Sibylle Berg - GRM

  • Kurzmeinung

    Fezzig
    Right Book, right time. Ich weiß nicht, ob es mich zu jeder Zeit gepackt hätte. Sehr hart und schonungs- / hoffnungslos.
  • Kurzmeinung

    Hypocritia
    Ansammlung von gesellschaftl. (Rand)erscheinungen der Aktualität m. unstimmigen Extrapolationen - zu lang(weilig)
  • Genau die Dinger müssten das sein - also keine Dystopie, sondern Gegenwart!

    :shock:

    Diese biometrischen Kameras sind auch keine Dystopie, wie so vieles anderes aus (Vernetzung etc.).


    Das macht das Buch auch so verstörend, finde ich: das, was erzählt wird, ist teilweise schon technische Wirklichkeit, und sie stellt die

    menschenverachtende (müsste eigentlich heißen: leuteverachtende) Seite vor. Einige sind ja auch hier gleicher als die anderen!

    Ihre zynisch-ironische Sprache passt dazu.

    Das müsste bedeuten, dass unsere Vier die Hoffnungsträger sind?

    Da bin ich gespannt, wie ihr Humanismus aussieht. Die Todeslisten haben ja mehr mit Rache zu tun.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Die Vier würde ich auch als Hoffnungsträger sehen; mal sehen, wie es mit ihnen weitergeht.

    Und verstörend - ja, du hast recht.

    Was auch zu denken gibt, ist die Entwicklung des menschlichen Verhaltens, was Suchtpotential (Smartphone, Internet), Verlust der Empathie, etc. angeht.


    Gestern bin ich nicht sehr weit gekommen, gerade bin ich an der Passage mit den LED-Sonnen, 5 G-Masten und Ma Wei (S. 242/243) und der dreijährigen Schwierigkeitsperiode.

  • Dieser Euphemismus: "dreijährige Schwierigkeitsperiode"...


    Mir ist gestern klar geworden, wieso die Sprache von bestimmten Ausdrücken :-# nur so wimmelt. Ich habe das bisher einfach für die Sprache dieser untersten sozialen Schicht hingenommen, in die uns der Erzähler führt. Es ist aber noch mehr: Sex ist das einzige, was ihnen geblieben ist.

    Zitat

    Ein peinliches Wort, denn Sex war das einzige, was den meisten Leuten als große Freiheit geblieben war. Die Freiheit, billigen Scheiß zu kaufen und zu ficken. Es wurde so viel Geschlechtsverkehr bei abnehmender Spermienqualität durchgeführt wie noch nie. Längst tot geglaubte Hobbys wie SM waren massenkompatibel geworden. Ein jeder saß und riss an seinen Genitalien. (Pos. 3844)

    Und dazu passt ja auch das Frauenbild:


    Zitat

    Kinder sind keine Menschen. Wenn sie nicht arbeiten, kann man sie verbrühen, in Keller sperren, an Heizungen ketten oder aussetzen. Oder sie töten, bevor man sich selber umbringt. Frauen kann man vergewaltigen, mit Säure übergießen, verbrennen, man kann Besenstiele in sie rammen, man kann sie kaufen und ficken und auf sie urinieren, man kann sie einsperren, man kann ihnen vorschreiben, was sie tragen sollen, wann und wie sie zu gebären haben, wenn sie nicht gebären, kann man sie mit Steinen bewerfen, bis sie tot sind.

    Ich bin nun an der Stelle, an der Karen mit dem Laborchef - hm - werkt, um in einer Nährlösung Viren züchten zu dürfen.

    Was sie damit vorhat?

    Zitat

    Und nun frage ich Dich: Ist das ein Lichtblick? Sind die Vier Hoffnungsträger?

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Ich habe gestern erst angefangen zu lesen und bin erst ein paar Seiten weit. Den Schreibstil finde ich gar nicht so schlimm. Stört mich nicht wirklich, das Einzige, was mich nur aus dem Fluss bringt sind diese komischen Abschnitte, in denen der Satz erst in der nächsten Zeile weitergeht^^

    Und ich hab geglaubt Don wäre ein Kerl :-, War dann kurzzeitig irritiert.

    Es wird allerdings auch schnell die Grundstimmung klar, die herrscht. Erschreckend :pale:

    Aber bisher gefällt mir das, was ich gelesen habe!

  • pralaya - schön, dass du angefangen hast, GRM zu lesen.

    Bei Don habe ich auch zuerst an männlich gedacht, aber nein - Abkürzung des Namens. Wahrscheinlich hat Berg dies mit Absicht gemacht, denn Don ist (vermutlich) homosexuell.


    drawe , du hast vollkommen recht, Sex ist das einzigste, was den Menschen geblieben ist. Ansonsten Vereinheitlichung der Wohnungen, des Lebens und aus der Rolle fallen dürfen die Menschen auch nicht, sonst gibt es Minuspunkte. Alles schon ziemlich erschreckend...


    Und was die Hoffnungsträger anbelangt - ja, möglicherweise sind sie doch keine. Es deutet sich schon an. Ich denke da an die Passage, wo es heißt, Hannah, Karen, Don und Peter ziehen in den Krieg mit ihren Armee-Klamotten. (S. 272/273), herrlich retro.

    Ich bin auch gespannt, wie sich die Geschichte der Freunde Ben, Kemal, Maggy und Rachel entwickelt.


    Das Frauenbild ist tatsächlich fürchterlich, "Fickpuppen". Ich bin gerade an der Passage mit Peters Mutter, die für ihren Freund (oder eben für ihren Lebensstandard) zu einer solchen geworden ist.


    Gibt es solche Wohnröhren, wie im Buch beschrieben? ...hier ein Beispiel.

    Auch die erwähnten Namen gibt es, z.B. Elon Musk mit seinem Hyperloop.

  • Da ich gerade vor der Arbeit noch ein wenig im auto sitze und lese, weiß ich jetzt was gemeint ist, wenn ihr schreibt, dass Don ja eigentlich keine Frau ist.

    Wo ich gerade aber laut lachend drüber gestolpert bin ist der Steckbrief zu Dons Mutter: "onaniert zu Prince-Charles-Fotos":totlach: Sprang mein Kopfkino direkt an:mrgreen:

    Also soviel Negatives hier gerade beschrieben wird, auch diese Amoklaufgeschichte, in der Don eigentlich nur Gedanken für die Fingernägel des neben ihr liegenden Mädchens hat, gibt es in meinen Augen doch etwas wie Komödie im Text :mrgreen:

    Oder stehe ich da gerade allein da? :-,

  • ...in der Don eigentlich nur Gedanken für die Fingernägel des neben ihr liegenden Mädchens hat,...

    Es wäre nicht uninteressant zu wissen, ob und wenn ja, welche Gedanken einem während einer solch gefährlichen Situation durch den Kopf gehen; wodrauf man sich so konzentriert und seien es nur Kleinigkeiten.

    Schlimmer finde ich ja die Kinder, die Photos während des Massakers machen. Fehlt ihnen die Emphatie, sind sie schon so abgestumpft, dass sie die Gefahr nicht wahrnehmen?

  • Schlimmer finde ich ja die Kinder, die Photos während des Massakers machen. Fehlt ihnen die Emphatie, sind sie schon so abgestumpft, dass sie die Gefahr nicht wahrnehmen?

    Ich weiß nicht genau... es gibt ja auch genug Teenager, die Fotos machen, während andere verprügelt werden und auch diese ins Netz stellen. Gabs da nicht auch mal nen Fall? Und alleine schon die Gaffer, wenn mal ein Unfall passiert. Auch da sind sicherlich genug mit dem Handy in der Hand.:-?

    Ich befürchte, dass es einfach senstationsgeilheit oder vielleicht acuh ein extremes Mitteilungsbedürfnis ist. Warum sonst sollte man Fotos vom Essen auf Instagramm oder so posten?Ich glaube es ist einfach diese Entwicklung, die sich rausbildet, alles sofort irgendwie irgendwem mitzuteilen. Auch ohne über mögliche konsequenzen nachzudenken....

    Allerdings kann man selber nicht sagen, wie man reagieren würde... (wobei ich sicher kein handy in der Hand hätte 8-[)

    Die Kleinigkeiten könnten auch einfach nur zur Ablenkung der Gefahr sein. Ein Schutzmechanismus vielleicht :-k

  • Fehlt ihnen die Empathie,

    Ich denke, ja. Jeder Bürger des Landes bekommt ja einen Fernseher, und als die vier in ihr "Holyroodhouse" ziehen (an der Stelle keimte bei mir wieder bisschen Hoffnung auf...), vergraben sie diese digitalen Geräte, um sich der Gehirnwäsche und auch der Kontrolle zu entziehen.

    Alle leiden unter ADHS, aber nehmen das als normal hin. An einer Stelle wird auch beschrieben, wie sie alle in ihre Geräte schauen und wie abhängig sie davon sind. Und wenn es nicht so traurig wäre, hätte ich lachen müssen - denn genau das beobachtet man täglich, wenngleich nicht so exzessiv.

    Ich denke daher, dass Werte bzw. Eigenschaften wie Mitgefühl, Mitleiden, Sorge um jemanden etc. nicht mehr existieren.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • ihr seid einfach weiter als ich

    Tröste Dich, auf mich haben die zwei auch nicht gewartet. :cry:Am nächsten Dienstag stoße ich dazu, sofern ich es schaffe, zur Bücherei zu kommen.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Das tut mir jetzt leid; ich war mir gar nicht bewusst, dass ihr die Bücher so schnell haben werdet und mitlesen wollt; bzw. auch, wie sich dieser Thread entwickeln wird (wäre dann ja fast besser im Mini-LR-Bereich aufgehoben)

  • Das tut mir jetzt leid;

    Nein nein, ist schon in Ordnung. Ohne Euer interessantes Gespräch wäre ich gar nicht auf das Buch gekommen, weil ich mit der Autorin schon abgeschlossen hatte. Macht ruhig weiter, ich folge Euch interessiert und mache dann nächste Woche in Selbstgesprächen weiter. :wink:

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Das tut mir jetzt leid; ich war mir gar nicht bewusst, dass ihr die Bücher so schnell haben werdet und mitlesen wollt;

    Ja, geht mir genau so. Ich hätte durchaus noch warten können. Außerdem hätte ich mir dann das "richtige" Buch gekauft und nicht das e-book, um die Verständigung zu erleichtern.


    Ich bin inzwischen fertig mit dem Buch, Gott sei Dank. Ich war neugierig, wie die Autorin den Plot zu Ende bringt - schließlich kann sie ja keinen Meteoriten einschlagen und alles verglühen lassen.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Ich bin auch sehr gespannt, bin aber noch lange nicht fertig.

    schließlich kann sie ja keinen Meteoriten einschlagen und alles verglühen lassen.

    Das wäre vielleicht ein wenig heftig.:lol:

    Gerade langweilt sich Herr M. auf dem Mars.

    Immerhin hat er dazu beigetragen, dass "die Menschen in Amerika wieder vermehrt aufeinander schießen, dass ein vulgärer Mensch mit einem IQ von 98 Präsident ist..." (Zitat S. 327) Hattest du bei diesem Satz auch an den gegenwärtigen Präsidenten gedacht?

  • Hattest du bei diesem Satz auch an den gegenwärtigen Präsidenten gedacht?

    Ja klar :)! Erst fand ich es unpassend; man muss ja nicht alles mitmachen. Aber offenbar findet sie diese Präsidentschaft symptomatisch für unseren zivilisatorischen Niedergang?


    Es fallen ja einige Hinweise auf unsere momentane Zeit, z. B. den Brexit.


    Gerade langweilt sich Herr M. auf dem Mars

    Das Mars-Exil bleibt irgendwie ein blinder Erzählstrang (oder ich hab nicht aufgepasst).

    Ich hatte den Eindruck, dass die Autorin in ihrer Zivilisationskritik alle möglichen Themenbereiche und Personen abhakt, und das Buch wirkt im Nachhinein auf mich wie ein einziges Mantra - ich hoffe, Du verstehst, was ich meine.


    Und ich frage mich auch, wieso die Männer so schlecht in diesem Buch wegkommen? Die Gewalt, von der sie bestimmt sind, finde ich erschreckend.

    Umso anrührender ist das Bild des alten Professors, dem - obdachlos geworden - ein Goethe-Gedicht im Kopf herumgeht: eine Reminiszenz an alte, versunkene Zeiten.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Aber offenbar findet sie diese Präsidentschaft symptomatisch für unseren zivilisatorischen Niedergang?

    Mag sein, wenn man bedenkt, wie unsicher jetzt alles geworden ist.


    Bzgl des blinden Stranges (Mars) achte ich mal drauf, ob er ins Leere führt.:wink:


    Ich hatte den Eindruck, dass die Autorin in ihrer Zivilisationskritik alle möglichen Themenbereiche und Personen abhakt, und das Buch wirkt im Nachhinein auf mich wie ein einziges Mantra - ich hoffe, Du verstehst, was ich meine.

    Ich glaube schon, dass ich dich verstehe. Ist schon richtig, sie greift eine Menge Themen auf, bzw. streift diese. Abhaken ? Ja, vielleicht.

    Und die Männer kommen tatsächlich schlecht weg, aber warum weiß ich nicht.


    Momentan bin ich bei Hannah /Sie sieht Männer an; im Club (S. 366/467)

  • So nochmal ein kleiner Zwischenbericht. Ich bin jetzt an der Stelle, an der der Jubel wegen des Grundeinkommens groß ist.

    Interessant finde ich es ja, dass die Kinder selber, über die ja erzählt wird, das Ganze irgendwie gar nicht so wie der Erzähler zu empfinden scheint.:-k

    Sie sind eher schon resigniert und nehmen alles stoisch hin... der Erzähler (ich weiß nicht, ob es die Autorin selber ist, die so wütend sein will) pult ja den kleinsten Dreck aus jeder Ecke...

    Ich muss auch sagen, dass es mich irgendwann richtig genervt hat, so dass ich erst etwas anderes zwischenschieben musste. Es ist ja alles schlecht und nichts wird besser usw. Da bracuhte ich erstmal was anderes zwischen, was die Laune wieder hebt 8-[ Jetzt gehts aber wieder :totlach: Spannend ist es ja dennoch und ich bin gespannt, wie die Autorin das Ende geschrieben hat.