Pessimismus um des Pessismismus willen ist, überzogen mit einer teilweise konstruierten "Edgyness", wie sie den "düster beworbenen" Netflix Serien übergestülpt wird.

    Genau da passt auch das:

    Es gibt nur eine Erklärung: Berg will uns Leser verwirren, damit von Anfang an klar ist - in diesem Buch ist alles anders. Wir können uns nicht mehr auf unser Wissen und unsere Erfahrungen verlassen, sondern müssen quer denken.

    gut dazu. Es ist eine "Ich bin so unkonventionell, dass du mich mit nichts aus deiner Erfahrung vergleichen kannst" Message. Ein psychologischer Kunstgriff, um sich einerseits ein Alleinstellungsmerkmal zu verpassen, andererseits außerhalb des Angriffsradius jeglicher Kritik zu stellen.

    Wenn ich es mit anderen Dystopien vergleiche - 1984, Fahrenheit oder dem von mir kürzlich gelesenen Generation 23 - dann habe ich das Gefühl, dass hier krampfhaft einerseits eine Distanz zur Erwartungshaltung des Lesers geschürt, andererseits ein metaphorisches "Abandon all Hope" überall an die Wände der Handlung geschmiert wird - was aber nach einer gewissen Zeit genau die Erwartungshaltung des Lesers ist.

  • Ich bin gerade auf eine sehr interessante Stelle gestoßen. Der Mensch würde sich unter seinesgleichen am Besten fühlen. Das gelte sowohl bei der Wohnsituation, da fehts gerade aktuell um den Kevin, der ja Angst hat von der Erdscheibe zu fallen :mrgreen: Aber da steht dann auch erwähnt, dass dieses Sysrem der Berechnung sich bewährt habe. Sowohl in Bezug auf die Wohnsituationen, als aber auch der Partnervermittlung :shock:

    Ich meine obwohl es ja mittlerweile klar ist, dass die da alle als Zombies rumlaufen finde ich das merkwürdig. 8-[ Wollte das nur loswerden:uups:

  • Daniela_Barbara , ich kann das nachvollziehen, was Du sagst, zumindest streckenweise. Ich frage mich, woher diese ständig präsente Wut kommt, mit der hier erzählt wird.

    einerseits eine Distanz zur Erwartungshaltung des Lesers geschürt,

    Hilf mir auf die Sprünge. Welche Erwartungshaltung hat der Leser? Wenn ich von mir ausgehe, hatte ich schon nach einigen Seiten nur noch eine sehr bescheidene. Die ordinäre Sprache, ein wütender Erzählton, die Isolation der Figuren, der unglaubliche Zynismus etc. - da verliert man schnell den Glauben an den Hoffnungsschimmer am Horizon. Wobei der bei mir allerdings tatsächlich erst dann endgültig erlosch, als

    Meinst Du vielleicht das?

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


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