Marseille 1940. Die große Flucht der Literatur

Buch von Uwe Wittstock

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Titel: Marseille 1940. Die große Flucht der ...

4,5 von 5 Sternen bei 21 Bewertungen

90% Zufriedenheit

Verlag: C.H.Beck

Format: Gebundene Ausgabe

Seitenzahl: 351

ISBN: 9783406814907

Termin: Neuerscheinung Februar 2024

Aktion

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    Farast
    Ich bin zwiegespalten: was die Recherchearbeit betrifft toll, stellenweise etwas zäh zum lesen.
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    Informativ, aber viel zu uninspiriert geschrieben und somit zäh.
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Zusammenfassung

Inhaltsangabe zu Marseille 1940. Die große Flucht der Literatur

AUF DER FLUCHT VOR HITLER: ALS DIE SCHRIFTSTELLER EUROPA VERLIEßEN Juni 1940: Hitlers Wehrmacht hat Frankreich besiegt. Die Gestapo fahndet nach Heinrich Mann und Franz Werfel, nach Hannah Arendt, Lion Feuchtwanger und unzähligen anderen, die seit 1933 in Frankreich Asyl gefunden haben. Derweil kommt der Amerikaner Varian Fry nach Marseille, um so viele von ihnen wie möglich zu retten. Uwe Wittstock erzählt die aufwühlende Geschichte ihrer Flucht unter tödlichen Gefahren. Es ist das dramatischste Jahr der deutschen Literaturgeschichte. In Nizza lauscht Heinrich Mann bei Bombenalarm den Nachrichten von Radio London. Anna Seghers flieht mit ihren Kindern zu Fuß aus Paris. Lion Feuchtwanger sitzt in einem französischen Internierungslager gefangen, während die SS-Einheiten näherrücken. Sie alle geraten schließlich nach Marseille, um von dort einen Weg in die Freiheit zu suchen. Hier übergibt Walter Benjamin seinen letzten Essay an Hannah Arendt, bevor er zur Flucht über die Pyrenäen aufbricht. Hier kreuzen sich die Wege zahlreicher deutscher und österreichischer Schriftsteller, Intellektueller, Künstler. Und hier riskieren Varian Fry und seine Mitstreiter Leib und Leben, um die Verfolgten außer Landes zu schmuggeln. Szenisch dicht und feinfühlig erzählt Uwe Wittstock von unfassbarem Mut und größter Verzweiflung, von trotziger Hoffnung und Mitmenschlichkeit in düsterer Zeit. 'Lieber Feuchtwanger, wir brauchen Mut heute. Wie viel Prozent Hoffnung geben Sie uns?' 'Wie viel Hoffnung? Fünf Prozent.' Über die Flucht von Heinrich Mann, Anna Seghers, Franz Werfel, Hannah Arendt, Lion Feuchtwanger, Walter Benjamin und vielen anderen Eine szenisch dichte Chronik von Mut, Verzweiflung und Mitmenschlichkeit Marseille 1940: Wo sich die Wege zahlreicher Schriftsteller und Intellektueller kreuzten 40000 verkaufte Exemplare von «Februar 33» Der Autor steht für Veranstaltungen zur Verfügung Digitales Leseexemplar auf NetGalley Leseexemplar Geplante Veranstaltungen: 17.1. Media Campus Frankfurt 15.2. Deutsche National bibliothek Frankfurt 5.3. Literaturhaus München mit Axel Hacke
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Bewertungen

Marseille 1940. Die große Flucht der Literatur wurde insgesamt 21 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 4,5 Sternen.

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Meinungen

  • Ich bin zwiegespalten: was die Recherchearbeit betrifft toll, stellenweise etwas zäh zum lesen.

    Farast

  • Informativ, aber viel zu uninspiriert geschrieben und somit zäh.

    eigenmelody

  • Absolute Lese-Empfehlung, hervorragend recherchiert und geschrieben

    Squirrel

Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Marseille 1940. Die große Flucht der Literatur

    • 29. April 2025 um 17:41
    Treffpunkt Marseille - Die Flucht der deutschen Intellektuellen aus dem NS-Regime
    Die Flucht der Dichter und Denker aus Nazi-Deutschland und Österreich setzt recht bald nach der Machtübernahme Hitlers ein. Trotzdem gibt es viele, die ihre Heimat nicht verlassen wollen, die nicht glauben können, dass das „Land von Schiller und Goethe“ zu solchen barbarischen Mitteln greift, wie man es sich leise und hinter vorgehaltener Hand erzählt: Alle jene, die nicht ins Regime passen, weil sie jüdischer Abstammung oder Regime kritisch sind, werden gnadenlos verfolgt, eingesperrt und vernichtet. Letztendlich befinden sich Tausende deutschsprachige Intellektuelle in Frankreich als die deutsche Wehrmacht die Niederlande und Belgien überrollt bis nach Paris vorstößt und 1940 Teile Frankreichs besetzt hat.
    Die Flucht geht innerhalb Frankreichs weiter bis sie in Marseille landen und auf eine Möglichkeit hoffen, eine Ausreise- bzw. Einreiseerlaubnis in die USA erhalten zu können. Doch die USA will in die Angelegenheiten Europas nicht verwickelt werden und stellt für die jüdischen Flüchtlinge kaum Einreisebewilligungen aus. Hier kommt nun Varia Fry, Mitarbeiter des Emergency Rescue Committee ins Spiel, der namhaften europäischen Intellektuellen, Künstlern, Politikern und Gewerkschaftlern die Ausreise ermöglichen soll.
    Ursprünglich war die Aktion als befristetet Maßnahme geplant. Doch sie entwickelte eine eigene Dynamik. Zwischen Juni 1940 und Juni 1942 gelingt es Varian Fry und seinem Team rund 2.000 Menschen aus dem besetzten Frankreich zu retten. Die Liste jener, die auf abenteuerlichen und gefährlichen Wegen wie über die Pyrenäen in Sicherheit begracht werden konnten, liest sie wie das Who is Who der deutschen Intellektuellen: von Hannah Arendt über Maler Marc Chagall, Lion Feuchtwanger, die Manns, Alma Mahler und Franz Werfel sowie Marc Ophüls und Alfred Polgar, um nur einige zu nennen. Nicht allen gelingt die Flucht. Walter Benjamin begeht Suizid.
    Bevor die Flüchtlinge noch ihre gefährliche Reise antreten konnten, mussten sie noch aus den diversen Internierungslagers wie Gurs herausgeholt werden. Das gelingt Fry & Co oft nur unter in letzter Minute, dann gilt es, Geld und die notwendigen Ausreisedokumente sowie Einreisezertifikate aufzutreiben. Amerika stellt bald keine mehr aus, so sind dann südamerikanische Staaten das Ziel oder das französische Insel Martinique, auf der die Geflohenen erst recht wieder interniert werden.
    Varian Fry fällt in Amerika mit seinen Bemühungen, möglichst viele Menschen, darunter auch solche, die weder berühmt noch Fürsprecher in den USA haben, aus dem besetzten Frankreich herauszuholen, recht bald in Ungnade. Besonders für jene, die als sozialistische Gewerkschafter um ihre Leben fürchten müssen, ist in den USA kein Platz.
    Fry widersetzt sich mehrmals den Aufforderungen nach Amerika zurückzukehren, setzte seine Ehe aufs Spiel und muss, um seiner Verhaftung durch französische Behörden, selbst fliehen.
    Wer zu diesem Thema noch mehr lesen möchte, dem sei Varian Frys Buch „Auslieferung auf Verlangen – Die Rettung deutscher Emigranten in Marseille 1940/41“ sowie Herbert Lackners „Die Flucht der Dichter und Denker. Wie Europas Künstler und Wissenschaftler den Nazis entkamen“ ans Herz gelegt.
    Fazit:
    Diesem Stück Zeitgeschichte, das aufzeigt, dass auch das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“, ziemlich beschränkt und begrenzt war. „America first“ - dieser Spruch ist nicht erst seit Trump bekannt. Gerne gebe ich diesem Buch 5 Sterne und eine Leseempfehlung.
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  • Rezension zu Marseille 1940. Die große Flucht der Literatur

    • 26. August 2024 um 20:26
    Klappentext:
    Juni 1940: Hitlers Wehrmacht hat Frankreich besiegt. Die Gestapo fahndet nach Heinrich Mann und Franz Werfel, nach Hannah Arendt, Lion Feuchtwanger und unzähligen anderen, die seit 1933 in Frankreich Asyl gefunden haben. Derweil kommt der Amerikaner Varian Fry nach Marseille, um so viele von ihnen wie möglich zu retten. Uwe Wittstock erzählt die aufwühlende Geschichte ihrer Flucht unter tödlichen Gefahren.
    Es ist das dramatischste Jahr der deutschen Literaturgeschichte. In Nizza lauscht Heinrich Mann bei Bombenalarm den Nachrichten von Radio London. Anna Seghers flieht mit ihren Kindern zu Fuß aus Paris. Lion Feuchtwanger sitzt in einem französischen Internierungslager gefangen, während die SS-Einheiten näher rücken. Sie alle geraten schließlich nach Marseille, um von dort einen Weg in die Freiheit zu suchen. Hier übergibt Walter Benjamin seinen letzten Essay an Hannah Arendt, bevor er zur Flucht über die Pyrenäen aufbricht. Hier kreuzen sich die Wege zahlreicher deutscher und österreichischer Schriftsteller, Intellektueller, Künstler. Und hier riskieren Varian Fry und seine Mitstreiter Leib und Leben, um die Verfolgten außer Landes zu schmuggeln. Szenisch dicht und feinfühlig erzählt Uwe Wittstock von unfassbarem Mut und größter Verzweiflung, von trotziger Hoffnung und Mitmenschlichkeit in düsterer Zeit.
    Mein Lese-Eindruck:
    Man muss sich wundern: Wurde bisher tatsächlich der Fluchthelfer Varian Fry in der deutschen Geschichte so gut wie vergessen? Wittstock ruft mit seinem Buch nicht nur diesen mutigen und engagierten Journalisten in die Erinnerung zurück, sondern auch die unmenschlichen Zustände, denen die Kulturelite Deutschland auf der Flucht vor den Nationalsozialisten ausgesetzt war. Marseille 1940 ist ein markantes Eckdatum, denn hier sammeln sich die Unerwünschten und „Entarteten“, die zunächst ins sicher geglaubte Frankreich (sehr beliebt: Sanary-sur-Mer) geflohen waren und sich dann von der heranrückenden Wehrmacht in Marseille sammelten in der Hoffnung auf Ausreise.
    Wittstocks Buch bedient sich an einer Fülle von Quellen und entscheidet sich für einen Episodenstil, ähnlich wie in „Winter 1933“ und für eine chronologische Darstellung. Seine kurzen Darstellungen schneidet er wie in einem Film mit Statements zur politischen Lage. Wie mit einem Schlaglicht nimmt er Monat für Monat das Schicksal der Flüchtlinge und ihrer Helfer in den Blick. Das wirkt unruhig und erschwert die Konzentration des Lesers, aber auf der anderen Seite wird damit die rasant steigende Bedrohung der Geflüchteten deutlich. Und er erreicht damit diese ganz besondere Mischung eines Sachbuchs mit Protagonisten, die wie Romangestalten wirken, aber keine sind.
    Wittstock konzentriert sich auf einige wenige Größen, allen voran Lion Feuchtwanger, erfolgreich und international bekannt, oder den frankophilen Heinrich Mann und seinen Neffen Golo, Hannah Arendt und ihren Ehemann, Max Ernst, Marc Chagall, Andrè Breton, die unbeirrbar stalintreue Anna Seghers und andere. In seinen Episoden sorgt er für Empörung und Mitleid, wenn er z. B. die barbarische Situation in den südfranzösischen Lagern und zugleich die Untätigkeit der französischen Exilregierung schildert. Er sorgt aber auch für Kopfschütteln, wenn er das Schicksal Rudolf Breitscheids und Rudolf Hilferdings erzählt, die sich wider besseres Wissen auf ihren internationalen Ruf und einen französischen Rechtsstaat verlassen. Auch heitere Episoden fehlen nicht, wenn man liest, dass Alma Mahler-Werfel mit 12 Koffern flüchtete und es tatsächlich schaffte, diese 12 Koffer in die USA mitzunehmen.
    Im Mittelpunkt steht natürlich Fry, aber Wittstock vermeidet die Zeichnung eines Helden, sondern zeigt ihn in all seiner Widersprüchlichkeit und vor allem immer als Teil einer Gruppe. Deutlich wird auch, wie sehr die Arbeit von Frys Organisation auf Geld angewiesen wird, und ebenso deutlich wird das Problem, dass Fry nicht jeden retten kann, sondern auswählen muss. Die bürokratischen Hürden werden immer höher und die Fluchtwege immer komplizierter, und sehr anschaulich beschreibt Wittstock die mühsame Flucht zu Fuß auf geheimen Pfaden über die Pyrenäen, die die Geistesgrößen durchstehen müssen.
    Wittstock vergisst nicht die französischen Kollaborateure der Gestapo, aber vor allem vergisst er nicht die vielen Menschen wie Grenzsoldaten, Verwaltungsbeamte und dörfliche Nachbarn, die mit persönlichem Mut Tragödien verhinderten. Ein wohltuendes Beispiel menschlicher Solidarität.
    Dieses spannende und informationsreiche Buch lege ich nicht nur Literaturfreunden ans Herz, sondern vor allem den Unbelehrbaren und Geschichtsvergessenen unserer Tage. Dazu darf ich Magnus Brechtken („Vom Wert der Geschichte“) zitieren: „Wir können, wenn überhaupt, NUR aus der Geschichte lernen. Etwas anderes ist uns ... nicht verfügbar.“
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  • Rezension zu Marseille 1940. Die große Flucht der Literatur

    • 28. April 2024 um 16:07
    REZENSION – Mit seinem nicht nur literaturhistorisch äußerst interessanten Sachbuch „Marseille 1940. Die große Flucht der Literatur“ - im Februar beim Verlag C. H. Beck erschienen - hat Autor Uwe Wittstock das dramatische Kapitel deutscher Literaturgeschichte fortgeschrieben, das er zwei Jahre zuvor mit seinem Band „Februar 33. Der Winter der Literatur“ begonnen hatte. Mittels tragischer Einzelschicksale bekannter Schriftsteller wie Heinrich und Golo Mann, Franz Werfel, Hannah Arendt, Lion Feuchtwanger, Anna Seghers, Walter Benjamin und anderer, die nach Machtergreifung der Nazis in Frankreich Zuflucht gesucht hatten, erzählt Wittstock nun in seinem neuen Band, wie diese nach Besetzung und der Kapitulation der Grande Nation unter schwierigsten Bedingungen in den Monaten zwischen Mai 1940 und Oktober 1941 versuchten, in das nicht von den Nazis besetzte Südfrankreich und schließlich nach Marseille, dem einzigen noch freien Hafen an der Atlantikküste, zu kommen, um von dort nach Übersee fliehen zu können. Vor allem aber würdigt Wittstock den selbstlosen Einsatz des jungen amerikanischen Journalisten Varian Fry (1907-1967), dem es nach Gründung eines von ihm in New York mit finanzieller Unterstützung wohlhabender Amerikaner initiierten „Emergency Rescue Committee“ gelang, in diesen 18 Monaten mit Hilfe seines in Marseille aufgebauten Rettungsnetzwerks „Centre Américain de Secours“ etwa 2 000 deutschsprachige Kulturschaffende zur Flucht aus Frankreich zu verhelfen.
    Wittstock schildert, journalistisch anhand von Briefen und Tagebüchern, Erinnerungen, Autobiografien und Interviews recherchiert - zwar chronologisch geordnet, aber szenarisch wechselnd - den Mut mancher, aber auch die Selbstaufgabe anderer Exilanten wie im Falle des fast 70-jährigen Heinrich Mann. Dass Frys Wirken nicht immer Erfolg hat, zeigt der Suizid des verzweifelten Walter Benjamin. Andere entwickeln eine unbedingte Entschlossenheit zur Weiterflucht wie Anna Seghers, die sich über hunderte Kilometer zu Fuß auf den Weg macht.
    Während über die Schicksale der Exilanten vieles bekannt ist, geriet der heldenhafte Einsatz des amerikanischen Fluchthelfers Varian Fry in Vergessenheit. Im Gegenteil: Schon während seines Einsatzes in Marseille bekam er zunehmend Schwierigkeiten mit dem New Yorker US-Hilfskommittee, das ihn 1940 nach Frankreich entsandt hatte. Man warf ihm seine Arbeit als illegaler Fluchthelfer vor, statt nur Geld und Lebensmittel an die Hilfsbedürftigen zu verteilen. Schließlich fordert man ihn sogar zur Rückkehr in die USA auf. „Fry ist empört. Angesichts der Situation in Marseille erscheinen ihm solche Anweisungen unzumutbar, zumal wenn sie von Leuten kommen, die in Amerika in warmen Wohnungen an reich gedeckten Tischen sitzen und keine persönlichen Risiken eingehen.“ An seine Frau schreibt er: „Dieser Job ist wie der Tod – unumkehrbar. Wir haben hier etwas begonnen, das wir nicht ohne Weiteres beenden können.“
    Erst 1994 wurde ihm eine angemessene Ehrung als erster amerikanischer „Gerechter unter den Völkern“ in Israels Holocaust-Mahnmal Yad Vashem zuteil sowie 1998 als Ehrenbürger Israels. Im Epilog seines Buches „Marseille 1940“ wundert sich auch Wittstock über die bis heute anhaltende Missachtung dieses Fluchthelfers: „Überraschend ist, wie wenig Anerkennung Varian Fry und seine Leute in Deutschland gefunden haben, obwohl die deutsche Kulturgeschichte ihnen doch einiges zu verdanken hat.“ Nicht einmal die von ihm Geretteten schrieben mehr als ein paar Zeilen in ihren Autobiografien. Auch der Varian Fry gewidmete Essay "Der Engel von New York" der ins Pariser Exil verbannten Schriftstellerin Gabriele Tergit (1894-1982) wurde bislang nicht veröffentlicht.
    Deshalb kann man den Band „Marseille 1940“ nun als angemessene Würdigung dieses „amerikanischen Schindlers“ ansehen. Aber nicht nur aus diesem Grund, sondern auch wegen Wittstocks lebendiger Schilderung der bewegenden Einzelschicksale, die nur stellvertretend für viele andere Exilanten stehen, ist dieser Band unbedingt lesenswert. „Marseille 1940“ ist zwar ein für Literaturkenner interessantes Sachbuch - und doch noch mehr: Es ist eine für jedermann leicht lesbare und spannend geschriebene Erzählung über ein vielleicht vielen noch unbekanntes düsteres Kapitel deutscher Geschichte.
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  • Rezension zu Marseille 1940. Die große Flucht der Literatur

    • 16. Februar 2024 um 22:51
    Autor: Uwe Wittstock
    Titel: Marseille 1940 - Die große Flucht der Literatur
    Seiten: 351
    ISBN: 978-3-406-81490-7
    Verlag: C. H. Beck
    Autor:
    Uwe Wittstock wurde 1955 in Leipzig geboren und ist ein deutscher Literaturkritiker, Lektor und Autor. Zunächst arbeitete er als Journalist der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, wo er von 1980 bis 1989 der Literaturredaktion angehörte, danach wirkte er als Lektor beim S. Fischer Verlag.
    Zur gleichen Zeit war er Mitherausgeber der Literaturzeitschrift Neue Rundschau. Im Jahr 2000 wurde er stellvertretender Feuilletonchef der Tageszeitung Die Welt, zwei Jahre später Kulturkorrespondent in Frankfurt/Main. Bis 2017 arbeitete er als Literaturchef des Magazins Focus. Zu seinen Werken zählen mehrere Sachbücher. 1989 erhielt er den Theodor-Wolff-Preis für Journalismus.
    Inhalt:
    Juni 1940: Hitlers Wehrmacht hat Frankreich besiegt. Die Gestapo fahndet nach Heinrich Mann und Franz Werfel, nach Hannah Arendt, Lion Feuchtwanger und unzähligen anderen, die seit 1933 in Frankreich Asyl gefunden haben. Derweil kommt der Amerikaner Varian Fry nach Marseille, um so viele von ihnen wie möglich zu retten. Uwe Wittstock erzählt die aufwühlende Geschichte ihrer Flucht unter tödlichen Gefahren. (Klappentext)
    Rezension:
    In letzter Minute hat Heinrich Mann es geschafft, die Grenze ohne Aufsehen zu überqueren, Teil des kulturellen Exodus', der das Deutsche Reich mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten, erfasste. Auch andere, die sich politisch mit Werk und Worten gegen die neuen Machthaber positionierten, mussten fliehen. Viele Intellektuelle und Schriftsteller fanden sich darauf hin in Frankreich wieder.
    Doch auch hier holt der Krieg jene, die sich in Sicherheit glaubten, ein. 1940 ist Frankreich besiegt, zerstückelt. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt, Leib und Leben zu riskieren, sich außer Reichweite der Häscher zu bringen. In der unbesetzten Zone wird die Stadt Marseille zum Schicksalsort, an dem sich alles entscheidet.
    Nach seinem Werk "Februar 33 - Der Winter der Literatur" nimmt sich der Autor Uwe Wittstock nun erneut einen kulturellen Wendepunkt an, der der Erzählung des Exodus des intellektuellen Lebens nach der Machtergreifung Hitlers in nichts nachsteht. Spannend, erzählt er die Geschichte derer, die sich versuchen, in Sicherheit vor den Zugriff der Nazis zu bringen, und derer, die dies ermöglichen. Biografien werden verwoben, wie Wege, die sich kreuzen. Ausgangspunkte sind ein Schriftsteller-Kongress im Exil, die Beobachtung ausbrechender Gewalt, Tatendrang und unermüdliche Hilfsbereitschaft.
    Im Mittelpunkt der Journalist Varian Fry, der es mit seinen Mitstreitern schafft, in aller Kürze ein kleines aber effektives Netzwerk aufzubauen, in Frankreich später selbst die Fäden in den Händen halten muss, welche nicht nur durch das dortige Vichy-Regime unter Druck geraten. Akribisch folgen wir seinen Spuren und derer, denen er die Flucht verhilft.
    Alma Mahler Werfel und Franz Werfel, Heinrich Mann, Anna Seghers und viele andere werden so gerettet. Fry und seine Unterstützer werden für einen entscheidenden Moment der Geschichte zu besonderen Menschen in einer besonderen Zeit.
    Wie bereits in seinem vorangegangenen Werk werden die dicht gedrängten Ereignisse in Tagebuchform aufgefächert, welche das Drängen, die Eile und nicht selten die Ungewissheiten der Akteure herausstellt, deren Schicksale sich von einem auf dem anderen Tage ändern konnte.
    Wieder sind es ausgewählte Personen, deren Wege hier beschrieben werden, stellvertretend für viele, die zwangsweise namenlos bleiben müssen, da wir zu wenig wissen, um von ihnen zu erzählen. Gleich zu Beginn wird dies vom Autoren selbst herausgestellt, dem der Spagat gelungen ist, ein zweites Mal ein literarisches, zudem in unseren Zeiten hoch nachdenklich machendes, Sachbuch zu schaffen.
    Anhand von Tagebuchaufzeichnungen, nach dem Krieg niedergeschriebenen Erinnerungen oder Briefen, auf denen sich eine puzzleartige Recherche, die auch nach Marseille selbst führte, stützt, ist damit ein kulturelles Portrait entstanden. Kurzbiografien am Ende des Buches geben über das weitere Schicksal Aufschluss. Aufgelockert wird die Lektüre durch Kartenmaterial in den Innenseiten und zahlreichen Abbildungen, welche im Zusammenspiel diese Tage lebendig werden lassen.
    Auch hier hat man, wie in "Februar 33" erneut das Gefühl, allen Personen so nahe zu sein, als würde man daneben stehen, gegen alle Widrigkeiten Fluchten zu organisieren oder zu bestreiten. Diese Chronologie geht unter die Haut, mit einem sogar noch etwas flüssiger wirkenden Schreibstil als beim Vorgänger. Ein Buch über Menschlichkeit und Mut, über unwägbare Faktoren und Sekunden, die über Gelingen oder Scheitern entschieden.
    Eine unbedingte Leseempfehlung.
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  • Rezension zu Marseille 1940. Die große Flucht der Literatur

    • 15. Februar 2024 um 20:06
    Nach Wittstocks Buch über den Exodus deutscher Literaten aus Deutschland nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933 (Titel: Februar 1933. Der Winter der Literatur) legt der Publizist und Journalist Uwe Wittstock nach und schreibt über die Situation der nach Frankreich Geflohenen, die sich nach der Niederlage Frankreichs abermals in Lebensgefahr befinden. Es ist auch eine Schilderung der mutigen Bestrebung des Emergency Recue Comittees, die vor Ort unzähligen Leuten beim Verlassen des Landes Unterstützung gewährt hat.
    Eine vielstimmige Momentaufnahme
    Wittstock gliedert scheine Schilderung in "Tagebucheinträge" (jedoch in der nüchternen Perspektive der dritten Person), die entweder mit einem einzelnen Datum oder einer Zeitspanne von wenigen Tagen überschrieben sind. Jeder Eintrag ist höchstens wenige Seiten lang, manchmal auch weniger als eine Seite. Zu Beginn beschreibt er, wie einige der Flüchtenden die Tage vor und während der Invasion der Wehrmacht erlebt haben. Durch den schnellen erzählerischen Rhythmus, den Wittstock auf diese Weise erzielt, fängt er die Grundstimmung, die dieser Tage geherrscht haben muss, geschickt ein. Der Überfall der Wehrmacht und der nahezu ungehinderte Vormarsch auf Paris hat die meisten Zeitgenossen überrumpelt, selbst die aufmerksameren Beobachter. Und nach der Aufteilung Frankreichs in eine besetzte und eine unbesetzte Zone kamen tagtäglich neue Schreckensmeldungen über neue Erlasse und behördliche Verfügungen hinzu, die für die Ausreisewilligen zu einer Angelegenheit von Leben und Tod wurden.
    Wittstock wechselt dabei stets die Perspektive und fängt damit die Schicksale einer Vielzahl illustrer Flüchtlinge ein, darunter u.a. Lion Feuchtwanger, Heinrich & Golo Mann, Anna Seghers, Walter Mehring, Walter Benjamin, Hannah Arendt und Franz Werfel. Auch diese vielen Wechsel tragen zum Tempo der Erzählung bei.
    Eines er eindrücklichsten dieser kurzen Kapitel findet jedoch in Deutschland statt: Es ist eine Episode, die Varian Fry als frisch gebackener Chefredakteur einer renommierten Politzeitschrift namens The Living Age erlebte, während er Anfang der 1930er Jahre in Berlin persönliche Eindrücke von Land und Leute sammelte. Unversehens wurde er Zeuge einer heftigen Ausschreitung gegen jüdische Bürger auf dem Kurfürstendamm, die vom Ausmaß der Gewalt her an ein Progrom gemahnte. Bereits an dieser Stelle spielt Wittstock mit seinen journalistischen Muskeln, denn seine Darstellung dieses Erlebnisses ist eindrücklich, lebendig und fesselnd, wie eine raffiniert geschrieben Reportage, aber zugleich nüchtern und sachlich.
    Das Emergency Rescue Committee: Die Geschichte des Varian Fry und seiner Unterstützer
    Varian Fry ist es auch, der im Laufe dieses Buches zu einem Fixpunkt wird. Unmittelbar vor der Invasion Frankreichs gründete Fry zusammen mit Paul Hagen (mit bürgerlichem Namen Karl Frank) eine Organisation, deren Aufgabe es war, Intellektuellen, Schriftstellern und Philosophen, die wegen ihrer jüdischen Abstammung oder wegen künstlerischer bzw. politischer Haltungen von den Nazis verfolgt wurden und nach Frankreich geflüchtet waren, bei der Flucht zu helfen. Geldmittel sollten zur Verfügung gestellt werden, während man ihnen dabei hilft, die nötigen Papiere in Frankreich zu erlangen. Notfalls waren auch illegale Fluchtwege zu beschreiten.
    Varian Fry beschließt mangels eines geeigneten Kandidaten, selber nach Frankreich aufzubrechen, um vor Ort für die Organisation tätig zu werden, die den Namen "Emergeny Rescue Committee" erhielt. Zusammen mit weiteren Mitarbeitern, die er vor Ort rekrutieren musste, und der Hilfe des Diplomaten Harry Bingham Jr. baute er in Windeseile eine Struktur auf, mit der er Hilfesuchenden Unterstützung gewähren konnte. Er baute auch Verbindungen zu Schleusern auf, die einen Weg über die Pyrenäen kannten, der an die Zollbeamten vorbeiführte.
    Bei der Beschreibung der Arbeit Frys verringert sich das Tempo geringfügig, entsprechend der teilweise zähen Bemühungen darum, einzelnen Klienten die Ausreise zu ermöglichen. Fluchtwege versperrten sich so schnell, wie sie sich auftaten, das Vichy-Regime bemühte sich zusehends, den Fluchtbewegungen einen Riegel vorzuschieben. Fry selber überwarf sich mit den in New York verbliebenen Kommitee-Mitgliedern, von denen er sich sabotiert fühlte. Er beschloß, auf eigene Faust in Frankreich zu bleiben. Die letzten Monate dieser Aktion entwickelten sich zu einer zähen Kraftprobe, bei der Fry scheinbar nur noch seinen engsten Mitarbeitern vertrauen konnte. Nichtsdestotrotz findet Wittstock auch hier den Raum, um die Geschichte einiger verbleibender Flüchtlinge und der Mitstreiter Frys zu erzählen.
    Fazit
    Marseille 1940 ist eine packende und faszinierende Lektüre, die mit journalistisch geschulter Präzision und Eingängigkeit von dramatischen Schicksalen zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs berichtet. Es öffnet Augen für die Verzweiflung und die bitteren Überlebenskämpfe, die die Flüchtenden, obwohl teilweise vermögend, gebildet und gut vernetzt, auszufechten hatten, wirft aber auch ein Licht auf den Mut und Hilfsbereitschaft der Mitglieder des Emergency Rescue Committees, die viel aufs Spiel gesetzt haben, um diesen Menschen bei der Flucht zu helfen. Mögliche wäre es oftmals gar nicht gewesen, wenn nicht an zahlreichen Stellen einzelne Beamte oder Kommandanten aus den verschiedensten Motive ihre Ermessensspielräume ausgereizt oder gar übertreten hätten, um die Flüchtenden weiter ihrer Wege ziehen zu lassen, anstatt sie zu verhaften und an die Nazis auszuliefern.
    Kurzum, es ist ein großartiges Buch, das mich gefesselt wie auch nachdenklich gemacht hat.
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Ausgaben von Marseille 1940. Die große Flucht der Literatur

Hardcover

Cover zum Buch Marseille 1940. Die große Flucht der ...

Seitenzahl: 351

E-Book

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Seitenzahl: 450

Besitzer des Buches 28

Update: 29. April 2025 um 17:41