Agrippa und das Schiff der Zufriedenen

Buch von Rosemarie Schuder

Bewertungen

Agrippa und das Schiff der Zufriedenen wurde bisher einmal bewertet.

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Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Agrippa und das Schiff der Zufriedenen

    Über die Autorin:
    Rosemarie Schuder (geb. 24.07.1928 ) ist Tochter des Dramatikers Kurt Schuder. Nach dem Abitur 1947 arbeitete sie als freie Journalistin für zwei ostdeutsche Zeitungen. Studienhalber arbeitete sie 1952 im Jenaer Glaswerk. Seit 1958 ist sie mit dem Schriftsteller Rudolf Hirsch (1907-1998 ) verheiratet und veröffentlichte zusammen mit ihm das Buch „Der gelbe Stern“ über die Judenverfolgung. Rosemarie Schuder hat mehrere Bücher über historische Persönlichkeiten (Agrippa, Paracelsus, Michelangelo u.a.) verfaßt. Seit 1978 gehörte sie dem P.E.N.-Zentrum der DDR an, heute ist sie Mitglied im P.E.N.-Zentrum Deutschland. Ihr Zugehörigkeit zur Ost-CDU, zu deren Hauptvorstand sie gehörte, beendete sie nach der Wende. Heute lebt sie als freie Schriftstellerin in Berlin. (Quelle: Wikipedia, Literaturport.de)
    Buchinhalt:
    Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim, Zeitgenosse von Paracelsus und Hieronymus Bosch, war ein hochbegabter Arzt, Jurist, Philosoph und Theologe. Aber anders als Paracelsus, der Apostel für Wahrheit und Gerechtigkeit, bleibt Agrippa eine Gestalt im Zwielicht. Der Spielerische, Freund der Frauen, der sich gefallen habe auch in der Pose des großen Magiers – und doch rettete er eine der Hexerei angeklagte Bäuerin vorm Scheiterhaufen und legte sich an in scharfer Kritik mit den Großen der Zeit. Rosemarie Schuder erzählt zwei Jahre dieses Lebens. In Lyon wirkte Agrippa 1525/26 als Leibarzt der Mutter des Königs von Frankreich, hier suchte er Einfluß zu nehmen und seine humanistischen Ideen durchzusetzen. Lyon, die Stadt der Messen, des Buchdrucks und der plebejischen Rebellionen mit tiefwurzelnder Tradition – das lebenspralle Lyon bedeutete in der Biographie des Agrippa mehr als eine flüchtige Episode. (Quelle: Klappentext)
    Das Buch umfasst 473 Seiten unterteilt in 5 Hauptkapitel, die wiederum in 78 durchnumerierte Kapitel unterteilt sind. Die letzten beiden spielen nach Agrippas Tod und haben seinen ehemaligen Schüler Johannes Weyer als Protagonisten. Auf das ganze Buch verteilt finden sich alte Drucke und Holzschnitte, v.a. auch viele anatomische Studien des Leonardo da Vinci. Leider gibt es keinerlei Quellenangaben als Anhang oder Hinweise darauf, welche der auftauchenden Personen im Roman reelle Personen der Zeit waren.
    Meine Meinung:
    Dies wird eine unvollständige Rezension – unvollständig deshalb, weil ich das Buch nach zwei Dritteln (330 Seiten) abgebrochen habe. Dennoch glaube ich, dass ich meinen Eindruck des Buches wiedergeben sowie eine Begründung geben kann, warum ich abgebrochen habe.
    Agrippa war einer der großen Universalgelehrten, der weit über Landesgrenzen hinaus bekannt war. Erwartet hatte ich eine Roman-Biographie über das Leben dieses Mannes, über das sicherlich nicht alles urkundlich belegbar und bekannt ist. Gelesen habe ich einen Roman, der zwar ein paar belegte Fakten enthält (wie den gewonnenen Hexenprozess von Metz), aber ansonsten ganz viel in Schwafeleien und Nebenhandlungen abdriftet.
    Als Arzt übertritt Agrippa sofort zu Buchbeginn vorgegebene Grenzen in der medizinischen Behandlung der Königinmutter, zu deren Behandlung er von seinem alten Freund (fiktiv?) zugezogen wird. Da er erfolgreich ist, wird er zum Leibarzt berufen. Schon hier tritt der erste Widerspruch auf, denn einerseits will Agrippa sich nicht abhängig machen (schließlich hat er eine gute Stellung als Stadtarzt in Fribourg), aber andererseits nimmt er doch fast sofort die Stellung an bei den Menschen, die er gleichzeitig zutiefst verachtet. Durch den gesamten Teil des Buches, den ich gelesen habe, zieht sich diese Verachtung gegenüber den Regierenden und Reichen, die immer als Schranzen tituliert werden. Gegen Ende des von mir gelesenen Teils will er die Königin regelrecht zwingen, mit ihm zusammen und seinem Rat folgend politische Entscheidungen zu treffen – womit er sich doch dann in die Reihen der Schranzen einreiht?
    Sein Freund und Gegner, Anhänger der traditionellen Medizin der Sorbonne, der von Agrippa in die zweite Reihe gedrängt wird, versucht späterhin, Agrippa mit „Giften aus der neuen Welt“ aus dem Weg zu schaffen – ein kleiner, krimi-artiger Einschub, um Spannung aufzubauen? Ich weiß es nicht, für diesen Freund Leporis konnte ich keine Hinweise finden, ob es sich hier um eine reelle Person handelt.
    Sehr schnell wird Agrippa eine Liebschaft zugeschrieben mit einer jungen Bettlerin aus unterster Schicht, obwohl er ebenso als vernarrt und fast emotional abhängig von seiner Frau Jana Tissie, einer Genfer Apothekertochter (reell), beschrieben wird. Gleichzeitig empfindet er Achtung vor dem Freund dieses Mädchens, einem Buchdrucker, der sich seine Gedanken macht über die Texte, die er zu setzen hat. Dieser Drucker spielt später noch eine Rolle als er aufbegehrt gegen das schlechte Essen, dass der Meister den Gesellen vorsetzt und deswegen inhaftiert wird. Zudem wird Agrippa auch sofort von der Gemahlin eines Arzt-Kollegen angehimmelt. Diesen Kollegen lernt Agrippa im Buch erst in Lyon kennen, es ist der Armenarzt Symphorien Champier (reell), der u.a. in Lyon ein Medizinkolleg gründete. Es scheint aber Hinweise darauf zu geben, dass es bereits zu Agrippas Studienzeit in Paris Kontakte zwischen den beiden Männern gab (Briefwechsel?). Schließlich steigt er dann sogar mit der Königinmutter ins Bett – nur um danach seine Geliebte auf eine politische Mission zu Karl von Bourbon mitzunehmen (der in habsburgischen, also gegnerischen Diensten steht). Es ist eine Mission im Auftrag der Königin, die den Bourbonen heiraten will. War dies wirklich so oder war Agrippa mit Karl in Kontakt, um für sich selbst eine neue Position zu suchen, wie man es anderswo lesen kann? Hier in etwa habe ich das Buch abgebrochen, mir wurde es zuviel.
    Immer wieder ergeht die Autorin sich in pseudo-philosophischen Betrachtungen über reich und arm, über Theologie und Medizin, über Magier und Zauberer u.ä.. Vielfach sind Textstellen kursiv hervorgehoben, da aber kein Quellenverzeichnis vorhanden ist bleibt es rätselhaft, ob es sich wirklich um Zitate aus Briefen oder Werken Agrippas handelt oder ob die Autorin nur diesen Eindruck erwecken will. Auch die Darstellung der reellen Personen wage ich ein wenig in Zweifel zu ziehen bei den Beschreibungen, die im Buch gegeben werden. Da ich noch keine andere Biografien über Agrippa gelesen habe, kann ich das aber nicht wirklich beurteilen, es handelt sich hier um ein Bauchgefühl. Da jedoch selbst Wikipedia (bei allen berechtigten Zweifeln an der immergültigen Aussage von Wikipedia) z.B. die Frau des Arztes Champier schon mit einem anderen Namen listet, mögen meine Zweifel eben doch berechtigt sein.
    Vom Stil her ließ sich das Buch trotz vieler langer, verschachtelter Sätze relativ leicht lesen, ich kam eigentlich gut voran. Was mich stilistisch störte waren immer wieder auftretende Wechsel vom allwissenden Erzähler der dritten Person in die Ich-Form (die von unterschiedlichen Personen kurzzeitig übernommen wurde) um dann wieder Sätze zu finden wie „Wir kennen unseren Agrippa“. Dies sollte wohl tiefere innere Einblicke ermöglichen; ich fand es störend, denn für mich ergaben sich keine tieferen psychologischen Aspekte. Außerdem nervten ständige Wiederholungen wie z.B. „der nicht arme Armenarzt“ in bezug auf Champier. Irgendwann ist es mal genug, irgendwann ist der Groschen gefallen und man muss es dem Leser ja nicht mit der Keule unter die Nase reiben. Leider hat es die Autorin auch nicht geschafft, die handelnden Personen wirklich lebendig zu machen, sie bleiben platt und blutleer - obwohl allein die Leben von Agrippa und der Königinmutter Luise (die zu der Zeit in Lyon als Regentin für ihren Sohn eintrat) genügend Stoff für lebhafte Darstellungen liefern. Auch von der „lebensprallen“ Stadt Lyon, wie sie im Klappentext beschrieben wird, kommt nicht viel beim Leser an.
    Mein Fazit:
    Ich bin zutiefst enttäuscht, denn ich hatte mir viel von diesem Buch versprochen – mein Fehler. Aber einen biografischen Roman, selbst wenn er nur zwei Jahre eines wirklich prallen Lebens umfasst, stelle ich mir anders vor. Leider kann ich dieses Buch niemandem empfehlen, ich selbst gebe ihm nur für den kleinen Teil, der faktisch nachprüfbar echt ist. Neben „Agrippa“ besitze ich noch zwei weitere Romanbiographien der Autorin sowie das Sachbuch über die Judenverfolgung, aber ich weiß nicht, ob ich diese wirklich noch lesen will. Fairerweise sollte ich es wohl, denn vielleicht war dieses Buch ja nur ein Ausrutscher?
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Ausgaben von Agrippa und das Schiff der Zufriedenen

Hardcover

Seitenzahl: 375

Taschenbuch

Seitenzahl: 353

Besitzer des Buches 3

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