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Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Emmaus

    Original : Emmaus (Italienisch, 2009)
    Deutsche Übersetzung : Annette Kopetzki (Februar 2013)
    INHALT :
    Die schöne Andre bricht in das Leben von vier Freunden ein und verändert es für immer. Im Turin der 1970er Jahre wachsen Bobby, Luca, Santo und der namenlose Erzähler im katholisch-kleinbürgerlichen Milieu auf. Fromm und verklemmt wie ihre Eltern gehen die jungen Männer in die Kirche und halten sich von Frauen fern. Bis die verführerische Andre auftaucht, die sich nicht schämt, ihren Reichtum und ihre Sexualität zu zeigen. Einen nach dem anderen zieht sie in ihren Bann, und Religion und Moral verlieren im Nu an Bedeutung. Alessandro Baricco, eine der großen Figuren der Literatur in Italien, zeichnet das Porträt einer Generation, die an Gott und der Tradition zweifelt, vor allem aber an sich selbst. (Quelle : Kurzbeschreibung bei aazon.de)
    BEMERKUNGEN :
    Wir begleiten vier Freunde in den Jahren so zwischen 16 und 18. Der namenlos bleibende Ich-Erzähler ist einer von ihnen. Verbunden werden sie durch das gemeinsame Spielen als Musikergruppe in der Gemeinde, regelmäßigen Besuchen bei den « Larven » im Urologiebereich eines Männerkrankenhauses und in all dem einer ähnlich erfahrenen, bzw. unhinterfragt erhaltenen Erziehung in einem katholisch-kleinbürgerlichen Milieu.
    Bei der Beschreibung dieses Milieus im Norden Italiens, zumal in etwas zurückliegender Zeit, fährt der Autor alle möglichen Geschütze auf(um nicht zu sagen : Klischees), spielt mit den Assoziationen, die so sehr manche Debatte über den Glauben – auch heute noch, obwohl wir in einer anderen Welt leben – prägen : Die Atmosphäre der Heranwachsenden ist getränkt von einem schuldhaft erfahrenen Umgang mit dem Leiblichen, purem Objekt , will auch heißen : der Sexualität, von Schuldgefühlen, einer Unmöglichkeit der Wertschätzung des Schönen in all seinen irdischen Formen, einer Unbeholfenheit gegenüber einem lockeren Umgang, der Erfahrung großer moralischer Imperative ohne tieferer selbstloserer Motivation. Selbst das eigentlich schöne Engagement bei den Kranken wird, in der Distanz, beschrieben als rein ethische « Pflicht » ohne jedwede wirkliche tiefere Motivation.
    Leben sie gemeinsam « ihre » Auffassung von (katholischer) Religion, so sind sie letztlich auch hilflos angesichts der unvermeidlichen Begegnung mit den « eigenen Dämonen ». Schon lebten sie manchmal am Rande der, und im Widerspruch mit, ihnen eigentlich eigenen Moralvorstellungen, doch als die schöne, reiche und absolut zwanglose, ja hemmungslose, Andre (=Andrea) ihre Leben durchkreuzt, werden sie nach und nach durchgerüttelt und in Frage gestellt. Am Ende bleiben Scherben ohne Ende... Im Übrigen ist die Kurzformel der Quellenbeschreibung irreführend, wenn von « der verführerischen Andre die Rede ist, die sich nicht schämt... ». Tatsächlich erahnen wir im Roman sehr wohl hinter dieser scheinbaren Zwanglosigkeit eine moderne Form der Armut und gar Hoffnungslosigkeit...
    Teile der Erzählung sind im Präsenz gehalten, andere in der Vergangenheitsform – leicht verwirrend. Aber das Erzählte wirkt nicht unendlich weit weg, auch wenn wir bei genauerem Lesen die Zeitabstände zwischen einzelnen Episoden erahnen.
    Verwirrend, und für mich auf einer anderen Ebene nicht so überzeugend, erscheint mir noch mehr, dass der Ich-Erzähler (in welchem zeitlichen Abstand zu den Ereignissen?) sich selbst und die anderen unter eine Lupe nimmt, mit einem Blick betrachtet und, ja, analysiert, die von einer Distanz zeugt, einer psychologischen Woandersheit, die nicht ganz glaubwürdig klingt, da er selber doch noch IN dieser Welt lebt(e) der mehr oder weniger großen Rollen und Masken.
    Es sei angefügt, dass ich hier einige sehr richtige Querverbindungen zwischen rigiden Moralvorstellungen und nicht assimiliertem, wirklich verinnerlichten Glauben, scheinbarer Festigkeit und absoluter Hilflosigkeit, ja, dem Zusammenbrechen von Welten sehe. Dennoch erscheint mir die reine Verkürzung des Glaubens auf eben eine Moral, eine Instrumentalisierung von Ethik fragwürdig und letztlich natürlich nicht aussagekräftig genug, um auch nur annähernd eine umfassendere Vision von Glauben zu haben. Der ist sicherlich einiges mehr. Dahingegen betont der Ich-Erzähler quasi beständig, dass sie « in ihren Verklemmungen, ihrer Mittelmäßigkeit, ihren Schuldgefühlen, ihrer Verachtung etc » eben wirkliche Christen, Katholiken wären und sie ja « an den Gott des Evangeliums glaubten ». Nun, man hätte Lust, als selbst suchender Christ zu sagen : Nun, seid ihr da so sicher ? Und zum Autor : willst Du wirklich den Glauben auf diesen Horizont einschränken und damit meinen, den Nagel auf den Kopf getroffen zu haben ?
    Aber sicherlich kommt diese Sichtweise des Romans den meisten Lesern in ihren eigenen Assoziationen mit Glaube, bzw. insbesondere katholischer Religion entgegen und ich sehe die kopfnickenden Begeisterungen über so herrlich entlarvte Heilige...
    Nichts destotrotz unter Einbeziehung dieser Bemerkungen eine interessante Lektüre. Man müßte sie nur recht einzuordnen wissen.
    AUTOR :
    Alessandro Baricco (* 25. Januar 1958 in Turin) ist ein italienischer Schriftsteller und Journalist. Er studierte Philosophie und Musikwissenschaft und war Schüler Gianni Vattimos und schloss sein Studium 1983 mit einer Arbeit über Theodor W. Adorno ab. Es folgten Veröffentlichungen in verschiedenen Gebieten, so über Adorno, Walter Benjamin, Gioachino Rossini und die Neue Musik. Er schrieb das Drehbuch zu einem Kurzfilm Una vita spericolata (Ein waghalsiges Leben). Baricco arbeitet lange Zeit als Musikkritiker. Er schrieb unter anderem für die Tageszeitungen « La Repubblica » und « La Stampa ». Seine journalistischen Artikel und Essays wurden in mehreren Sammelbänden veröffentlicht.
    Populär wurde Baricco in seiner italienischen Heimat insbesondere durch seine Tätigkeit beim Fernsehen. So brachte er dem Publikum ab 1993 klassische Opern in der Sendung L’amore è un dardo (Die Liebe ist ein Pfeil) näher. Ab 1994 moderierte er mit Il circolo Pickwick (Die Pickwickier) eine Literatursendung für den „ungeübten Leser“. Auch weitere Projekte Bariccos hatten die öffentlichkeitswirksame Verbreitung der Literatur zum Inhalt. Erstmals 1997 konzipierte er gemeinsam mit dem Theaterregisseur Gabriele Vacis ein Lesefestival namens Totem, das als kombinierte Buch- und Videoproduktion veröffentlicht wurde. Mit der Band Air brachte er im Jahr 2003 ein Album heraus, das eine Verbindung von Musik und Lesung anstrebte. Seit 1994 leitete Baricco eine Literaturhochschule namens Scuola Holden in Turin, wo er bis heute überwiegend lebt.
    Ab 1991 veröffentlichte er Romane, die teils sehr großen Erfolg hatten. In Deutschland gilt das insbesondere für « Seide ».
    Gebundene Ausgabe: 144 Seiten
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Ausgaben von Emmaus

Hardcover

Seitenzahl: 144

Taschenbuch

Seitenzahl: 139

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