Sämtliche Werke: Jakob von Gunten

Buch von Robert Walser, Jochen Greven

Zusammenfassung

Inhaltsangabe zu Sämtliche Werke: Jakob von Gunten

Jakob von Gunten ist der Entwicklungsroman einer verhinderten Entwicklung. Das, was Jakob für das Leben ausrüsten soll, entzieht ihn dem Leben. Das Prinzip Hoffnungslosigkeit ist das Prinzip dieses Erziehungsromans…Hier stimmt zum erstenmal einer der Gegenwart zu, wie sie ist: und wir erkennen so scharf wie noch nie, wie furchtbar sie ist. Martin Walser
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Bewertungen

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Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Sämtliche Werke: Jakob von Gunten

    Ein Tagebuch in dieser verlinkten Ausgabe einschließlich Nachwort und ausführlicher Zeittafel
    Original : Deutsch, 1908 (erschienen 1909)
    ZUM INHALT :
    »Man lernt hier sehr wenig, es fehlt an Lehrkräften, und wir Knaben vom Institut Benjamenta werden es zu nichts bringen, d. h. wir werden alle etwas sehr Kleines und Untergeordnetes im späteren Leben sein.« Mit zarter Trauer und leiser Komik trägt Jakob von Gunten diesen Satz bei seinem Eintritt in ein obskures Berliner Erziehungsinstitut in sein Tagebuch ein. Eine eigentümliche Schule für Diener, die sich auf ein Leben der Entsagung und Unterwerfung vorbereiten.
    Jakob von Gunten ist aber zugleich ein Abenteurer, ein Tänzer und Spieler, der in der Erniedrigung die Freiheit sucht. In diesem Tagebuch gehen Traum und Wirklichkeit ineinander über, melancholische Komik und Ironie kennzeichnen den Stil des jugendlichen Tagebuchschreibers.
    (Quelle : Suhrkamp)
    Jakob von Gunten ist der dritte, meistdiskutierte und avantgardistischste Roman Walsers. Er schrieb ihn 1908 in Berlin. Drei Jahre zuvor hatte der Autor eine Dienerschule besucht, deren eigentümliches Milieu er auf das im Roman dargestellte Knabeninstitut Benjamenta übertragen hat. Jakob von Gunten war Robert Walser der liebste unter seinen Romanen. (Quelle : Amazon)
    BEMERKUNGEN UND MEINUNG :
    Der Untertitel Walsers weist auf ein Tagebuch hin. Die Eintragungen sind jeweils circa eine bis vier Seiten lang, und voneinander durch Leerzeilen getrennt.
    Jakob von Gunten kommt aus einer gut gestellten Kleinstadtfamilie, der er aber zu entfliehen suchte, indem er nun in der Großstadt sogar eine niedrigere Stellung als Zögling in diesem merkwürdigen Institut einnimmt. Was dort letztlich von Herrn und Frau Benjamenta für ein Unterricht erteilt wird, bleibt relativ unklar, es sei denn, dass das Putzen, Aufräumen und Herumscharwenzeln immer wieder auftauchen. Jakob, der Ich-Erzähler, beschreibt immer wieder seine sechs, sieben Mitschüler (die letzten der Institutsgeschichte?), Herrn Vorsteher und seine Schwester. In den Weiten der Großstadt befindet sich auch sein weltgewandter und erfolgreicher Bruder, den er einige Male trifft. Ohne datiert zu sein, gibt es doch ein chronologisches Vorwärtsgehen, so auch eine Entwicklung in den Beziehungen, insbesondere zu dem Herrn Vorsteher und dem Fräulein (beide binden sich zunehmend an Jakob).
    Mit der knappen Inhaltsangabe wähnt man sich eventuell, nur teils zurecht, erneut in einem « Institutsroman », wie z.B. « Der Zögling Törless » von Musil oder aber auch einer Problematik, die mich an Heinrichs Mann « Der Untertan » erinnerte : Die Eleven werden hier zu Gehorsam und Geduld erzogen, tragen Uniformen, sind ohne besonderes Bewußtsein ihrer Selbst, unfrei, gemein, gewöhnlich, und berufen, laut Jakob von Gunten, « eine Null zu sein und/oder zu werden » (all dies sind Ausdrücke der ersten Seiten!). « Wir gehorchen, ohne zu überlegen, was aus all dem gedankenlosen Gehorsam noch eines Tages wird... » Hier erscheint mir Walser wie ein Visionär eines Menschentypus', der in der Unterwerfung nichts hinterfragt, sich nicht mehr widersetzt.
    Aber dies bedeutete auch, diesem Roman zu schnell eine Eindeutigkeit zu verleihen, die er zur selben Zeit eben nicht hat : Jakob insbesondere betont sehr seine « Frechheit, gewisse Unabhängigkeit ». Er vereint in sich die Extreme zwischen Keckheit und Untertänigkeit, Aufmüpfigkeit und Dienstbeflissenheit. Und diese Gleichzeitigkeiten, diese Widersprüche begleiten uns das ganze Buch über, ja, es ist wie ein Markenzeichen. Jakob scheint dann ins Schwatzen und Schwafeln zu kommen , und gibt das selber auch dauernd zu. Dann scheint alles nur so hervorzusprudeln, ohne Anfang und Ende, und es wundert nicht, dass einige sich hier fast « vera... » vorkommen könnten. Und man fragt sich dauernd : Ist das nun ernst oder ironisch ? Realität oder Traum ? Typische Redewendungen, die dieses zwiespältige Schreiben begleiten, sind dann : « « und auch nicht », « ich kann es nicht sagen », « vielleicht », « möglich », « ich schwatze », « oder ? », « doch » etc... Dann zweifelt man, ob sich der Schreiber dauernd über sich (und uns?) lustig macht, indem er stets Gesagtes auch schon wieder zurücknimmt, einschränkt, erweitert, widerspricht.
    In all dem erweist sich Walser als ein ausgezeichneter Schriftsteller, der sich hinter diesen Leichtfertigkeiten etwas verbirgt. Er wird um die Zweifelhaftigkeit der Eindeutigkeit wissen und drückt dies auf hervorragende Weise aus. Doch auch das wird nur ein möglicher Aspekt beim Lesen sein.
    Oder nicht ?
    Die Sprache, das für mich sehr originelle Vokubalar sticht immer wieder hervor. Das war für mich ein echter Genuß. Unablässig spürt man den Dichter und Wortakrobaten, auch mit dem Wissen um die alten rhetorischen Mittel.
    Ich möchte einfach ein paar Wortbeispiele geben :
    « sich hochmüteln ; feinseinwollende Bedenklichkeit ; unabstreifbare Begleitschaft ; verliederlichen ; die Treulichkeit ; entherzen ; schlendrianisch ; entseelt ; die springerische und tänzerische Leichtfertigkeit. »
    Oder auch Satzbeispiele, Ausdrücke :
    « Es gibt nichts mehr zu wären und zu wennen. »
    « Ich habe gar keine Emporkömmlingstugenden. »
    « Ich gehe an der Lieblosigkeit des Zauderns und des Nicht-recht-Mögens zugrunde. »
    « Oben, da herrscht solch eine Luft. Nun es herrscht eben eine Atmosphäre des Genuggetanhabens, und das hemmt und engt ein. »
    « Es ist etwas so Vater-Abraham-Mäßiges in seinen Ermahnungen. »
    Sicherlich mag jeder in diesem so reichen Büchlein woanders seine Akzente und Einsichten setzen. Ich selber sah in folgendem Satz eine mögliche Zusammenfassung vieler Gedanken des Autors und einen überaus treffenden Bezug zu auch noch heute gültiger Situation (denn haben wir etwa wirklich zur Freiheit gefunden?):
    « Vielleicht sind wir heutigen Menschen alle so etwas wie Sklaven, beherrscht von einem ärgerlichen, peitscheschwingenden, unfeinen Weltgedanken. »
    ZUM AUTOR :
    Robert Walser wurde am 15. April 1878 in Biel, Kanton Bern/Schweiz geboren. Nach seiner zweisprachigen Schulzeit absolvierte er eine Banklehre und arbeitete als Commis in verschiedenen Banken und Versicherungen in Zürich. Seine ersten Gedichte, die 1898 erschienen, ließen ihn rasch zu einem Geheimtip werden und verschafften ihm den Zugang zu literarischen Kreisen. Nach Erscheinen seines ersten Buches Fritz Kochers Aufsätze folgte er 1905 seinem Bruder Karl nach Berlin, der dort als Maler und Bühnenbildner den Durchbruch erzielt hatte. In rascher Folge publizierte Walser nun seine drei Romane Geschwister Tanner (1907), Der Gehülfe (1908 ) und Jakob von Gunten (1909).
    Infolge einer psychischen Krise geriet Walser Anfang 1929 gegen seinen Willen in die Psychiatrie, deren Rahmen er nie mehr verlassen konnte. 1933 von der Berner Klinik Waldau nach Herisau verlegt, gab er das Schreiben vollständig auf und lebte dort noch 24 Jahre als vergessener anonymer Patient. Er starb am 25. Dezember 1956 auf einem Spaziergang im Schnee. (Quelle : Biographie bei Amazon ; man findet einen sehr ausführlichen und guten Überblick über Leben und Werk bei : http://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Walser )
    Taschenbuch: 192 Seiten
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Ausgaben von Sämtliche Werke: Jakob von Gunten

Taschenbuch

Seitenzahl: 192

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