Oliver Pötzsch - Der Spielmann

  • Kurzbeschreibung (Quelle: amazon)
    1486: Knittlingen ist ein ruhiger Ort im Kraichgau. Bis zu dem Tag, als die Gaukler in die Stadt kommen – und plötzlich Kinder verschwinden. Johann Georg, genannt „Faustus“, der Glückliche, kümmert das nicht. Ihn interessiert nur der Spielmann und Magier Tonio del Moravia: Von dem blassen Mann mit den stechend schwarzen Augen, der Johann eine große Zukunft als Gelehrter voraussagt, geht eine seltsame Faszination aus. Johann schließt sich ihm an, gemeinsam ziehen sie durch die deutschen Lande. Der junge Mann saugt alles auf, was Tonio ihm beibringt. Doch von Tonios Lehren geht eine ungeahnte Gefahr aus, und schon bald beschleicht Johann das Gefühl, dass sein Meister mit dunklen Mächten im Bunde steht. Mächte, die Johanns ganzes weiteres Leben bestimmen werden …


    Autor (Quelle: amazon)
    Oliver Pötzsch, Jahrgang 1970, arbeitete nach dem Studium zunächst als Journalist und Filmautor beim Bayerischen Rundfunk. Heute lebt er als Autor mit seiner Familie in München. Seine historischen Romane haben ihn weit über die Grenzen Deutschlands bekannt gemacht: Die Bände der "Henkerstochter"-Serie sind internationale Bestseller und wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt.


    Allgemeines
    Erscheinungstermin: 21. September 2018 als HC mit 784 Seiten bei List, erster Band um Johann Georg Faustus
    Gliederung: Prolog - Fünf Akte mit insgesamt 30 Kapiteln – Epilog – Autorennachwort – Reiseführer auf Fausts Spuren – Faust für Klugschwätzer (Zitate)
    Erzählung in der dritten Person aus der Perspektive des Protagonisten
    Handlungsort und -zeit: Verschiedene Orte in Mitteleuropa, 1486 bis 1513


    Inhalt
    Johann Georg „Faustus“ ist bereits als Achtjähriger von den Gauklertruppen fasziniert, die in seiner Heimatstadt Knittlingen auftreten. Jahre später, nach dem Tod seiner geliebten Mutter, kehrt Johann seiner Familie, in der er immer ein ungeliebter Außenseiter war, den Rücken und reist mit dem Gaukler und Magier Tonio del Moravia durch das Land. Von seinem Lehrmeister lernt Johann viele Gauklerkunststücke und Zaubertricks, jedoch hat er schon bald das Gefühl, dass dieser eine dunkle Seite verbirgt und mit ihm unheimliche Pläne hat. Nach einem traumatisierenden Erlebnis gelingt es Johann zunächst, den unheimlichen Mann abzuschütteln, bei einer Gauklertruppe unterzukommen und sich nach einiger Zeit als umherziehender „Zauberkünstler“ selbstständig zu machen. Sein Weg führt ihn kreuz und quer durch das Heilige Römische Reich; an der Universität Heidelberg bekommt er die Gelegenheit, sein Wissen zu vertiefen und einen Magister- und Doktortitel zu erwerben. Doch wohin es Johann auch verschlägt, sein einstiger Lehrmeister Tonio ist ihm auf den Fersen, denn er hat mit seinem ehemaligen Schüler finstere Pläne…


    Beurteilung
    In seinem Roman „Der Spielmann“ greift Oliver Pötzsch die Geschichte des Johann Georg Faust(us) auf, die ihn nach eigener Aussage im Nachwort schon seit seiner Kindheit beschäftigt. Über den historischen Faust, bzw. dessen Lebenslauf gibt es keine lückenlosen Quellen, aber der Autor gestaltet die Lebensgeschichte seiner Protagonisten sehr ideenreich, fesselnd und anschaulich fiktiv aus.
    Dabei charakterisiert er seine Hauptfigur ausgesprochen detailliert und glaubwürdig mit guten und weniger guten Eigenschaften und macht ihn zu einem Menschen aus Fleisch und Blut. Auch den anderen Figuren in Johanns Umfeld verleiht er ausgeprägte Persönlichkeiten, lediglich der Magier Tonio del Moravia wirkt gelegentlich ein wenig zu sehr als das personifizierte Böse. Durch dessen finstere Persönlichkeit und Machenschaften wird eine durchgehend hohe Spannung erzeugt, wobei sich der Autor gelegentlich einiger „übernatürlicher“ oder nicht rational erklärbarer Elemente bedient.
    Im Rahmen der Handlung werden einige geschichtliche Ereignisse der Epoche angesprochen, aber nicht weiter vertieft. Interessant ist die (historisch nicht belegte) Begegnung des Protagonisten Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim, die anschaulich verdeutlicht, wie die gebildeten Menschen Anfang des 16. Jahrhunderts zunehmend forschend nach Wissen streben und nicht mehr ausschließlich den Lehren der Kirche unterworfen sein wollen.
    Die Geschichte um Johann Georg Faust ist sehr flüssig und anschaulich erzählt, die Lektüre erzeugt „Kopfkino“ und Vorfreude auf den zweiten Band.
    Das Nachwort des Autors und vor allem der Reiseführer auf Fausts Spuren runden den Roman gelungen ab.


    Fazit
    Ein fesselnder historischer Roman um Johann Georg Faust, der beste Unterhaltung für dunkle Herbstabende auf dem heimischen Sofa verspricht, sehr lesenswert!


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Faust mal anders, aber definitiv lesenswert!


    Eins vorweg, das Cover von "Der Spielmann" gewinnt sicher keinen Preis für besonders große Innovation oder besondere Schönheit, vielmehr wäre ich in der Buchhandlung höchstwahrscheinlich daran vorbei gegangen, hätte ich nicht schon Online den Klappentext gelesen, der sofort mein Interesse geweckt hat...tja und was hätte ich da alles verpasst.

    Die Geschichte handelt von Johann Georg Faustus, der schon das historische Vorbild für Goethes legendären Faust war, umso spannender ist es, nun eine mehr oder weniger Neuinterpretation in den Händen zu halten.
    Der Schreibstil ist durchweg sehr eingängig und garantiert einen ungehinderten Leseflow, er wirkt nie gekünstelt, gestelzt oder altbacken, was ich bei historischen Romanen immer sehr begrüße.
    So begleitet der Leser nun eben jenen Johann Georg, erst als wissbegieriges Kind, später als eifrigen Jugendlichen und schließlich als den berühmt berüchtigten Mann, den die meisten Leute kennen und erfährt, wie die Begegnung mit dem geheimnisvollen reisenden "Gelehrten" Tonio del Moravia sein Leben für immer veränderte.
    Zur Geschichte an sich möchte ich gar nicht allzu viele Worte verlieren, nur soviel, sie ist sowohl spannend und fantastisch, als auch ein wenig gruselig und dramatisch. Dem geneigten Leser wird also viel geboten für sein Geld und die Grundstimmung des Buches passt perfekt zum herannahenden Herbst.
    Mich jedenfalls hat die Geschichte sehr begeistert, sodass ich die fast 800 Seiten relativ zügig durch hatte. Umso besser, das direkt noch ein zweiter Teil geplant ist, der 2019 erscheint.

    Wer sich schon immer für Faust interessiert hat oder einfach nur mehr über ihn wissen wollte ist bei diesem Roman genauso gut aufgehoben wie diejenigen, die nach einer guten und spannenden Story in einem mittelalterlichen Setting suchen. Spontan kam mir Daniel Kehlmanns "Tyll" beim Lesen wieder in den Sinn, wem der Schreibstil streckenweise zu anstrengend oder die Story nicht zusammenhängend genug war, der sollte sich vielleicht am Spielmann versuchen, bereuen wird man es nicht.

  • Knittlingen/Kraichgau 1486. Johann Faustus ist ein 8-jähriger Junge, der von seiner Mutter sehr verwöhnt wird, während er unter seinen Brüdern und seinem Vater allerlei einstecken muss. Als die Gaukler in die Stadt kommen, ist Johann fasziniert von deren Darstellungen und Darbietungen, hat er doch so etwas noch nie gesehen. Vor allem der Magier und Astrologe Tonio del Moravia hat es Johann angetan. Während die Spielleute die Stadt unterhalten, verschwinden mehrere Kinder, darunter auch Johanns jüngerer Bruder. Viele Jahre später, als seine Freundin Margarethe nicht ihn, sondern einen anderen heiraten muss und auch seine Mutter inzwischen verstorben ist, trifft Johann wieder auf den Magier und schließt sich ihm auf seiner Reise durchs Land an. Das Umherziehen zeigt Johann eine andere Welt, aber die Gesellschaft mit Tonio del Moravia verursacht ihm auch ein unheimliches Gefühlt. Welches Geheimnis hütet der Magier?


    Oliver Pötzsch hat mit seinem Buch „Der Spielmann“ einen sehr unterhaltsamen, spannenden und farbenprächtigen historischen Roman vorgelegt, in dessen Mittelpunkt Johann Georg Faustus steht, der Johann Wolfgang von Goethe als Vorlage für seinen „Dr. Faust“ Pate stand. Der Schreibstil ist wunderbar flüssig, bildgewaltig und farbenfroh, der Leser findet sich mit der ersten Seite in einer anderen Zeitepoche wieder und darf an der Seite von Johann einige Abenteuer erleben sowie das Leben in der damaligen Zeit kennenlernen. Der Autor vermischt Fiktion mit Fakten so gekonnt, dass der Leser gleichsam fasziniert wie begeistert ist. Die Legende von Faust wird hier regelrecht wieder lebendig. Dazu tragen auch die gekonnt platzierten Zitate von Goethe bei. Der historische Hintergrund sowie die damaligen Lebensumstände werden wunderbar mit der Handlung verwoben, so dass man ein gutes Bild des täglichen Treibens bekommt. Es gibt neuzeitliche Erfindungen und die Macht der Kirche ist überall zu spüren. Der Spannungsbogen wurde zu Beginn recht gemächlich angelegt, steigert sich aber im Verlauf der Handlung immer weiter in die Höhe und sorgt für so manche Gänsehaut.


    Die Charaktere sind sehr detailliert und liebevoll ausgestaltet und mit Leben versehen worden. Aufgrund ihrer Eigenheiten wirken sie authentisch und sehr lebensecht. Der Leser kann sich in sie hineinversetzen und mit ihnen fühlen, hoffen und bangen. Johann Faustus wird von seiner Mutter der „Glückliche“ tituliert, doch ist er das auch? Er ist intelligent, neugierig und besitzt den Mut, Neues zu wagen und sich auf unsichere Wege zu begeben, deren Ausgang offen ist. Allerdings ist er auch von Zweifeln geplagt und hadert oftmals. Doch er besitzt Geduld und Charisma, so dass ihm die Menschen schnell vertrauen und er sie um den Finger wickeln kann. Tonio del Moravia ist ein unheimlich anmutender Mann, der einen mit seinen stechenden fast schwarzen Augen durchschauen kann. Er hütet ein Geheimnis und wirkt wie der Teufel in Person. Auch die weiteren Protagonisten wie Margarethe oder Karl Wagner haben einen berechtigten Platz in der Geschichte und machen sie rundum gelungen.


    „Der Spielmann“ ist ein sehr unterhaltsamer und spannender historischer Roman, der den Leser auf eine fantastische Gedankenreise mitnimmt und ihn bis zur letzten Seite nicht mehr loslässt. Absolute Leseempfehlung für Kurzweil, Erzählkunst und Handlung!


    Verdiente :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Bücher sind Träume, die in Gedanken wahr werden. (von mir)


    "Wissen ist begrenzt, Fantasie aber umfasst die ganze Welt."
    Albert Einstein


    "Bleibe Du selbst, die anderen sind schon vergeben!"
    _____________________________________________


    gelesene Bücher 2020: 432 / 169960 Seiten

  • Klappentext


    Das älteste Spiel der Welt ist das Spiel um deine Seele ...


    1486: Knittlingen ist ein ruhiger Ort im Kraichgau. Bis zu dem Tag, als die Gaukler in die Stadt kommen – und plötzlich Kinder verschwinden. Johann Georg, genannt „Faustus“, der Glückliche, kümmert das nicht. Ihn interessiert nur der Spielmann und Magier Tonio del Moravia: Von dem blassen Mann mit den stechend schwarzen Augen, der Johann eine große Zukunft als Gelehrter voraussagt, geht eine seltsame Faszination aus. Johann schließt sich ihm an, gemeinsam ziehen sie durch die deutschen Lande. Der junge Mann saugt alles auf, was Tonio ihm beibringt. Doch von Tonios Lehren geht eine ungeahnte Gefahr aus, und schon bald beschleicht Johann das Gefühl, dass sein Meister mit dunklen Mächten im Bunde steht. Mächte, die Johanns ganzes weiteres Leben bestimmen werden …


    Meine Meinung


    Natürlich kenne ich "Faust", also irgendwie, zumindest hab ich davon gehört - leider hab ich es nie gelesen oder als Aufführung gesehen - deshalb weiß ich an sich nur, dass es um das Schicksal eines Mannes geht, der einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hat.

    Aus dem Grund kann ich auch nicht genau sagen, inwieweit hier der Autor Parallelen gezogen hat, aber was ich sagen kann ist: die Geschichte ist grandios umgesetzt und hat eine große Spannbreite an Gefühlen, Spannung und Dramatik, die mich von Anfang bis Ende gefesselt hat!


    Es beginnt mit dem 8jährigen Johann Georg Gerlach, von seiner Mutter liebevoll "Faustus" (der Glückliche) genannt, weil er scheinbar an einem ganz besonderen Tag geboren wurde. So richtig glücklich ist der junge Faustus allerdings nicht, denn auch wenn versucht, das beste aus seiner Situation zu machen, bedrückt ihn die Krankheit seiner Mutter und die ständigen Erniedrigungen seines Vaters und seiner älteren Brüder sehr. Einzig Margarethe, seine Spielgefährtin und beste Freundin, lässt ihn die Sorgen vergessen. Das ändert sich mit seiner ersten Begegnung mit dem Zauberer und Astrologen Tonio del Moravia, dessen Tricks und seine unheilvolle Aura in wie magisch in den Bann ziehen.

    Doch erst Jahre später schlägt das Schicksal mit einer Härte zu, die Johann aus seinem Leben reißt und zu einem umtriebigen, ständig Suchenden werden lässt, der den Verlockungen des Bösen kaum widerstehen kann.


    "Der Drang nach Wissen war stärker als die Freundschaft. Und so nahm das Schicksal - jener Fluch, von dem Johann gesprochen hatte, erneut seinen Lauf." Kap 22


    Oliver Pötzsch hat hier die damalige Zeit mit vielen authentischen Hintergründen und farbenprächtigen Details geschmückt, die das Leben und Wirken der Figuren echt und anschaulich miterleben lassen. Vor allem die Rolle der Gaukler, Scholasten und selbsternannten Zauberer wirkte sehr überzeugend; sie waren ja eine gern gesehene Unterbrechung des anstrengenden Alltags, mussten aber auch mit vielen Vorurteilen kämpfen, gerade was die Ansichten der Kirche anbelangt.

    Auch Johan Faustus geht hier auf einem schmalen Grad, denn sein unbändiger Drang nach Wissen macht ihn blind für das wahrhaft richtige und führt ihn zu Entscheidungen, die folgenschwere Konsequenzen nach sich ziehen.


    "Er hatte wirklich geglaubt, dass ein neues Zeitalter anbrechen würde - eigene Gedanken statt Dogmen, die Welt vom Menschen ausgedacht, und nicht von einem zornigen Gott, dessen verstaubte Regeln auf ewig festgeschrieben waren." Kap 28


    Der Pakt mit dem Teufel, Dämonen und Rituale, dieses Böse, dass sich in die Welt und die Herzen der Menschen schleicht ist hier wirklich großartig umgesetzt. Es gibt einige fast schon gruselige Szenen, aber interessanter fand ich vor allem auch die ständige unterschwellige Existenz und die ständigen Verführungen, denen Johan Faustus immer wieder unterliegt. Sich das Leben mit kleinen Lügen einfacher zu machen ist sicher jedem bekannt, aber durch das Bündnis, das er eingegangen ist, hat er mehr als jeder andere damit zu kämpfen. Er wird rastlos, hochfahrend und jähzornig und verliert dabei mehr und mehr sich selbst.

    Diese Entwicklung erstreckt sich über mehrere Jahre und ich habe mit ihm gebangt, mitgelitten, ihn mit Vorwürfen überhäuft und ihn doch ins Herz geschlossen. Überhaupt sind alle Figuren sehr greifbar und prägnant, egal ob sie eine wichtige oder nur eine Nebenrolle einnimmt.


    Der Schreibstil ist sehr flüssig zu lesen und an die historische Zeit angepasst - schön fand ich auch die Unterteilung der Kapitel in Akte. Während man mit Faustus quer durch Deutschland bis nach Italien reist, lernt man viel über die damaligen Umstände und Hintergründe. Bedeutende Persönlichkeiten der Geschichte tauchen auf, Erfindungen der damaligen Zeit oder auch Orte, wie die Geburtsstätte des tatsächlichen Johan Georg Faust in Knittlingen, auf die der Autor tatsächlich zufällig gestoßen ist. Hier sollte man unbedingt das Nachwort lesen, denn hier gibt es einige Infos wie Oliver Pötzsch zum Thema des Buches kam, einen kleinen Reiseführer der Schauplätze und einige Zitate aus Goethes "Faust", die man aus dem Alltag sicher kennt.


    Ich bin absolut begeistert von der Geschichte die mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt hat. Es gibt viel Abwechslung, außergewöhnliche Figuren, authentische Hintergründe, eine durchgehende Spannung und ein dramatisches Finale mit einigen Überraschungen und ich bin jetzt schon mega gespannt, wie die Reise des Faustus weitergeht. Band 2 erscheint ja im Herbst 2019 ;)


    Mein Fazit: 5 Sterne


    © Aleshanee

    Weltenwanderer

  • "Der Spielmann" war mein erstes Buch von Oliver Pötzsch, aber bestimmt nicht das letzte. Die Geschichte konnte mich von der ersten Seite an fesseln, sie war sowohl spannend als auch interessant und die Charaktere waren gut ausgearbeitet. Der Protagonist ist Johann Georg Gerlach, 'Faustus' genannt, dessen Leben als Vorlage für die bekannte Erzählung um Doktor Faust und seinen Pakt mit dem Teufel angesehen wird. Der Autor hat einige Parallelen eingebaut und sogar mehrere Zitate aus Goethes Werk verwendet, was sehr interessant war, obwohl mir vermutlich einiges entgangen ist, da ich "Faust" zuletzt vor einigen Jahren gelesen habe.


    Trotz der Länge von knapp 800 Seiten fand ich das Buch durchgehend packend. Der Werdegang von Johann verläuft alles andere als geradlinig und durch seine Reisen an unterschiedliche Orte ist es Pötzsch möglich, vielfältige Einblicke in das Leben in der damaligen Zeit zu gewähren und die Darstellungen kamen mir dabei authentisch vor. Besonders gefallen hat mir, dass die ganzen Einzelheiten zu großen Teilen beiläufig in die Handlung einflossen, da der Fokus auf Johann, seinen Erlebnissen und auch seinen Studien lag. Das Wissen, das er sich angeeignet hat, wurde ebenfalls gut vermittelt; wenn im Detail auf etwas eingegangen wurde, fand ich die Erklärungen leicht verständlich und nicht zu kompliziert, während zugleich deutlich wurde, dass der Protagonist sich mit Dingen befasst, die die Kenntnisse vieler Menschen - und vor allem seiner Zeitgenossen - übersteigen. Sein großer Wissensdurst spielte für die Geschichte eine entscheidende Rolle und ich mochte, wie sein Verhalten davon beeinflusst wurde, doch obwohl er wirklich bedeutsam ist, macht er nur eine Facette seines Charakters aus. Johann hat gute, aber auch einige negative Eigenschaften und seine Ecken und Kanten wurden ausgiebig beleuchtet; zudem ist deutlich, dass er sich im Lauf der Handlung weiter entwickelt und von seinen Erfahrungen stark geprägt wird, was ich gut und mehr als glaubwürdig fand. Die Nebenfiguren wurden ebenfalls gut ausgearbeitet.


    Tonio, der Johann in jungen Jahren bei sich aufnimmt und ihm einiges beibringt, war ein sehr interessanter Charakter, dessen Präsenz beinahe durchgehend zu spüren war. Man erfährt nur wenig über seine Vergangenheit und auch seine vollständige Motivation wird erst spät enthüllt, doch dadurch ist er sehr geheimnisvoll und die Bedrohung, die von ihm ausgeht, wurde beinahe greifbar dargestellt. Es gibt einige unheimliche, übernatürlich anmutende Szenen und es war zwar beklemmend, aber faszinierend zu spekulieren, was hinter seinem Verhalten stecken könnte und worauf die Geschichte hinauslaufen würde. Die Spannung wird über das ganze Buch aufrecht erhalten, obwohl es durchaus Abschnitte gibt, in denen die düsteren Elemente in den Hintergrund treten; die Balance war meiner Meinung nach sehr gelungen. Am Ende überschlagen sich dann die Ereignisse geradezu und es war sehr leicht, mit den Figuren mitzufiebern und auf einen guten Ausgang zu hoffen. Einige der Entwicklungen haben mich überrascht, doch der Abschluss der Erzählung hat mir gut gefallen und er macht neugierig auf den zweiten Band, der nächstes Jahr erscheinen soll. Das Nachwort, in dem der Autor auf die Entstehungsgeschichte des Buches eingeht und erklärt, was sich historisch belegen lässt, war ebenfalls lesenswert.


    Fazit:

    "Der Spielmann" konnte mich voll und ganz überzeugen; Pötzsch schreibt atmosphärisch dicht, die Handlung war fesselnd, es gab sowohl emotionale als auch angemessen unheimliche Momente und der Protagonist war ein faszinierender, vielschichtiger Charakter, dessen Werdegang sehr interessant geschildert wurde.

    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    _________________

    Herzlichen Dank an den Verlag und Lovelybooks für den Gewinn.

    Carpe Diem.
    :study: Yrsa Sigurðardóttir - Gespenstisches Island

    2024 gelesen: 13 Bücher | gehört: 4 Bücher

  • Faustus = Der Glückliche?


    1486: Johann Georg ist ein aufgeweckter und besonderer Junge. Seine Mutter nennt ihn ,,Faustus“, den Glücklichen, da bei seiner Geburt die Sterne in einer besonderen Konstellation standen. Doch nach dem Tod der Mutter ist Johanns Leben alles andere als glücklich. Die Brüder hänseln ihn wegen seiner Andersartigkeit, vom Vater wird er abgelehnt. Als dann auch noch die Liebe zu seiner Jugendfreundin Margarethe unglücklich endet, schließt sich Johann Georg dem Magier Tonio del Moravia an. Dieser zieht als fahrender Gaukler und Magier durch die Lande, verkauft Heiltränke und sagt den Leuten ihre Zukunft vorher. Faustus ist fasziniert von Tonio del Moravia, von ihm lernt er nicht nur Zaubertricks, Handlesen und das Erstellen von Horoskopen, sondern wird durch ihn auch selbständiger und erwachsener. Allerdings fürchtet er auch seinen Meister und dessen Raben und Krähen, die ihn immer begleiten. Mehr und mehr beschleicht Faustus der Verdacht, dass del Moravia mit dunklen Mächten in Verbindung steht und eine tödliche Gefahr für ihn darstellt. Faustus flieht und schließt sich einem Gauklertrupp an, mit dem er durch Italien bis nach Venedig zieht. Doch auch dort kann er del Moravias Einfluss nicht entfliehen.

    Plötzsch gestaltet seine Figuren facettenreich, das Geschehen wird sehr anschaulich und farbenfroh erzählt, sodass man als Leser mitfiebern und mitleiden kann. Phantastisches und Gruseliges wird mit historischen Fakten verknüpft und zu einer großen Abenteuergeschichte verwoben. Wie schon Goethe ließ auch Oliver Plötzsch sich von der Geschichte des Dr. Faustus inspirieren. Und wer Goethes ,,Faust“ kennt, wird so manche Figur und so manches Zitat im ,,Spielmann“ wiedererkennen, die Plötzsch aber kreativ nutzt und in neue Zusammenhänge stellt.

    Der fast 800 Seiten starke Roman ist ein wahrer Schmöker. Wer historische Romane und Abenteuer mag, kommt hier voll auf seine Kosten.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Oliver Pötzsch erzählt in seinem neuesten historischen Roman die Lebensgeschichte des Dr. Johann Faust, der Zeit seines Lebens von den Mächten des Bösen bedroht wird und dagegen ankämpft.

    Der Autor nimmt den Leser mit ins 15. Jahrhundert und erzählt sehr bildhaft wie der begabte und wissenshungrige Junge Johann aufwächst. Nach dem Tod der Mutter, der er den Kosenamen "Faustus" (der Glückliche) verdankt, verlässt er seine Heimat und schließt sich dem Magier Tonio del Maravia an, dessen dunkle Seite sich jedoch schon bald zeigt.

    Nach einem traumatischen Ereignis gelingt es Johann seinem unheimlichen Meister zu entkommen. Doch dieser setzt sich sofort auf die Fährte des jungen Mannes und eine jahrelange Jagd durch Europa beginnt...

    Mir hat der Roman gut gefallen, die Entwicklung vom naiven Kind zum mutigen Mann, oft zwischen Gut und Böse hin- und hergerissen, fand ich beeindruckend. Die fast 800 Seiten lassen sich gut lesen und es kommt keine Langeweile auf.

  • 1486 steht ein achtjähriger Junge in dem kleinen Ort Knittlingen im Kraichgau auf dem Marktflecken und schaut zu wie ein Trupp Gaukler am Simonis-Judae-Tag, dem Feiertag der beiden Apostel, in seine kleine Stadt zieht. Mit offenem Mund staunt er über die Jongleure, die Musikanten, die farbenfrohen Gewänder und über den Zauberer. Johann Georg, genannt „Faustus der Glückliche“ ist von dem Magier Tonio del Moravia sofort fasziniert, auch hat er ein wenig Angst vor dessen schwarzen stechenden Augen. Dabei ist es riskant zu dieser Zeit als kleiner Junge ohne Aufsicht durch die Stadt zu stromern, denn es verschwinde auf unerklärliche Weise Kinder. Vier Kinder im Laufe der letzten Wochen. Doch all das interessiert den kleinen Johann nicht, er verfolgt wie gebannt den Zauberkunststücken. Er darf sich sogar nach der Vorstellung mit Tonio unterhalten. Acht Jahre später sieht der nun schon fast erwachsene Johann Georg den Zauberer zum Apostelfeiertag wieder und diesmal begibt er sich mit ihm auf eine unheimliche und abenteuerliche Reise, die ihn weit weg von seiner Heimat bringen wird.


    Zeitreisen sind ja leider (noch) nicht möglich. Wie gerne würde ich mal durch die verschiedensten Jahrhunderte streifen, ja auch ins Mittelalter. Oliver Pötzsch schafft es fast mühelos diese Epoche in all seinen Romanen für den Leser erlebbar zu machen. Er legt dabei eine Fülle an Details vor ohne dass sie die eigentliche Geschichte erschweren. In „Der Spielmann“ nimmt er sich der wohl berühmtesten deutschen Sage an, die des Faust. Allen Schülern der neunten und zehnten Klasse Deutschunterricht wohl noch allzu bekannt. Nahm sich doch auch Johann Wolfgang von Goethe dieser Thematik an und beschert mit Faust I und II dem einen oder anderen Schüler seit vielen Jahren schlaflose Nächte. Ich bin, muss ich ehrlicherweise zugeben, nie warm geworden mit Goethes Faust. Pötzsch’s Faustus hingegen hat mich regelrecht gefesselt. Er kombiniert Teile der Faust-Sage mit dem wohl meistbeachteten Prozess in Frankreich Anfang des 15. Jahrhunderts. Er nimmt den Leser mit in die sagenhafte Welt der Gaukler, an die wohl bekanntesten Städte des Mittelalters, gibt dem Aberglauben der damaligen Bevölkerung ein Gesicht und kreiert damit einen Roman der eher als Mysterie-Thriller eingestuft werden könnte.

    Seit der „Henkerstochter“ verfolge ich die Werke des Autors, und schon immer konnte er mich sehr gut unterhalten. Ich freue mich jedes Mal über ein neues Buch, denn mit jedem neuen steigert er sich noch mehr. Die Romane werden dabei stetig umfangreicher lassen sich durch seine schöne Erzählkunst jedoch mühelos lesen.

    Ich möchte allen Lesern auch das Nachwort ans Herz legen. Hier beschreibt er auf eine sehr amüsante Weise die Entstehungsgeschichte des Faustus.


    Fazit: Ein ungemein fesselnder Mittelalterroman mit Mysterie-Charakter.

  • Wer kennt ihn nicht, Goethes Faust? Oliver Pötzsch hat sich dem historischen Faust angenommen und erzählt seine Geschichte von Kindheit an. 1486 treffen wir Johann Georg zum ersten Mal, er ist noch ein kleiner Junge, der sich an Gauklern, die seine Heimatstadt Knittlingen besuchen, erfreut. An diesem Tag trifft er, und der Leser, auch zum ersten Mal auf Tonio del Moravia, der den Jungen für etwas Besonderes hält und ihn zeitweise unter seine Fittiche nimmt. Seine Absichten scheinen allerdings eher ungut zu sein.


    Johann, den seine Mutter Faustus, der Glückliche, nennt, hat es nicht leicht, sein Vater hält wenig von ihm, die Mutter ist schwer krank, im Dorf ist er nicht gut gelitten. Der Name Faustus scheint fast Hohn zu sein – und wird es auch weiterhin bleiben. Leicht ist nämlich auch sein weiteres Leben nicht, er selbst macht es sich dabei oft selbst schwer, lügt und betrügt, und tut den Menschen, die er mag, oft nicht gut. Er wird getrieben von Wissensdurst, und erhält auch immer wieder die Chance, sein Wissen zu mehren. Doch es scheint auch etwas Dunkles um ihn zu sein, etwas, das vielleicht mit seiner Geburtsstunde zu tun hat?


    Der Autor hat seinen Roman in einen Prolog und fünf Akte aufgeteilt, die jeweils über einen Lebensabschnitt Fausts berichten. Sehr gut hat mir bereits der erste Satz gefallen „Im Herbst, als die Kinder verschwanden, kamen die Gaukler in die Stadt“ - na, wenn das nicht direkt neugierig auf den Roman macht! Oliver Pötzsch erzählt sehr bildhaft und atmosphärisch und zieht den Leser schnell in den Roman hinein. Manche Szene ist recht gruselig, aber das gehört bei Faust halt auch mit dazu. Sehr interessant ist auch der historische Background, es gibt viel Zeitkolorit und der Leser lernt manches dazu.


    Die Geschichte ist spannend, Faust und mit ihm der Leser erlebt sehr viel, und dennoch habe ich manchmal das Gefühl, es zieht sich, manche Abschnitte sind deutlich besser, spannender und interessanter als andere. Leichte Probleme hatte ich mit dem großen Zeitsprung, der den 5. Akt einläutete, hatte man Johann zuvor noch praktisch ständig begleitet, sind nun auf einmal 13 Jahre vergangen, und der Protagonist zunächst kaum wieder zu erkennen. Es brauchte seine Zeit, bis ich mich daran gewöhnt hatte, und sicher wäre die Zeit dazwischen auch nicht uninteressant gewesen. Dennoch erscheint es mir im Nachhinein ganz gut, dass der Autor hier gestrafft hat und somit dichter an der Geschichte bleibt, die er eigentlich erzählen will.


    Man lernt Johann sehr gut kennen, gerade zu Anfang leidet man oft mit ihm mit, später wird das schwieriger, Johanns Entwicklung geht teilweise in eine eher ungute Richtung, sein Handeln zu verstehen fällt manchmal schwer. Das macht ihn dafür aber interessanter. Selten bleibt er an einem Ort, er ist viel unterwegs, in Begleitung, aber auch allein, sein Leben ist abwechslungsreich, mal ist er Gaukler, mal Student ... Er trifft auf viele unterschiedliche Menschen, auch historische Persönlichkeiten (es lohnt sich, die einzelnen Personen zu googeln). Gut gefällt mir, dass die Charaktere, auf die man hier trifft, einschließlich Faust, fast alle sehr vielschichtig gestaltet sind, reines Schwarz oder Weiß ist selten. Mehr als ein Charakter ist auch für die eine oder andere Überraschung gut – einschließlich Faust selbst.


    Als Bonusmaterial gibt es Karten, ein interessantes Nachwort, einen Reiseführer auf Fausts Spuren und „Faust für Klugschwätzer“, bei letzterem kann man vergleichen, wie viele Faust-Zitate man im Roman entdeckt hat. Leider fehlt ein Personenverzeichnis, man bringt zwar die Personen des Romans nicht durcheinander, ich hätte es aber schön gefunden, noch einmal nachschlagen zu können.


    „Der Spielmann“ erzählt nicht Fausts ganze Geschichte, es wird noch mindestens einen Nachfolgeroman geben. „Der Lehrmeister“ ist für September 2019 angekündigt. Natürlich werde ich auch diesen Roman lesen, ich muss doch wissen, wie es mit Faust weitergeht.


    Einen Roman über Faustus zu schreiben ist eine großartige Idee, ist dieser Mann doch sehr interessant und bietet alleine durch die vielen Legenden reichhaltigen Stoff. Oliver Pötzsch ist ein guter Roman gelungen, der mich über weite Strecken gefesselt hat, der einen interessanten Protagonisten hat und gutes Kopfkino bietet. Trotzdem bin ich nicht durchweg begeistert, stellenweise zieht sich der Roman in meinen Augen zu sehr. Ich vergebe 4 Sterne und eine Leseempfehlung für Faust-Fans und Freunde guter historischer Romane

  • Kurzbeschreibung:

    1486: Knittlingen ist ein ruhiger Ort im Kraichgau. Bis zu dem Tag, als die Gaukler in die Stadt kommen – und plötzlich Kinder verschwinden. Johann Georg, genannt „Faustus“, der Glückliche, kümmert das nicht. Ihn interessiert nur der Spielmann und Magier Tonio del Moravia: Von dem blassen Mann mit den stechend schwarzen Augen, der Johann eine große Zukunft als Gelehrter voraussagt, geht eine seltsame Faszination aus. Johann schließt sich ihm an, gemeinsam ziehen sie durch die deutschen Lande. Der junge Mann saugt alles auf, was Tonio ihm beibringt. Doch von Tonios Lehren geht eine ungeahnte Gefahr aus, und schon bald beschleicht Johann das Gefühl, dass sein Meister mit dunklen Mächten im Bunde steht. Mächte, die Johanns ganzes weiteres Leben bestimmen werden … (Quelle: Verlagswebsite)


    Autor:

    Oliver Pötzsch, Jahrgang 1970, arbeitete nach dem Studium zunächst als Journalist und Filmautor beim Bayerischen Rundfunk. Heute lebt er als Autor mit seiner Familie in München. Seine historischen Romane haben ihn weit über die Grenzen Deutschlands bekannt gemacht: Die Bände der "Henkerstochter"-Serie sind internationale Bestseller und wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt. (Quelle: Verlagswebsite)


    Allgemeines:

    „Der Spielmann“ ist Teil 1 der „Faustus-Reihe“.

    Erschienen als Hardcover bei List im September 2018.

    784 Seiten gegliedert in 5 Akte mit 30 Kapiteln, eingerahmt von Epilog und Prolog. Es schließen sich ein Nachwort, ein Reiseführer auf Faustus‘ Spuren und eine Übersicht der verwendeten Zitate aus Goethes Faust an.

    Erzählt wird in der dritten Person aus der Sicht des Johann Faustus. Die Geschichte spielt um die Wende zum 16. Jahrhundert.


    Meine Meinung:

    Endlich wieder so ein Buch, das einen nicht loslässt, das einem kurze Nächte beschert, weil man es nicht weglegen kann, egal wann morgens der Wecker klingelt. Endlich wieder ein Buch, das mich alles andere vergessen und einfach nur lesen, lesen, lesen lässt.

    Faust war schon in der Schulzeit eine meiner literarischen Lieblingsfiguren. Dieser wissenshungrige, ewig neugierige und tatendurstige Mensch hat es mir schon damals angetan (was mich auf gewisse Weise mit dem Autor verbindet, wie man im Nachwort lesen kann). Und nun darf ich dem historischen Vorbild für Goethes tragische Figur begegnen und ihm durch ganz Europa folgen und seine Abenteuer teilen. Großartig!


    Oliver Pötzsch bedient sich dabei einer Sprache, die das Lesen einfach zum Vergnügen macht. Nicht hochgestochen, aber auch nicht platt – einfach genau richtig für die damalige Zeit und doch wunderbar lesbar für heutige Gewohnheiten. Tut man sich bei Goethes Versen manchmal ein bisschen schwer, fliegen bei Pötzsch die Seiten nur so dahin. Um es klar zustellen: dies ist kein Vergleich der beiden Werke. Mir ist der Goethe nur so gegenwärtig, weil ich nach Auffinden des dritten Zitats einfach zu „Der Tragödie erster Teil“ greifen musste, um mich in die Szenen nochmal einzulesen. Das ist auch der einzige Grund, warum ich den „Spielmann“ nicht an einem Wochenende durchgeschmökert habe.


    Pötzsch schafft ein lebendiges Bild der beginnenden Neuzeit in Europa. Ausgehend von Knittlingen „erobert“ Johann Georg Gerlach, von seiner Mutter Faustus – der Glückliche – genannt, die Mitte Europas von Venedig bis Hamburg. Wir dürfen ihn begleiten, während er als junger Mann vor lauter Wissensdurst dem Bösen in die Hände fällt. Wir erleben, wie er zerrissen wird zwischen akademischer Neugier und schlechtem Gewissen. Wir beobachten seinen Weg, verzweifeln und bangen mit ihm, werden mit ihm gerettet. Wir beobachten den Himmel und staunen über die Wunder der Natur. Wir machen uns die Naturgesetze Untertan und freuen uns über gelungene Gaukeleien. Kurz – wir genießen 758 Seiten Lesevergnügen. Und dann? Dann lässt uns der Autor an einer Stelle vielleicht trügerischen Friedens plötzlich allein, beendet diesen Teil der Geschichte und verdammt uns zum Warten. Das ist nicht nett. Da aber die Handlung an dieser Stelle einigermaßen zur Ruhe gekommen ist, sei es ihm verziehen.


    Von mir gibt es volle :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: und eine ganz klare Empfehlung für alle Freunde historischer Literatur und vor allem für alle, die mit Goethes Faust nie warm geworden sind. Das hat er nicht verdient und nach der Lektüre von Pötzschs Roman versteht ihr das auch :wink:


    Fazit:
    Spannend und großartig erzählter historischer Roman mit gelegentlichem leichtem Gruselfaktor.

    Gelesen in 2024: 7 - Gehört in 2024: 5 - SUB: 598


    "Wenn der Schnee fällt und die weißen Winde wehen, stirbt der einsame Wolf, doch das Rudel überlebt." Ned Stark

  • Der Autor (Amazon)

    Seine blutige Familiengeschichte beschäftigt Oliver Pötzsch, Jahrgang 1970, bereits seit der Kindheit. Bei seinen Recherchen stieß er auf die Folterwerkzeuge seiner Ahnen und einen Meisterbrief, der seinem Vorfahren eine 'besondere Kunstfertigkeit beim Köpfen' bescheinigt. Er fand außerdem heraus, dass das Richtschwert der Familie in den 70ern des letzten Jahrhunderts aus einem Heimatmuseum gestohlen wurde und seitdem verschollen ist. Sein 2008 erschienener Roman „Die Henkerstochter“ wurde für den Friedrich-Glauser-Preis nominiert. Der Autor arbeitet für den Bayrischen Rundfunk und lebt in München.


    Produktinformation 8Amazon)

    Gebundene Ausgabe: 784 Seiten

    Verlag: List Hardcover; Auflage: 1. (21. September 2018)

    Sprache: Deutsch

    ISBN-10: 9783471351598

    ISBN-13: 978-3471351598

    ASIN: 3471351590


    Faust, anders erzählt

    Johann stand in der Schule und im Dorf immer im Blickpunkt derer, die auf anderen herumtraten und sie schlugen…

    Eines Tages kamen wieder Gaukler in das Dorf. Einer von ihnen wurde auf Johann aufmerksam…

    Acht Jahre später. Johann lag mit seiner Freundin auf einer kleinen Lichtung mitten im Acker… Doch da wurden sie von seinem Vater erwischt…

    Johanns Mutter lag im Sterben. Er machte sich auf den Weg zum Kloster Maulbronn, um eine Arznei zu holen. Doch diese kam nie zu Hause an…. Es wäre auch zu spät gewesen…

    Sein Vater hatte ihm seine Freundschaft, ja Liebe, zu Margarethe verboten, doch die beiden hielten sich nicht daran. So geschah es, dass er von ihm verstoßen wurde, und das aus einem bestimmten Grund…

    Da traf Johann den Gaukler, der ihm einmal gegen einen anderen Jungen geholfen hatte, wieder. Er zog mit ihm, doch ob das gut war…

    Irgendwann verließ er seinen Meister und traf auf andere Spielleute…

    Doch Margarethe konnte er nie vergessen und tat alles, um sie wiederzusehen…

    Und dann gab es noch die verschwundenen Kinder…

    Wer schlug Johann immer wieder und trat auf ihm herum? Wer wurde auf Johann wie aufmerksam? War das Versteck im Acker nicht gut genug, weil sie erwischt wurden? Was hatten sie getan? Warum kam diese Arznei nie zu Hause an? Und wieso wäre es zu spät gewesen? Hatte Johann getrödelt? Oder gab es noch einen anderen Grund? Warum hatte sein Vater Johann verstoßen? Aus dem Haus gejagt? War es Menschenfreundlichkeit, die den Gaukler veranlasste Johann mitzunehmen? Warum blieb er nicht bei ihm? Wer waren die anderen Spielleute, mit denen er dann loszog? Was tat er alles um Margarethe wiederzusehen? Und was hat es mit den verschwundenen Kindern auf sich? Alle diese Fragen – und noch viel mehr – beantwortet dieses Buch.


    Meine Meinung

    Es geht in diesem Buch um Johann Georg Faustus. In der Geschichte war ich relativ schnell drinnen. Ich konnte mich auch gut in die Protagonisten hineinversetzen. Am Anfang war das Buch schon sehr spannend. Etwa bis er den Gaukler verließ. Doch im Laufe der Seiten zog es sich doch etwas, bis es in den letzten zweihundert Seiten wieder richtig spannend wurde. Und ich es fast nicht mehr aus der Hand legen mochte. Johann tat mir zunächst leid, weil der Bruder seiner Freundin so brutal zu ihm war. Der konnte nur auf kleineren Kindern herumhacken, sie ärgern und prügeln. Dem hätte ich am liebsten eine gescheuert. Und sein Vater gefiel mir gar nicht. Dass das mit dem Gaukler mal ein Ende nehmen musste, war mir klar. Doch war es wirklich ein Ende? Johann war ein kluges Kerlchen, intelligent und wissbegierig. Und er lernte viel. Das Ende des Buches gefiel mir sehr gut. Auch wenn es Längen in dem Buch gab, so hat es mich doch noch in seinen Bann gezogen, war spannend und hat mich gut unterhalten. Von mir deshalb eine Lese-/Kaufempfehlung sowie vier von fünf Sternen bzw. acht von zehn Punkten. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Liebe Grüße
    Lerchie



    _______________________
    nur wer aufgibt, hat schon verloren

  • Buchmeinung zu Oliver Pötzsch – Der Spielmann

    „Der Spielmann“ ist ein Roman von Oliver Pötzsch, der 2018 bei List Hardcover erschienen ist. Dies ist der erste Band der Serie um Johann Georg Faustus.

    Zum Autor:
    Seine blutige Familiengeschichte beschäftigt Oliver Pötzsch, Jahrgang 1970, bereits seit der Kindheit. Bei seinen Recherchen stieß er auf die Folterwerkzeuge seiner Ahnen und einen Meisterbrief, der seinem Vorfahren eine 'besondere Kunstfertigkeit beim Köpfen' bescheinigt. Er fand außerdem heraus, dass das Richtschwert der Familie in den 70ern des letzten Jahrhunderts aus einem Heimatmuseum gestohlen wurde und seitdem verschollen ist. Sein 2008 erschienener Roman „Die Henkerstochter“ wurde für den Friedrich-Glauser-Preis nominiert. Der Autor arbeitet für den Bayrischen Rundfunk und lebt in München.

    Klappentext:
    1486: Knittlingen ist ein ruhiger Ort im Kraichgau. Bis zu dem Tag, als die Gaukler in die Stadt kommen – und plötzlich Kinder verschwinden. Johann Georg, genannt „Faustus“, der Glückliche, kümmert das nicht. Ihn interessiert nur der Spielmann und Magier Tonio del Moravia: Von dem blassen Mann mit den stechend schwarzen Augen, der Johann eine große Zukunft als Gelehrter voraussagt, geht eine seltsame Faszination aus. Johann schließt sich ihm an, gemeinsam ziehen sie durch die deutschen Lande. Der junge Mann saugt alles auf, was Tonio ihm beibringt. Doch von Tonios Lehren geht eine ungeahnte Gefahr aus, und schon bald beschleicht Johann das Gefühl, dass sein Meister mit dunklen Mächten im Bunde steht. Mächte, die Johanns ganzes weiteres Leben bestimmen werden …

    Meine Meinung:
    Dieses Buch hat mich zwiegespalten zurück gelassen. Der Anfang und das Ende haben mir vorzüglich gefallen und mich regelrecht mitgerissen. Aber die Zeit als Gaukler und als Student in Heidelberg haben mich nicht gepackt. Sie waren mir zu ausführlich und ich hatte stellenweise das Gefühl, in eine Abart von „Und täglich grüßt das Murmeltier“ geraten zu sein. Die Besuche der Privatbibliothek in Venedig oder die wiederkehrenden Treffen mit Margarethe sorgten für wenig Spannung und brachten kaum etwas Neues. Kein Vergleich mit den wirklich gelungenen Erzählungen aus Knittlingen oder Nürnberg. Diese Passagen hatten Atmosphäre, Tempo und Spannung. Dort zeigte der Autor seine Extraklasse.
    Die Figur des Johann Georg hat mir sehr gut gefallen. Anfänglich ein sympathischer Junge, der ob seines Verstandes und seiner Herkunft als Bastard sehr häufig gemoppt wurde, entwickelte er sich zu einem intelligenten, aber nur auf den eigenen Vorteil ausgerichteten Menschen, der so gut wie keine Freunde hatte und selbst diese betrog. Einzig Margarethe und sein Hund Satan bedeuteten ihm etwas. Faustus ist ein Mensch mit ungewöhnlichen Fähigkeiten, der unentwegt nach mehr Wissen verlangt. Sein Gegenpart Tonio del Moravia ist aus ähnlichem Holz gestrickt und wirft seine Erfahrung und seine Kontakte in die Waagschale. Dieser Zweikampf zieht sich durch das ganze Buch, auch wenn es längere Passagen gibt, in denen Tonio im Hintergrund bleibt. Man leidet mit Faustus, der alles versucht, um in diesem ungleichen Kampf zu bestehen. Unterstützt wird er von nur wenigen, die zudem von viel geringerem Kaliber sind. So ganz nebenbei erfährt man viel über den Stand der Wissenschaft, das an den Hochschulen gelehrte Wissen und die Gefahr, der sich forschende Geister ausgesetzt sahen. Diese Darstellungen sind faszinierend.

    Fazit:
    Dieser Roman ist in einigen Teilen faszinierend und fesselnd, verliert aber zwischenzeitlich an Spannung und Tempo. Deshalb vergebe ich (nur) vier von fünf Sternen (80 von 100 Punkten), spreche aber eine Leseempfehlung aus, weil besonders der Anfang und das Ende herausragend sind.

    :study: James Lee Burke - Die Tote im Eisblock


    :musik: Hanna von Feilitzsch - Bittersüße Mandeln

  • Eines Tages kommen die Gaukler in den kleinen Ort Knittlingen. Der achtjährige Johann Faustus ist von ihren Darbietungen begeistert. Ganz besonders aber ist er von dem Magier und Astrologen Tonio del Moravia fasziniert. Während die Gaukler die Leute unterhalten, verschwinden Kinder aus der Stadt. Jahre später ist Johanns geliebte Mutter verstorben und seine Freundin Margarethe muss einen anderen heiraten, da begegnet er Tonio del Moravia wieder und schließt sich ihm an. Einerseits nimmt Johann alles in sich auf, was er erlebt und erfährt, andererseits ist ihm Tonio zunehmend unheimlich. Was für ein Geheimnis umgibt diesen geheimnisvollen Menschen?

    Der Autor hat einen schönen bildhaften Schreibstil, so dass man alles gleich gut vor Augen hat.

    Die Charaktere sind alle sehr gut und lebendig beschrieben. Die Mutter sagte Johann Georg Faustus ein glückliches Leben voraus. Ansonsten hat er es als dritter Sohn der Familie nicht so leicht. Aber er ist von sich überzeugt und hat etwas Arrogantes an sich, das ihn mir nicht sympathisch machte. Doch er hat etwas, das die Menschen für ihn einnimmt.

    Oliver Pötzsch erzählt in diesem Roman die Geschichte des Faust neu. Johann Faust strebt nach Wissen und muss mit dunklen Mächten fertig werden. Am Ende erkennt er, dass man dem Teufel nicht entkommen kann.

    Der Leser begleitet Faust durch die damalige Zeit und durch eine Reihe von Ländern. Die Lebensumstände werden anschaulich dargestellt. Die Macht der Kirche ist groß und in allen Lebensbereichen spürbar.

    Auch wenn die Geschichte von Anfang an spannend ist, so gab es durch die ausführlichen Beschreibungen auch schon mal Längen. Trotzdem hat mir dieser Roman gut gefallen.

    Ein unterhaltsamer und spannender historischer Roman.

  • Der Autor hat nach den Geschichten um die Henkerstochter und die Scharfrichter Familie Kuisl nun ein neues Kapitel aufgeschlagen. Er stellt Faust und den Teufel Mephisto in den Mittelpunkt seiner neuen Romanreihe, so daß historische Fakten auf Fiktion treffen.


    Am 27. April 1478 wird Johann Georg, von seiner Mutter liebevoll Faustus (Glück) genannt, unter dem Jupiter geboren. Mittlerweile befinden wir uns im Jahr 1486 im Kraichgau, Faustus ist 8 Jahre, ein sehr guter Schüler, klein gewachsen und wie seine Mutter sagt – von edlem Blut. Sein leiblicher Vater bleibt Faustus unbekannt. Im Dorf verschwinden immer wieder Kinder, und zwar genau zu der Zeit, als Gaukler gastieren. Faustus ist fasziniert von den Kunststücken des Tonio del Moravia. Tonio ist ein fahrender Astrologe, Zauberer und Quaksalber und schenkt Faustus ein Messer mit der Gravur GdR. Diese Gravur möchte er unbedingt enträtseln. Nach dem Tod der Mutter, wirft der Stiefvater Faustus aus dem Haus und er muß sich alleine durchschlagen. Er schließt sich der Truppe um Tonio an und lernt Zaubertricks, Handlesen, viel über Sternenkunde und Horoskope stellen. Er lebt mit ihnen bzw. Tonio und später reist er mit einer Gauklergruppe bis nach Venedig. Anschließend folgt er seiner großen Liebe nach Heidelberg, wird sehr bekannt und es ranken sich viele Gerüchte um ihn. Schlußendlich kommt Faustus über Köln nach Nürnberg und es gibt wieder ein ungewolltes Aufeinandertreffen mit Tonio, der mittlerweile zu seinem Feind geworden ist. Im Jahr 1513 endet dieser erste Band und Faustus ist sich sicher, daß er Tonio auch zukünftig wieder treffen wird.



    Dieser erste Band war von der ersten bis zur letzten Seite spannend, packend und unterhaltsam. Für mich gab es keinerlei Längen, durchgängig wurden fesselnde Episoden erzählt und ich wollte einfach nur wissen wie es weitergeht. So liebe ich Bücher, wenn ein echter Lesesog entsteht! Die Figuren wurden lebendig und die düstere Atmosphäre so bildhaft beschrieben, hier konnte echtes Kopfkino ablaufen. Durch Tonio bekam diese Geschichte für mich auch ein mystisches Element. Die Entwicklung von Faustus habe ich begeistert verfolgt und ich bin gespannt, was der Autor im Band 2 „Der Lehrmeister“ für uns Leser bereit hält – Erscheinungstermin September 2019. Denn einige Fragen blieben natürlich offen und hier darf der Leser auf eine Antwort hoffen.


    Für Band 1 gibt es von mir auf jeden Fall eine Leseempfehlung!


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Inhalt

    Knittlingen im Kraichgau, 1486:

    Nach dem Tod der Mutter muss Johann Georg Gerlach den Hof seines Stiefvaters verlassen. Da er sich von Kindheit an für Gaukler und ihre Kunststücke interessierte, beherrscht er zum Glück einige Zaubertricks mit deren Vorführung er seinen Lebensunterhalt bestreitet. Doch schon bald macht Johann, wegen der besonderen Sternenkonstellation zu seiner Geburt Faustus, der Glückliche, genannt, die Erfahrung, dass das Reisen ohne Begleitung rasch gefährlich werden kann. Als er vom Spielmann und Wahrsager Tonio del Moravia aus einer brenzligen Situation gerettet wird, bleibt er als dessen Lehrling bei ihm. Johann lernt zwar viel von seinem Meister, doch beschleicht ihn zunehmend das Gefühl, dass Tonio mit dunklen Mächten im Bunde steht. Schließlich gelingt ihm die Flucht, und Johann findet Aufnahme bei einer Gauklertruppe.

    Bis Venedig und Heidelberg führt den Rast- und Ruhelosen sein weiterer Weg, immer auf der Suche nach dem, was die Welt im Innersten zusammenhält. Und doch bleibt Johann die bittere Erkenntnis nicht erspart, dass er den Menschen, die er liebt, kein Glück bringt, und auch dem Schatten seines unheimlichen Meisters nicht zu entkommen vermag.


    Meine Meinung

    Im Nachwort berichtet der Autor von der Faszination, die die Figur des Dr. Faust seit seiner Jugend auf ihn ausübte, und welche Ereignisse und Zufälle ihn zum vorliegenden Roman inspirierten. Sowohl inhaltlich als auch stilistisch ist Oliver Pötzsch dieser Aufgabe meiner Meinung nach großartig gerecht geworden.

    Die Protagonisten passen in ihrer charakterlichen Ausarbeitung ganz hervorragend in die Zeit um 1500. Sie wirken realistisch, aber dennoch geheimnisvoll, und symbolisieren treffend den ewigen Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen Aberglaube und Vernunft, zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Sehr interessant fand ich es, Johanns Persönlichkeitsentwicklung vom naiven Bauernsohn zum Magister und Magier mitzuverfolgen, sein Streben nach Wissen, seinen Kampf um Liebe und Freundschaft, sein Scheitern und seine Siege.

    Oliver Pötzsch versteht wunderbar flüssig zu erzählen, Spannung zu erzeugen und Neugier auf den Fortgang der Geschichte zu erwecken.

    Die Beschreibung der Landschaft durch die Faust reist, hat mir ebenfalls sehr gut gefallen. Man kann sich das Leben der einfachen Menschen bildhaft vorstellen, ihre Begeisterung, wenn fahrendes Volk auftaucht, das ihren eintönigen, oft sorgenvollen Alltag unterbricht, sie unterhält oder ihnen sogar einen Blick in die Zukunft gewährt. Die Einsamkeit der waldreichen Landstriche wird für den Leser genauso spürbar wie der Lärm, der Schmutz und der Gestank in den Städten.

    Von den ersten Seiten an hat mich die Geschichte gefesselt, und ich bin Johann in neugieriger Erwartung nur zu gerne auf seinem Weg gefolgt. Meiner Meinung nach hat der Autor aus dem uralten Fauststoff einen wunderbar unterhaltsamen Roman gemacht, und seine ganz eigene Geschichte zu den ewig gleichen Fragen geschrieben, die uns seit Menschengedenken bewegen.

    Auf den zweiten Teil, der einen fulminanten Abschluss erwarten lässt, darf man durchaus gespannt sein.

  • Ich habe fünf Sterne vergeben, Pötzsch schreibt so lebendig und spannend, dass es eine Freude ist.

    Mich beschlich beim Lesen der Verdacht, dass Gilles de Rais eine echte historische Figur sein könnte und habe den Namen gegoogelt.

    Entsetzt stellte ich fest, dass es ihn tatsächlich gegeben hat, seine im Buch beschriebenen Taten haben wirklich stattgefunden.

    Das wahre Grauen ist immer noch das schlimmste.

  • Der Roman beginnt mit der Kindheit des jungen Faustus. Gaukler und Spielleute faszinieren ihn, er verschlingt Bücher und ist ein sehr wissbegieriges Kind. Nach dem Tod seiner Mutter muss er sein Zuhause verlassen und wird von einem undurchsichtigen Mann ausgebildet. Den Meister verlässt er jedoch bald und schließt sich einer Gauklertruppe an. Man merkt auch hier, dass er weiterhin auf der Suche ist, dass er immer noch mehr Wissen erlangen will, was ihn nirgends lange bleiben lässt.


    Der Roman ist nicht schlecht, vor allem das Thema, die Geschichte des Faustus, interessierte mich und war ausschlaggebend, dass ich mich für das Buch beworben habe. Dass es für Goethes Faust eine historische Vorlage gab wusste ich bisher nämlich gar nicht.


    Obwohl das Buch stellenweise fesselnd ist, plätschert die Story leider allzu häufig vor sich hin. Ebenfalls hat mich das Übersinnliche nicht überzeugt, Faustus kann den Tod eines Menschen vorhersehen indem er seine Hand liest, ihm erscheint dann ein „pulsierendes Licht“. Das fand ich dann etwas zu viel. Dass ich das Buch nochmal lesen werde glaube ich daher nicht.

    "Die klimatischen Bedingungen in der Hölle sind sicher unerfreulich, aber die Gesellschaft dort wäre von Interesse." (Oscar Wilde)

  • Ich bin überrascht, dass so viele diesen Roman so loben. Der Schreibstil von Pötzsch hat mir gut gefallen. Er hat alles anschaulich beschrieben und hat vor allem wirklich gute Fähigkeiten, Charaktere transparent mit einer Menge Eigenheiten rüberzubringen. Der Anfang hat mir auch wirklich gut gefallen, aber irgendwie wurde es ab der Mitte immer abstruser und seltsamer.


    Pötzsch hat viele unrealistische Szenen eingefügt, die die Figuren wohl einfach von Punkt A im Roman nach Punkt B bringen sollten. Dabei ging es oft sehr abenteuerlich zu. Auch wenn die Menschen zu diesem Zeitpunkt noch sehr abergläubisch waren, so ganz blöd waren sie sicherlich auch nicht. Ob sie es wohl sofort für bare Münze genommen hätten, wenn der Schatten eines Erzengels erscheint und Faust diesen als Bauchredner sprechen ließ? Dann wird ständig diese Laterne mit den Täuschungsmanövern überallhin mit rumgeschleppt und natürlich zum richtigen Zeitpunkt eingesetzt, was auch immer klappt :ergeben: :lol: . "Trash" und "Räuberpistole" kam mir da nicht nur einmal in den Sinn, vor allem auch wenn immer wieder versucht wird, Mystery- und Fantasy-Andeutungen zu machen. Der Showdown war dann auch noch an den Haaren herbeigezogen und so richtig kitschig wird es zuletzt ebenfalls. Eine 1:1-Umsetzung wäre doch so richtig was für eine Low Budget-Netflix-Serie, die dann umgehend nach Staffel 1 wieder abgesetzt wird. :mrgreen:

    Knappe :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: für den Schreibstil und den Unterhaltungswert.